Für die Kammer um den Vorsitzenden Richter Martin Schlepphorst hat die Beweisaufnahme klar ergeben, dass der Angeklagte im April 2020 eine 22-jährige Studentin gegen ihren Willen zu ungeschütztem Geschlechtsverkehr zwang. Die junge Frau hatte er einige Zeit vorher über eine Dating-Plattform im Internet kennengelernt (die RZ berichtete). Die Versuche des 29-Jährigen, aber auch seines Verteidigers, die Glaubwürdigkeit des Opfers wegen ihres Lebenswandels in Zweifel zu ziehen, scheiterten komplett. Auch daran, dass der Mann direkt nach der Tat das Geschehen in einer Voicemail an einen Bekannten detailliert geschildert – eher noch damit geprahlt – hatte. Vor Gericht hatte er das als „Zufall“ bezeichnet.
Überhaupt hatte er im Vorfeld mehrfach faustdicke Lügen präsentiert. So hatte er dem forensisch-psychiatrischen Sachverständigen gegenüber behauptet, heroinabhängig zu sein. So auch in der Untersuchungshaft, wo er sich so eine Ersatzmedikation erschlich, für weitere Medikamente behauptete er fälschlicherweise, seine Mutter sei gerade gestorben. Aber auch seine sonstigen Angaben waren weit von zu erwartender Reue entfernt. Er gab an, in den vergangenen zwei Jahren mit zwischen 100 und 200 Frauen geschlafen zu haben, davon seien etwa 30 Prozent Prostituierte gewesen, die anderen habe er über das Internet gefunden. Weil er Bodybuilding betreibe, habe er sich unter anderem Testosteron gespritzt. „Das steigert halt die Libido“, erklärte er.
Sein Opfer habe er aber gar nicht attraktiv gefunden, deshalb auf dem Weg zu ihr sogar Viagra genommen. „Ich wollte ihr nur bei Orgasmusschwierigkeiten helfen“, gab er zu Protokoll. Und auch sie hat er belogen, sich als Student ausgegeben. „Sie haben gar nichts, keine Ausbildung, keine Beziehung, keine Arbeit, kein eigenes Einkommen“, hielt Richter Schlepphorst dagegen. Dafür hat er Vorstrafen, auch wegen Sexualdelikten, und er stand zum Tatzeitpunkt unter einer laufenden Bewährung. Der Vorsitzende brachte es auf den Punkt: „Außer Ihnen hat jeder Anwesende in diesem Saal verstanden, dass Ihre Einlassungen nicht plausibel sind.“
Für den Sachverständigen Dr. Thomas Meyer fügten sich seine Erfahrungen aus den vorherigen Gesprächen und den Verhandlungstagen aber zu einem schlüssigen Gesamtbild zusammen. Er diagnostizierte bei dem 29-Jährigen ADHS im Erwachsenenalter sowie eine tief greifende Persönlichkeitsstörung mit dissozialen und narzisstischen Zügen. Heißt, der Mann hat starke Probleme bei der Impulskontrolle, kein Mitgefühl für andere, und das Befolgen sozialer Regeln hat für ihn keine Relevanz. Wenn er handelt, geht es ihm um die Befriedigung seiner Bedürfnisse, eventuelle Folgen hat er nicht im Blick. Daher sah der Facharzt die Unterbringung des Angeklagten in der Psychiatrie als notwendig an, da sonst die Gefahr weiterer Straftaten gegeben sei.
Der Angeklagte protestierte, bezeichnete die Verhandlung als lächerlich und „Laientheater“. Auch nach dem Urteil hatte er die Konsequenzen offenbar noch nicht verstanden. „Ich muss jetzt für dreieinhalb Jahre in die Psychiatrie?“, fragte er nach. „Nein, Sie bleiben dort, bis Sie nicht mehr gefährlich sind“, antwortete Richter Schlepphorst. Und das kann dauern.
„Können Sie mich wenigstens in eine Einrichtung schicken, wo es einen Trainingsraum gibt?“ Auch das konnte der Vorsitzende ihm nicht versprechen. Mit seinen letzten Worten blieb sich der 29-Jährige treu: „Mann, das war ein teurer F…“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.