Speeddating in der Seilbahn: Die RZ bittet Stadtratskandidaten zum Gespräch - Heute: Wohnraum und Handel
Von Leerständen und Chancen für Koblenz: RZ-Speeddating zum Thema Wohnraum und Handel
Die Koblenzer Löhrstraße.
Rico Rossival

Koblenz. Wie vielfältig das sein kann, was sich hinter dem kleinen Wort „Leerstand“ verbirgt, haben in Koblenz die vergangenen Monate deutlich gezeigt. Den Begriff der Leerstände nutzen die Menschen im öffentlichen Diskurs regelmäßig, wenn es um leer stehende Geschäfte in Innenstädten geht. Hiervon gibt es auch in Koblenz so einige.

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Mancher Ladenbesitzer gab still und leise auf, regelmäßig gibt es aber auch ein großes mediales und öffentliches Echo, wenn ein Traditionsgeschäft zumacht oder die Dependance einer bekannten Ladenkette in Gefahr gerät – derzeit gern flankiert von Insolvenzen oder Umstrukturierungen im Mutterkonzern. Aufsehenerregende Beispiele in Koblenz für solche Ereignisse und Debatten waren in den vergangenen Monaten beispielsweise die Schließung des Salamander-Schuhhauses in der Löhrstraße oder die Frage nach der Zukunft des Modehauses Aachener.

Mehr als 300 Wohnungen leer

Im Rhein-Mosel-Städtchen hat das Wort „Leerstand“ zuletzt noch an anderer Stelle Karriere gemacht. Im März wurde einer breiten Öffentlichkeit durch Berichte in der RZ bekannt, dass mehr als 300 Wohnungen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) in der Stadt leerstehen, und das teils seit Jahren. Der Aufschrei war entsprechend groß: Wie kann es sein, dass wir einerseits über zu hohe Mieten und zu wenig bezahlbaren Wohnraum klagen und andererseits eine Anstalt öffentlichen Rechts, angedockt an das Bundesfinanzministerium, so lässig mit Möglichkeiten umgeht, das Problem zumindest abzumildern?

Die Bima vermietet zumeist an Beamte, an Soldaten und Co. – was auch der Grund dafür ist, dass es in der Beamten- und Soldatenstadt Koblenz viele Bima-Wohnungen gibt. Aber hier sei der Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Stephan Wefelscheid, zitiert: Er spricht in Zusammenhang mit dem Gebiet zwischen Ikea und Krematorium in Metternich – sollten dort jemals irgendwann Wohnhäuser hinkommen – von einer möglichen Kettenreaktion. Das lässt sich auch auf die Bima übertragen: Wenn ein Beamter in eine Bima-Wohnung einzieht, wird an anderer Stelle vielleicht eine Wohnung für eine Verkäuferin, einen Pfleger, einen Handwerker frei.

Die ehemalige Salamander-Filiale in der Löhrstraße steht seit einigen Monaten leer.
Rico Rossival

Über die Wohnraumproblematik in Koblenz, den Handel und damit auch die vielseitigen Betrachtungen der Leerstände bei Wohnungen und in Geschäften hat unsere Zeitung mit Koblenzer Stadtratskandidaten und -kandidatinnen aus acht verschiedenen Parteien und Gruppierungen gesprochen, die am 9. Juni für den Stadtrat in Koblenz kandidieren werden. Zum politischen Speeddating zwischen RZ-Redakteuren und Kommunalpolitikern ging es in die Seilbahn, hoch zur Ehrenbreitstein und wieder zurück zur Talstation. Das Ambiente passte thematisch gut: Die Übersicht über die Vielfalt an Wohngebäuden und der Blick auf Innenstadt und Gewerbegebiete waren gegeben.

Neu- und Wiederansiedlungen können gelingen

Dass es Probleme, aber eben auch Gestaltungsmöglichkeiten in Koblenz gibt, darüber herrscht weitgehend Konsens. Bima-Leerstände können gefüllt, die städtische Wohnraumgesellschaft gestärkt werden, wie man es beispielsweise von Sozialdemokratin Marion Lipinski-Naumann und Kim Theisen (Grüne) hört. Oder muss man sich beim Wohnbau doch mehr auf private Investoren einlassen, wie es etwa der liberale Fraktionschef Christoph Schöll anregt? Dass Koblenz attraktiv ist und seine Stärke bei Handel und Gewerbe ausspielen kann und muss, davon zeigt sich der Christdemokrat Stephan Otto überzeugt. „Wir lassen Chancen liegen“ – hier sind sich viele Stadträte mit Blick auf Wohnraum, aber auch Handel, einig. Torsten Schupp (Wählergruppe Schängel) betont das ebenso wie Oliver Antpöhler-Zwiernik von der Linkspartei.

Und es stimmt ja: Wo Schatten ist, ist auch Licht, zumindest in Koblenz. Es gelingen an anderer Stelle auch immer wieder spannende Neu- und sogar Wiederansiedlungen. Im Januar etwa wurde bekannt, dass das Modehaus Sinn in die Koblenzer Innenstadt zurückkehrt. Es braucht einen Stadtrat als Gremium, das Rahmenbedingungen schafft, das im Zusammenspiel mit der Verwaltung kreative Ideen entwickelt. Und das manchmal auch Druck aufbaut und öffentlich die Trommel rührt.

So geschehen bei der Bima: Dort wurde das Problem wohl mittlerweile erkannt und soll angegangen werden, was zunächst einmal bedeutet, großflächig zu sanieren. Viele Koblenzer Stadträte und Stadtratskandidaten fordern, die Bima weiterhin in die Pflicht zu nehmen. Um es mit den Worten von Florian Niedt (Die Partei) zu sagen: „Wir müssen Bedenken ernst nehmen.“ Das ist im Die-Partei-Kontext satirisch ausgedrückt und angewandt – und dennoch immer ein guter Vorschlag für Kommunalpolitiker.

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