Sich anhand von Schildern an öffentlichen Orten zurechtfinden, Speisekarten in Restaurants lesen oder gemütlich eine Runde Karten spielen – um diese Dinge zu machen, sind blinde und sehbehinderte Menschen auf Blindenschrift angewiesen. Barrierefreie Kommunikation gilt längst noch nicht überall als selbstverständlich. Für die Firma Kreye Siebdruck aus Koblenz gehört diese Thematik mittlerweile zum Alltag.
Das Unternehmen befasst sich seit rund anderthalb Jahren mit dem aufwendigen Druckverfahren von Braille und Taktilschrift – und gehört damit deutschlandweit zu einer von wenigen Druckereien, die auf diesem Gebiet agieren. Die Geschäftsführerinnen führen unsere Zeitung durch ihre Druckerei und stellen neben ihren Brailleprodukten auch ihre neue digitale Druckmaschine vor, die für den Druck der erhabenen Blindenschrift eingesetzt wird.
Wir möchten barrierefreie Kommunikation ermöglichen.
Ellen Kreye-Leder, Geschäftsführerin
Kreye Siebdruck ist eine 1908 gegründete, in Koblenz ansässige Firma, die derzeit von Ellen Kreye-Leder und Nicole Figge geführt wird. Vor etwa anderthalb Jahren betrat Kreye Neuland und fertigten erstmals Braille und Taktildrucke an – als einzige Druckerei in der Region. Ihr Ziel: „Wir möchten barrierefreie Kommunikation ermöglichen“, sagt Kreye-Leder.
Von Visitenkarten über Informationstafeln in Museen bis hin zu Handläufen an Geländern bedrucken sie Produkte in Taktilschrift. Die Blindenschrift kann in allen möglichen Bereichen ergänzt werden und somit für blinde und sehbehinderte Menschen den Alltag erleichtern. Dafür braucht es manchmal gar nicht viel: „Wir stellen auch durchsichtige Sticker her, die man beispielsweise einfach an einem bereits vorhandenen WC-Schild anbringen kann. So spart man sich den Aufwand, ein komplett neues Schild anfertigen zu lassen“, erklärt Kreye-Leder.
Braille bezeichnet die Schrift, die aus eingestanzten oder aufgedruckten Punkten besteht. Diese Punkte haben festgeschriebene Höhen und Abstände, die über eine DIN-Norm geregelt werden – für den Druck bedeuten diese Vorgaben mehr Zeitaufwand und Präzision, sagt Siebenmorgen. Außerdem handelt es sich bei Braille um eine eigene Sprache mit eigenem Alphabet. Die Druckaufträge, die Kreye bekommt, müssen deshalb von Experten übersetzt werden.
Zu diesen Experten gehört auch der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund mit Sitz in München. Martina Haidl, die dort mitunter für die Übersetzungen der Kreye Druckaufträge zuständig ist, sagt: „Es gibt deutschlandweit kein allzu großes Angebot an Druckhäusern, die Blindenschrift abdrucken und Kreye hat da einfach das nötige Know-how und eine hohe Qualität.“
Es gibt deutschlandweit kein allzu großes Angebot an Druckhäusern, die Blindenschrift abdrucken.
Marina Heidl, Bayerischer Blinden- und Sehbehindertenbund
Außer Braille druckt Kreye noch in erhabener Pyramidenschrift. Dabei werden vier Schichten, die ebenfalls in ihrer Höhe genormt sind, übereinander gedruckt. Nach oben werden die Schichten schmaler, sodass der Aufdruck optisch an eine Pyramide erinnert. Diese Schrift muss nicht erst noch in Braille übersetzt werden, gedruckt werden nämlich die Buchstaben aus dem deutschen Alphabet. „Die taktile Pyramidenschrift können die meisten Blinden- und Sehbehinderten lesen. Besonders für die Menschen, die nicht blind geboren wurden, ist sie einfacher zu lernen“, weiß Siebenmorgen.
Die Aufträge, die Kreye bekommt, sind ganz verschieden. Sowohl öffentliche Institutionen und Behörden als auch Privatpersonen wenden sich an die Koblenzer Firma. Monatlich erhält Kreye etwa 20 Anfragen aus ganz Deutschland und aus Nachbarländern. Das sei eine hohe Nachfrage nach Aufdrucken in Blindenschrift, erklärt Kundenberater Peter Siebenmorgen, dessen Spezialgebiet der Braille- und Taktildruck ist.
Ab und zu erhalten die Blindenschriftexperten in Koblenz auch mal ungewöhnliche Aufträge. Der exotischste bisher: Tarotkarten. Eine Studentin habe die mit Braille im Rahmen ihrer Bachelorarbeit anfertigen lassen, erzählt Kreye-Leder. Um speziellen Aufträgen wie diesem gerecht werden zu können, hat die Firma im Juli eine neue Maschine in Betrieb genommen. Sie ist gerade für kleine Auflagen der Braille- und Taktildruckaufträge geeignet. Im Gegensatz zur herkömmlichen Siebdruckmaschine läuft bei dem neuen Drucker des japanischen Herstellers Mutoh alles digital mit UV-LED-Technik. „Das ist übrigens die erste Maschine von Mutoh, die in Deutschland zum Einsatz kommt“, sagt Siebenmorgen.
Taktildrucke sind gut lesbar
Dass sie für ihre Taktilprodukte im Sieb- und Digitaldruck geschätzt werden, hat das Kreye-Team laut Nicole Figge auf der Messe Sight-City in Frankfurt erfahren. Dort werden Hilfsmittel für Blinde und Sehbehinderte ausgestellt und können von entsprechenden Verbänden, Organisationen und Betroffenen getestet werden. „Das war eine wichtige Erfahrung für uns, dieses Feedback zu bekommen“, so Figge. Die Resonanz sei durchweg positiv ausgefallen, die Wichtigste: Die Kreye-Drucke seien gut lesbar. „Die Höhe und den Abstand zwischen den Buchstaben optimal zu treffen, schaffen nicht alle“, ergänzt Geschäftsführerin Figge.
Kreye-Leder sagt rückblickend: „Bei SightCity konnten wir in diese ganz andere Welt eintauchen und persönlich erleben, mit welchen Herausforderungen blinde und sehbehinderte Menschen zu kämpfen haben.“ Zu sehen, wie sehr den betroffenen Menschen durch taktile Aufdrucke geholfen werden kann, sei ein großer Ansporn, sich weiter mit dieser Thematik zu beschäftigen.