Für die Abrechnung von Straßenausbaumaßnahmen mussten und müssen Anlieger oft tief in die Tasche greifen. Fünfstellige Beträge waren auch in Koblenz in der Vergangenheit keine Seltenheit. Durch die Umstellung von einmaligen auf wiederkehrende Straßenausbaubeiträge hat sich das geändert. Damit werden nicht mehr nur die direkten Anlieger einer Straße zur Kasse gebeten, sondern alle Grundstückseigentümer in einem Abrechnungsgebiet.
Obwohl grundsätzlich das System der wiederkehrenden Beiträge schon seit Januar 2024 greift, gibt es in Koblenz noch 20 Straßen, die nach Einmalbeiträgen abgerechnet werden. Warum das so ist, erläutern Karla Wolf und Marcus Uhrmacher vom städtischen Tiefbauamt im Interview.
Abrechnungspraxis sorgt in der Koblenzer Politik für Verwunderung und Ärger
In der Koblenzer Politik sorgte die Abrechnungspraxis kürzlich für Verwunderung und Ärger. Mit dem Thema lassen sich keine Stimmen gewinnen. Während sich hier in den vergangenen Jahren besonders AfD, FDP und WGS für eine generelle Abschaffung der Straßenausbaubeiträge für Grundstückseigentümer ausgesprochen haben, blickten CDU, Grüne und SPD etwas differenzierter auf das Thema. Auch die CDU ist dafür, dass das Land die Kosten übernimmt, erinnerte aber wiederholt daran, dass das Thema nicht in Koblenz, sondern im Mainzer Landtag entschieden wird. Letztlich müsse die Stadt Gesetze befolgen und Straßenausbaubeiträge von Anliegern verlangen, da es um Einnahmen geht. Darauf wies jüngst auch SPD-Fraktionschefin Marion Lipinski-Naumann hin. Grüne und SPD haben sicher auch nichts gegen eine Abschaffung, halten die Umstellung auf wiederkehrende Beiträge zumindest für fairer gegenüber den Anliegern, da die Kosten so auf deutlich mehr Beitragszahler verteilt werden und geringer ausfallen.
Frau Wolf, Herr Uhrmacher, seit Januar 2024 müssen Straßenausbauarbeiten in Rheinland-Pfalz nach dem System der wiederkehrenden Ausbaubeiträge abgerechnet werden. Warum werden immer noch Straßen nach dem für Anlieger deutlich teureren System der Einmalbeiträge abgerechnet?
Karla Wolf: Die Arbeiten in den besagten 20 Straßen können nicht nach dem wiederkehrenden Beitragssystem abgerechnet werden, da die Arbeiten bereits vor dem 1. Januar 2024 abgeschlossen waren und die Schlussrechnungen eingegangen sind. Da besteht eine rechtliche Schranke. Außerdem hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung geschaffen, wonach die Verwaltung für Arbeiten, die vor dem 31. Dezember 2023 vergeben worden sind, noch einmalige Straßenausbaubeiträge erheben kann. Davon hat die Stadt Gebrauch gemacht, da sonst die Kosten, die bereits im Rahmen der Maßnahmen in den vergangenen Jahren entstanden sind, verloren gehen würden. Dadurch wäre der Stadt ein nicht unerheblicher Schaden entstanden. Das sind vor allem Planungskosten, die vor dem Inkrafttreten der wiederkehrenden Beiträge entstanden sind.
Marcus Uhrmacher: Wir sind mit dem Bearbeiten der Maßnahmen zeitlich hinten dran, sonst wären wir gar nicht in den Konflikt gekommen.
Woran liegt das?
Uhrmacher: Wir haben in der Abteilung seit Jahren erhebliche Personalvakanzen, es geht um sieben, acht Stellen. Obwohl das Amt für Personal und Organisation sowie der Stadtrat mitgezogen haben, haben wir die Stellen nie besetzt bekommen.
Warum nicht?
Uhrmacher: Das Aufgabengebiet umfasst eine äußerst komplexe rechtliche Thematik bei überschaubar guter Besoldung, sodass die Leute, wenn sie kamen, schnell wieder weg waren, um interessantere und besser dotierte Stellen in der Stadtverwaltung oder einer externen Behörde anzunehmen. Hinzu kommt, dass die Einarbeitungszeit ein bis eineinhalb Jahre dauert, damit man solch rechtlich herausfordernde Maßnahmen abrechnen kann.
Geschäftsführer René Quante kritisiert MdL Michael Simon (SPD) scharf und fordert: Das Land soll Kommunen bei Straßenausbau entlastenBund der Steuerzahler mahnt: Klares Nein zu wiederkehrenden Beiträgen im Kreis Bad Kreuznach
Parallel zu den üblichen Abrechnungen mussten Sie mit Ihrer Abteilung das System auf wiederkehrende Beiträge umstellen.
