Vom 1. Juli an gelten neue Regelungen - Vor- und Nachteile für die Familien auf einen Blick
Vom 1. Juli an gilt das neue Kita-Gesetz: Was ändert sich? Vor- und Nachteile für die Familien auf einen Blick
Wer schon mal mit mehreren Kindern zusammen gegessen hat weiß, dass es ziemlich laut werden kann. Da leidet auch die Pädagogik. Daher soll beim gesetzlich festgelegten Mittagessen in der Kita darauf geachtet werden, dass keine großen Gruppen gemeinsam essen.
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„Das neue Kita-Gesetz ist besser für alle“, so fasst Bildungsministerin Stefanie Hubig auf der Homepage der Landesregierung die Situation zusammen. Was genau sich durch das rheinland-pfälzische Kita-Zukunftsgesetz ändert, welche Auswirkungen es für die Familien und welche Herausforderungen es für das Koblenzer Jugendamt und die Kita-Träger mit sich bringt, fasst die RZ zusammen.

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Wer schon mal mit mehreren Kindern zusammen gegessen hat weiß, dass es ziemlich laut werden kann. Da leidet auch die Pädagogik. Daher soll beim gesetzlich festgelegten Mittagessen in der Kita darauf geachtet werden, dass keine großen Gruppen gemeinsam essen.
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1Was sind die wesentlichen Änderungen im Gesetz? Der Hauptknackpunkt für Familien ist sicher der Rechtsanspruch auf eine durchgehende mindestens siebenstündige Betreuung mit einer – wenn die Betreuung über Mittag geht, was sie ja bei sieben Stunden fast immer tut – Mittagsverpflegung. Das wird für viele Familien eine große Erleichterung bringen, denn die bisher zum Teil noch immer angebotenen Plätze bis 12 oder 12.30 Uhr lassen sich mit einer Berufstätigkeit ja nahezu unmöglich vereinbaren. Der Rechtsanspruch gilt zudem ab dem ersten Geburtstag des Kindes bis zum Schuleintritt, und der Kita-Besuch ist dann für diese Kinder beitragsfrei. Für sogenannte Krippenplätze für unter Zweijährige und für Hortplätze für die Schulkinder fallen weiterhin Beiträge an, sagt Jugendamtsleiter Peer Pabst.

2Was bedeutet das organisatorisch in den Kitas? Mit allen Trägern ist gesprochen worden, zum Teil mehrfach, um die Umsetzung vorzubereiten, so der Jugendhilfeplaner Lothar Mohr. Viele haben im Moment ja andere Öffnungszeiten, an denen auch der Personaleinsatz angepasst ist, das muss geändert werden. Bisher wird zudem – wichtig für Gruppengröße und Personalschlüssel – zwischen Plätzen für Kinder unter 3 und über 3 unterschieden. Das ändert sich: Relevant wird nun der zweite Geburtstag, es gibt also Planungen für Kinder unter 2 und über 2.

3Wieso ist das wichtig? Das ist deshalb von großer Tragweite, weil die Plätze nicht einfach so austauschbar sind. Der Betreuungsschlüssel für jüngere Kinder ist ein gänzlich anderer, erklären Jugendamtsleiter Peer Pabst und Jugendhilfeplaner Lothar Mohr im Gespräch mit der RZ. Liegt der Schlüssel bei den unter Zweijährigen bei 0,263 Fachkraft pro Kind (eine Erzieherin, ein Erzieher darf also nicht ganz vier Kinder betreuen), so ist der Schlüssel bei den über Zweijährigen 0,1: Eine Fachkraft kann also bis zu zehn Kinder betreuen. Eine Einrichtung kann aber jetzt nicht einfach mehr Gruppen für über Zweijährige schaffen, bei denen man mit weniger Erziehern ja mehr Kinderbetreuung anbieten könnte, denn der Rechtsanspruch auf einen Platz gilt nun mal ab dem ersten Geburtstag. So muss genau geschaut werden, wie viele Plätze man für jüngere und wie viele man für ältere Kinder anbieten kann. Dabei müssen die Jugendämter auch darauf achten, dass die Mindestzahl von Kindern der einzelnen Altersgruppen in den Kitas bei jeweils gleicher Betreuungszeit eingehalten wird. So hat das Land es in einem Rundschreiben noch einmal bestimmt.

