Koblenz
Wahlkampf: Sigmar Gabriel redet Klartext auf dem Zentralplatz in Koblenz

Unter einer großen Zeltkuppel suchte SPD-Chef Sigmar Gabriel auf dem Koblenzer Zentralplatz den Dialog mit den Zuschauern.

Annette Hoppen

Koblenz - Unter einer luftigen Kuppel vor der Kulisse der Forumsbauten hat die Koblenzer SPD zum Höhepunkt ihres Wahlkampfs geladen. Das Programm: "Klartext" des Parteivorsitzenden. Der Dialog der Zuschauer mit Sigmar Gabriel steht im Mittelpunkt.

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Das runde Zeltdach spannt sich hoch über den Zentralplatz, dort wo sonst der Brunnen für Wasserspiele sorgt, stehen jetzt rote Bänke. Unter einer luftigen Kuppel vor der Kulisse der Forumsbauten hat die Koblenzer SPD zum Höhepunkt ihres Wahlkampfs geladen. Das Programm: „Klartext“ des Parteivorsitzenden. Kein frontales Bühnenprogramm, der Dialog der Zuschauer mit Sigmar Gabriel steht im Mittelpunkt.

Doch bevor dieser die Bühne betritt, gibt sich dort die rheinland-pfälzische Parteiprominenz das Mikrofon in die Hand. Den Auftakt macht eine gewohnt kämpferische Generalsekretärin Andrea Nahles, die Uli Hoeneß von der Ehrentribühne auf die Anklagebank verbannen und die „Vermerkelung“ jedes politischen Themas beenden will. Es folgt eine Gesprächsrunde mit Innenminister Roger Lewentz, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, die bereits im Bundestag sitzt, und Gabi Weber, die hinein will.

Dann ist der Tross des Parteichefs da. Vom Gespräch in unsere Nachrichtenredaktion, über das wir ausführlich am Samstag berichten, werden, eilt er direkt auf den Zentralplatz. Aber zunächst betritt der Koblenzer Bundestagskandidat, Detlef Pilger, die Bühne. Und diese ist ihm nicht zu groß. Er spricht über Missstände im Bildungswesen, spricht über akademische Betrügereien im Merkelkabinett – und erklärt, warum auch er, wie Peer Steinbrück, für seinen geliebten Gülser Wein mehr als 5 Euro ausgibt: weil die Winzer hier anständige Löhne bezahlen und Qualität eben ihren Preis hat.

Eine Erklärung und ein Auftritt, der viel Beifall erntet und auch dem Parteichef Respekt abringt. „Besser kann ich das auch nicht“, sagt Gabriel. Eigentlich muss er nichts mehr sagen, kann sich aufs Wein trinken konzentrieren. Doch davor steht noch die Aufnahme eines neuen Parteimitglieds an: einer erfolgreichen Paralympics-Teilnehmerin. Und das Angebot: Wer heute in die Partei eintritt, wird zum Essen eingeladen. Doch die Menschen sind nicht zum Essen gekommen, sie wollen den SPD-Chef hören – und mit ihm reden.

Über Bildung spricht Gabriel, zunächst, warum Menschen ohne sie keine Chance auf ein selbstbestimmtes Leben haben. Über die Probleme des Arbeitsmarkts. „Wir können das Kindergeld auch verfünffachen.“ Das würde nichts nützen, solange junge Menschen nach der Ausbildung und dem Studium keinen Arbeitsplatz finden. Die Gebühren für Kitas müssen überall weg, wie in Rheinland-Pfalz – für Gabriel ein Punkt, in dem das Land Vorzeigecharakter hat, wie auch beim Ganztagsschulangebot.

Steuererhöhungen werde es mit einem sozialdemokratischen Bundeskanzler geben, so die klare Ansage. Aber nur für die 5 Prozent der Bestverdiener. Wer vor der Wahl etwas verspricht, solle auch erklären, wie er es umsetzen und bezahlen will. Sein Appell an die Zuhörer: Wählen gehen. Millionen von Menschen riskieren ihr Leben für das Recht einer freien Wahl. In Deutschland werde allzu leichtfertig damit umgegangen.

Mit roten Mikrofonen wird jetzt das Publikum eingebunden. Fragen an Sigmar Gabriel? Etliche. So findet er auf Nachfrage, dass sich auch befreundete Nationen an deutsche Gesetze halten müssen und Daten nicht ausspähen dürfen. Sonst sei eine Freihandelszone mit den USA nicht möglich. Und er meint auch, dass die Kanzlerin zumindest den Versuch starten müsste, Russland in der Syrienfrage von seiner Linie abzubringen – um die Kriegsgefahr zu bannen. Und dass bei der Energiewende eine große Planlosigkeit herrscht. Und dass man beim Gesundheitswesen endlich vom Patienten aus denken muss, dass die Qualität der Versorgung nicht vom Geldbeutel abhängig sein darf. Antworten gibt es für jeden Zuschauer der fragt. Nur wo es um Landespolitik geht, passt er. Der anwesende Staatssekretär David Langner hilft aus.

Nach weit über einer Stunde ist der Dialog beendet. Gabriel muss weiter. Neue Parteimitglieder kann er nicht mehr begrüßen. Dafür gibt es von Pilger zwei Flaschen Gülser Wein. Für mehr als 5 Euro. Probieren muss er den später. Jetzt geht erst mal der Wahlkampf weiter – noch gut drei Wochen.

Ingo Schneider

SPD-Chef würde 16-Jährige den Bundestag wählen lassen

Koblenz – Am Rande seines Auftritts in Koblenz traf sich SPD-Chef Sigmar Gabriel mit unseren Schülerreporterinnen. Er sprach sich klar für mehr Mitbestimmung der Jugend in der Politik aus.

Herr Gabriel, wie stehen Sie zu einem Wahlrecht mit 16 Jahren?

Ich habe kein Problem damit, das auch bei Bundestagswahlen so zu machen.

Was fordern Sie für die Jugend?

Zunächst mal muss sie etwas für sich selbst tun. Aber ich verstehe Sie. Wir müssen dafür sorgen, dass es wieder feste Arbeitsplätze gibt, weniger lange Zeitarbeit. Und wir müssen deutlich mehr in Bildung investieren.

Wie stehen Sie zum Zentralabitur?

Die Abschlüsse müssen vergleichbar sein, aber der Weg dahin, da muss schon die Schule hinreichend frei bleiben.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Peer Steinbrück?

Ich meine, ich habe ihn vorgeschlagen. Er ist der Beste, den wir in Deutschland haben, um die Finanzmarktprobleme endlich zu regeln, die Frau Merkel leider liegen lässt.

Wie wirken sich die Erfahrungen in Ihrer Jugend auf ihr Leben aus?

Diese sind sehr prägend, das ist bei allen Menschen so. Wobei es nicht so ist, dass man sein Leben nicht noch mal komplett ändern kann. Ich habe früh in der Jugendverbandsarbeit begonnen. Nichts von dem, was ich heute in der Politik kann, könnte ich ohne diese Zeit.

Das Gespräch führten Monna Al-Khaldi und Susanna Domogalla

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