Uhrmacher: Ja, auch das war sehr anspruchsvoll, langwierig und kostenintensiv, und wir mussten die Umstellung mit dem vorhandenen Personal meistern. Mit den Satzungsbeschlüssen ist es nicht getan, es geht auch um die IT im Hintergrund. Außerdem mussten wir uns alle Maßnahmen sehr kleinteilig und genau anschauen und bewerten. Für die Umstellung sollten wir zusätzliche Mitarbeiter bekommen, aber wir konnten die Stellen leider nie besetzen. Das alles hat den Stau bei den Abrechnungen verschärft.
Wie viel Geld an Einmalbeiträgen muss die Stadt noch abrechnen und damit einnehmen?
Wolf: Insgesamt sind es rund 8,6 Millionen Euro, davon sind rund 6,3 Millionen Euro einmalige Straßenausbaubeiträge und 2,3 Millionen Euro an Erschließungsbeiträgen. Die Erschließungsbeiträge sind von der Systemumstellung nicht betroffen und haben eine andere rechtliche Grundlage.
Wie lange benötigt die Verwaltung noch, um Straßen nach Einmalbeiträgen abzurechnen?
Uhrmacher: Unser Ziel ist aktuell, dass wir bis zum Jahr 2028 mit der Abrechnung der Einmalbeiträge durch sind. Wenn wir allerdings noch mehr personelle Abgänge haben, wird es länger dauern. Ende 2024 etwa haben wir zwei kompetente Kollegen an Bundesbehörden verloren.
Das Millionenprojekt Südallee wird über die wiederkehrenden Ausbaubeiträge abgerechnet. Das hat der Stadtrat mehrheitlich so beschlossen. Für eine Bürgerinitiative ist damit ihr Ziel erreicht. Denn Hausbesitzer in der Straße müssen jetzt deutlich weniger zahlen, als ursprünglich geplant war.Koblenzer Stadtrat ändert Abrechnungsmodus in der Südallee: Mehr Leute zahlen jetzt kleinere Beträge
Gibt es eine Prioritätenliste bei den noch ausstehenden 20 Straßen?
Uhrmacher: Die Politik meint, man müsse zuerst die Straßen mit dem höchsten Volumen abrechnen. Aber die Verwaltung geht nach Verjährungsfristen vor, damit am Ende keine Kosten verjähren und damit Einnahmen für die Stadt verloren gehen. Alles in allem ist das keine Situation, die wir grade auch bei der aktuellen Haushaltslage als gut empfinden. Die Verzögerung entspricht nicht unserem Anspruch. Aber durch die personelle Situation, die leider so ist, wie sie ist, ist es nicht zu ändern.
Wie lange greift die Verschonungsregelung? Dass ein Anlieger, der Einmalbeiträge bezahlen musste, nun in einem Abrechnungsgebiet nicht auch für wiederkehrende Beiträge zur Kasse gebeten werden kann?
Wolf: Das kommt auf die Art der Arbeiten an. Bei einem Vollausbau sind es 20 Jahre, bei der Herstellung nur der Fahrbahn 15 Jahre, 10 Jahre bei Sanierung eines Gehwegs. Und fünf Jahre, wenn etwa die Beleuchtung erneuert wurde oder die Straßenoberflächenentwässerung. Die Regel greift immer zum 1. Januar eines Jahres. Wenn etwa die Schlussrechnung durch die Baufirma im Februar oder September 2023 eingegangen ist, gilt die Frist ab dem 1. Januar 2024.
Nun könnte es sein, dass je nachdem wie die Landtagswahl im März 2026 ausgeht, das System der Straßenausbaubeiträge ganz abgeschafft wird.
Uhrmacher: Die Kosten für die Einführung waren sehr hoch. Wenn man den finanziellen Aufwand aller Kommunen auf das ganze Land hochrechnet, wäre es wahrscheinlich ein Wahnsinn, wenn man es abschaffen würde. Im Übrigen gibt es aktuell für Rheinland-Pfalz auch noch keinen alternativen Finanzierungsansatz für kommunale Straßenbauprojekte.
Diese 20 Koblenzer Straßen werden noch nach Einmalbeiträgen abgerechnet
1. Alte Straße (Abrechnungszeitpunkt: 2026) 2. August-Horch-Straße (2026) 3. Drosselgang (2025) 4. Eduard-Müller-Straße (2026) 5. Emser Straße (2025) 6. Lorenz-Kellner-Straße (2025) 7. Paulstraße (2026) 8. Wallersheimer Weg (2025) 9. Wendelinusstraße (2026) 10. von-Werth-Straße (2025) 11. Andernacher Straße (2026) 12. Beatusstraße (2027) 13. Fritz-Michel-Straße (2026) 14. Fritz-Zimmer-Straße (2026) 15. Gartenstraße (2026) 16. In der Grünwies (2027) 17. Lambertstraße (2026) 18. Pastor-Klein-Straße (2027) 19. Peter-Klöckner-Straße (2027) 20. Wolkener Straße (2026)