4Werden für die Umsetzung des neuen Gesetzes mehr Erzieher gebraucht? Ja, vor allem deswegen, weil auch für die Zeit des Mittagessens eine stärkere Betreuung nötig ist, wie man sich vor allem bei den kleineren Kindern vorstellen kann. Das ist vor dem ohnehin prägenden Hintergrund des Fachkräftemangels alles andere als einfach. Der Jugendamtsleiter rechnet, dass etwa 40 Personalstellen zusätzlich besetzt werden müssten, verteilt auf alle 64 Kitas in der Stadt. Gut 610 Stellen gibt es derzeit, verteilt auf erheblich mehr Köpfe, weil viele in Teilzeit arbeiten. „Der Fachkräftemangel wird möglicherweise dazu führen, dass zum 1. Juli nicht alle Stellen besetzt werden können“, sagt Peer Pabst. Das Landesjugendamt, das die Betriebserlaubnis für alle Kitas erteilt, wird dann auch nur die Erlaubnis für so viele Plätze erteilen, wie durch das vorhandene Personal abgedeckt sind. Es kann also sein, dass erst einmal Kita-Plätze verloren gehen. 4734 Plätze sind es im Moment in ganz Koblenz. Für die Stadt insgesamt sei eine Reduzierung unter dem Strich kaum zu befürchten, in Einzelfällen könne es aber sein, sagt Peer Pabst. Sobald vakante Stellen in einer Kita dann besetzt werden könnten, würde die Betriebserlaubnis wieder aktualisiert. Eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch noch das sogenannte Sozialraumbudget des Landes, das die Kommunen verwenden können, um beispielsweise mehr Personal um beispielsweise mehr Personal in Kitas in sogenannten sozial prekären Sozialräumen zu finanzieren.

5Wie können Kitas für alle Kinder Mittagessen anbieten? Das ist im Moment in vielen Kitas nicht ad hoc möglich, bestätigen Peer Pabst und Lothar Mohr. Denn viele Küchen sind zu klein, um für alle Kinder in der Einrichtung Essen zu kochen oder geliefertes Essen zu verteilen, auch hier fehlt das Personal. Und auch der Platz zum Essen ist in vielen der insgesamt 64 Kitas in Koblenz nicht für viel mehr Kinder ausreichend gegeben. Aber es werden ja vermutlich viel mehr in Anspruch nehmen als jetzt. „Zum Glück hat der Gesetzgeber hier Augenmaß bewiesen und ermöglicht eine Übergangsfrist bis 2028, bis alles umgesetzt werden muss“, sagt der Jugendamtsleiter. Bis dahin muss die Stadt an vielen Kitas anbauen oder umstrukturieren, damit ein warmes Essen angeboten werden kann. Als Übergang wird es häufig ein Lunchpaket tun müssen, denn essen müssen die Kinder natürlich, wenn sie mehr als sieben Stunden in der Kita sind. „Die Alternative wäre gewesen, dass wir viele Plätze nicht anbieten können“, sagt Lothar Mohr. Das wäre sicher die schlechtere Lösung als ein Provisorium zum Übergang. Im Übrigen wird das Mittagessen immer nur ein Angebot der Kita sein, Familien, die dies aus den verschiedensten Gründen nicht in Anspruch nehmen wollen, müssen dies natürlich nicht.

6Rechnet das Jugendamt denn nun damit, dass alle Kinder ab einem Jahr eine Kita besuchen? Nein, das wird vermutlich nie der Fall sein, denn es gibt ja einen Anspruch, aber keine Verpflichtung. Abzuschätzen, wie viele Kinder wirklich einen Kitaplatz beanspruchen möchten, ist ohnehin eins der Hauptprobleme in der Bedarfsplanung, sagt Lothar Mohr. Und nun kommt noch erschwerend hinzu: Das Landesjugendamt wird künftig am 31. Mai eines jeden Jahres die Daten erheben, wie viele Plätze tatsächlich in einer Kita besetzt sind. Und wenn diese Quote unter 80 Prozent liegt, dann bekommt die Stadt Abzüge bei der Erstattung der Personalkosten. Noch stärker als vorher müssen die Jugendämter also schauen, dass das Angebot der Plätze, sowohl für unter Zweijährige als auch für über Zweijährige, in jeder Kita genau dem Bedarf entspricht – der ja auch durch die demografische Entwicklung ständig wechselt.

Von unserer Redakteurin Doris Schneider

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