Volksschule: Mit dem Ende der Osterferien beginnt ein neues Schuljahr. Wie viele Jungen und Mädchen in Koblenz, das damals rund 60.000 Einwohner zählte, zum ersten Mal in die Schule gingen, verrät die Coblenzer Zeitung leider nicht. Doch die Jahrgänge dürften nicht klein gewesen sein. Ein Indiz hierfür liefert die Zeitung in ihrem Bericht über Erstkommunion und Konfirmation. So gab es 1921 805 Kommunionkinder, und 175 Jungen und Mädchen wurden im gleichen Jahr in der Christuskirche und der Florinskirche konfirmiert. Die Schullaufbahn der meisten Kinder beschränkte sich damals gleichwohl noch auf die Volksschule. Die Volksschulen, die einstmals aus den Pfarrschulen hervorgingen, sind nach Konfessionen getrennt. Zu Beginn der Weimarer Republik wollten SPD und Liberale diese Trennung zwar abschaffen, sie scheiterten allerdings am Widerstand des katholischen Zentrums. Katholische Volksschulen sind die Castorschule (Gemeinde St. Kastor), die Schule im Bassenheimer Hof (Liebfrauen), die Thielenschule (Herz Jesu), die Schenkendorfschule (St. Josef) sowie die Schulen in Lützel, Neuendorf und Moselweiß. Die evangelischen Kinder gehen in die Schule im Hohenfelder Haus (Löhrstraße 38), die Hohenzollernschule (Hohenzollernstraße 67) und in eine Schule in Lützel. Die jüdischen Kinder besuchen entweder die evangelischen oder katholischen Volksschulen.
Eine Trennung gibt es allerdings nicht nur zwischen den Konfessionen, sondern auch zwischen den Geschlechtern. Knaben und Mädchen werden zumeist in getrennten Klassen unterrichtet. Wie viele Kinder in einer Klasse sitzen, lässt sich schwer kalkulieren. Generell gibt es einen Erlass des Ministeriums, wonach eine Klassengröße von bis zu 60 Kindern akzeptabel sei. In Koblenz werden die rund 6000 Kinder, die die städtischen Schulen besuchen, von 130 Lehrern unterrichtet, so die Coblenzer Zeitung. Statistisch betrachtet ergibt dies eine Klassengröße von 46 Kindern. Allerdings dürfte die tatsächliche Klassengröße in den einzelnen Schulen unterschiedlich sein. So sind am städtischen Kaiser-Wilhelm-Realgymnasium, Vorgänger des heutigen Eichendorff-Gymnasiums, die Klassen wesentlich kleiner. Im Gegensatz zur kostenlosen Volksschule müssen die Eltern für den Besuch der Gymnasien Schulgeld zahlen. Ein weiterer Unterschied zu den Volksschulen ist die fehlende konfessionelle Trennung. So drückten 1882, als das Jesuitengymnasium, das spätere Kaiserin-Augusta-Gymnasium und heutige Görres-Gymnasium, sein 300-jähriges Bestehen feierte, 287 katholische, 201 evangelische und 28 jüdische Schüler dort die Schulbank.
Spielplätze: Aufenthaltsort der jungen Schängel ist zumeist die Straße. Denn einerseits sind die Wohnungen, für heutige Verhältnisse, vielfach überbelegt und andererseits gibt es kaum Spielplätze. Wird einer neu angelegt, so erfreut er sich schnell großer Beliebtheit. Ein Beispiel hierfür ist ein Spielplatz am Kaiser-Wilhelm-Ring gegenüber der damaligen Oberpostdirektion, der heutigen Zentrale des Landesbetriebs Mobilität am Friedrich-Ebert-Ring. „Die Jugend belagert ihn vom frühen Morgen bis in den späten Abend“, weiß die Coblenzer Zeitung. Spielfläche sind aber auch die zentralen Plätze. So klagen die Anwohner des Florinsmarktes darüber, dass der große Platz für Fußball und andere Ballspiele genutzt werde. „Es gehen hierbei oft die jetzt so teuren Fensterscheiben in die Brüche“, so die Coblenzer Zeitung.
Volkshochschule: Mit der Weimarer Republik erlebt die Idee der Volkshochschule einen immensen Aufschwung. Auch in Koblenz wird 1919 eine Volkshochschule gegründet, die Kurse finden zumeist abends in den Räumen des Kaiser-Wilhelm-Realgymnasiums statt. Die Kurse drehen sich vor allem um geistes- und naturwissenschaftliche Themen, den jungen Schiller, eine Einführung in die Philosophie oder in die chemischen Vorgänge im Haushalt der Natur. Heimatgeschichtliche Vorträge werden ebenfalls angeboten, Referent ist der spätere Leiter des Koblenzer Stadtarchivs Hans Bellinghausen.
Zauberei: Übersinnliches steht Anfang der 20er-Jahre in Koblenz hoch im Kurs. So trat im Herbst 1920 der „Gedankenleser Rena“ im evangelischen Gemeindesaal auf, einige Monate später kam der Telepath Zerwas ins Görreshaus. Im April nun gibt der Magier „Bellachini junior“ im großen Saal des Görreshauses drei Abende. Die Eintrittspreise liegen zwischen 5 und 13 Mark. „Was Bellachini zeigte, war etwas Höheres als die alltäglich wiederkehrende, dilettantenhafte Taschenspielerkunst. Die Vorstellung überraschte, ein Erstaunen jagte das andere, Bellachini zeigte mit geradezu raffinierter Fingerfertigkeit Geheimnisvolles, das selbst dem kritischstem Auge unfassbar schien. Aus Papierschnitzeln braut er einen mundgerechten Bohnenkaffee, oder er goss Wasser ins Glas und dieses Wasser wurde, ganz nach Wunsch, zu Cognac, Rotwein, Kirschwasser oder anderen alkoholischen Getränken“, schreibt die Coblenzer Zeitung. Zudem verschwinden Dinge und tauchen urplötzlich wieder auf. „Aus den Rocktaschen und von überall her greift Bellachini blitzblanke Silbertaler, Uhren und Ringe. Er lässt sie verschwinden und mit Hilfe des nie versagenden Zauberstabes werden sie wieder von lebenden Tauben zurückgebracht. Zudem entstehen Enten aus dem Nichts und laufen schnatternd im Saale umher. Dies alles und vieles andere amüsierte das erschienene Publikum vortrefflich“, so die Coblenzer Zeitung.
Auswanderung: Die wirtschaftliche Lage ist nach dem verlorenen Weltkrieg in Deutschland nicht rosig, und so verwundert es nicht, dass manch einer den Gedanken fasst, sein Glück im Ausland zu suchen. Im evangelischen Gemeindesaal spricht ein Forschungsreisender, der zehn Jahre in Lateinamerika gelebt hat, über die Situation für Auswanderer in Südamerika. Gesucht werden vor allem Handwerker, „besonders Mechaniker, Klempner und Buchdrucker haben gute Chancen, wenn sie über Sprachkenntnisse verfügen“, schreibt die Coblenzer Zeitung. Gesucht würden darüber hinaus weibliche Angestellte und Dienstboten. Wenig Aussichten haben hingegen kaufmännische Angestellte und Akademiker, ausgenommen Ärzte und Techniker. Wer als Arbeiter auswandere, müsse sich zudem bewusst sein, dass es in Lateinamerika keinen 8-Stunden-Tag, sondern einen 10-, 12- oder sogar 14-Stunden-Tag gebe. Als besonders deutschfreundlich werden Chile und Paraguay eingestuft. „Und Argentinien steht einer Einwanderung günstig gegenüber und vertritt den Standpunkt, dass der Einwanderer seiner Heimat, Kultur und Muttersprache nicht entfremdet werden darf“, so die Coblenzer Zeitung. Die meisten Auswanderer dürfte es Anfang der 20er-Jahre aus Koblenz und dem Rheinland allerdings nicht nach Süd-, sondern nach Nordamerika verschlagen haben. 1920 ist laut der Coblenzer Zeitungsei bei rund einem Drittel aller Eheschließungen in Koblenz 1920 ein amerikanischen Soldat der Bräutigam gewesen. Ein Sprössling aus solch einer Liaison sollte später übrigens literarischen Ruhm ernten, der 1920 in Andernach geborene Charles Bukowski. Seine Mutter, Katharina Fett, war eine gebürtige Andernacherin, sein Vater, Henry Bukowski, Soldat der US-Armee.
Film: Der Film gewinnt zu Beginn der 20er-Jahre immer mehr an Bedeutung. Die großen Filmpaläste in Koblenz sind das „Apollo-Theater“ und der „Coblenzer Hof“. Aber auch in den Vororten erfreuen sich die laufenden, aber weiterhin stummen Bilder großer Beliebtheit. Im Neuendorfer Gasthof „Zum Vater Rhein“ eröffnet im April 1921 ein Kino. „Geplant sind zurzeit drei Vorführungen pro Woche. An besonderen Tagen werden zudem belehrende Filme für Erwachsene über Krankheitserscheinungen aller Art und deren Verhütungen zur Vorführung gelangen“, so die Coblenzer Zeitung.
Kaiserin Auguste Viktoria: Am 11. April stirbt die ehemalige deutsche Kaiserin Auguste Viktoria in ihrem Exil in den Niederlanden in Doorn. Welch tiefe Wurzeln die im November 1918 abgedankte Monarchie in Koblenz noch besitzt, zeigen dabei die Trauerfeierlichkeiten anlässlich ihres Todes. So beginnt die Stadtverordnetensitzung drei Tage später erst einmal mit einer Gedenkrede des Oberbürgermeisters Dr. Karl Russell auf die verstorbene Kaiserin, zu deren Ehren sich alle Mitglieder des Koblenzer Stadtparlaments erheben. In der Christuskirche findet zudem ein Trauergottesdienst für die „verewigte“ Kaiserin Auguste Viktoria statt. „Das Gotteshaus füllte sich derartig, das Hunderte nicht einmal einen Stehplatz fanden und umkehren mussten“, schreibt die Coblenzer Zeitung. Die Gedenkrede hält Generalsuperintendent Karl Viktor Klingemann. „Eine echte deutsche, christliche Gattin, Hausfrau und Mutter, eine rechte Landesmutter und Christin auf dem Thron, die sich von der Politik gänzlich ferngehalten habe, sei durch den unerbittlichen Tod dahingerafft worden“, zitiert die Coblenzer Zeitung den Generalsuperintendenten der Rheinprovinz. Kaiserin Auguste Viktoria hatte der evangelischen Gemeinde in Koblenz anlässlich der Einweihung der Christuskirche 1904 eine große Kirchenbibel mit eigenhändiger Widmung übersandt.
Wetter: Bekanntlich macht der April, was er will. Und 1921 traf diese Floskel auch zu. So wurden am 11. April bereits 21 Grad gemessen, und „die Badezeit hat sowohl im Rhein als auch in der Mosel bereits begonnen“, schreibt die Coblenzer Zeitung. Neun Tage später kommt der Winter allerdings zurück, die Temperatur sinkt selbst in Koblenz auf 1 Grad, „und auf den Höhen friert es und im hohen Westerwald liegt noch ziemlich viel Schnee.“ Zum Monatsende kommt der Frühling allerdings zurück, und am 28. April sind es wieder 21 Grad.