In Situationen wie diesen brauchen Familien oft Unterstützung von außen. In Koblenz finden sie diese Hilfe unter anderem beim Verein für systemische Familienhilfe. Seit 25 Jahren gibt es ihn. Im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt Geschäftsführerin und Mitgründerin Ingeborg Müller-Fetik, wie sie und ihr Team Familien in Not helfen wollen – und worunter Familien heutzutage besonders oft leiden.
1999 hat Müller-Fetik gemeinsam mit zwei Kolleginnen die systemische Familienhilfe gegründet, damals noch in Diez im Rhein-Lahn-Kreis. „Meine Mission ist es, den Familien eine bessere und lebenswertere Zukunft zu geben. Menschen zu helfen, das treibt mich an – früher wie heute“, sagt die Geschäftsführerin. 2010 zog der Verein nach Koblenz, wo sich noch heute der Hauptsitz befindet.
Mit Jugendämtern arbeiten
Müller-Fetik erklärt, dass die systemische Familienhilfe in Kooperation mit den Jugendämtern im nördlichen Rheinland-Pfalz sowie in angrenzenden hessischen Gebieten arbeitet. Die Jugendämter wenden sich an den Verein, wenn in Familien die Unterstützung von ausgebildeten Sozialpädagogen gebraucht wird. „Wenn wir den Fall übernehmen, arbeiten wir eng mit dem Jugendamt sowie mit Schulen, Kindergärten oder anderen Beratungsstellen zusammen. Auch das Jobcenter oder die Ausländerbehörde sind oft wichtige Anlaufstellen für uns“, führt Müller-Fetik aus.
Am häufigsten wird die Hilfe des Vereins laut der Gründerin bei Erziehungsschwierigkeiten in Anspruch genommen. „Meistens werden die Kinder im Kindergarten oder in der Schule auffällig und haben Schwierigkeiten, sich dort zurechtzufinden. Da wissen die Eltern oft nicht, wie sie sich verhalten sollen“, berichtet Müller-Fetik. Auch Themen wie Kindeswohlgefährdung, Suchterkrankungen der Eltern oder eine psychische oder finanzielle Belastung der Eltern seien Gründe, warum Familien die Beratung in Anspruch nehmen.
18 pädagogische Mitarbeiter kümmern sich um die Familien und stehen ihnen bei der Bewältigung von Schwierigkeiten zur Seite. Dabei grenzt sich der systemische Ansatz des Vereins deutlich von anderen Hilfsangeboten ab. „Bei uns haben fast alle Mitarbeitenden eine systemische Zusatzausbildung gemacht. Wir schauen, was die Familie kann, was sie schon geleistet hat und arbeiten dann mit diesem Werkzeugkasten an den Problemen. So kann man wirklich etwas bewegen“, erklärt Müller-Fetik. Bei anderen Unterstützungskonzepten sei es oft so, dass der Fokus hauptsächlich auf den Dingen liege, die schieflaufen.
Bei der systemischen Familienhilfe gehe es darum, den Familien zu zeigen, wie sie selbst handlungsfähig werden können. Da seien schon die kleinsten Schritte oder Veränderungen ausschlaggebend, ergänzt Sozialpädagogin Charlotta Kaufhold. Seit 2016 ist sie für die systemische Familienhilfe in Koblenz im Einsatz. Sie sagt: „Jeder Fall ist individuell. Wir sind da mit unserer Vorgehensweise nicht gebunden und passen uns immer an die Möglichkeiten und Gegebenheiten der jeweiligen Familie an.“
Netzwerkarbeit hat sich verbessert
„Der systemische Ansatz hat mich vor 25 Jahren sozusagen infiziert“, sagt Müller-Fetik über das Konzept. Etwa 1500 Familien habe ihr Verein in all den Jahren betreut. Dabei ging die Arbeit mit Menschen in emotionalen Krisen oder am finanziellen Existenzminimum nicht immer spurlos an ihr vorbei. „Besonders die Kinder gehen einem ans Herz“, sagt Müller-Fetik. Die Pädagogen lernen aber, unter anderem durch die systemische Zusatzausbildung, eine gewisse Distanz zu den Problemen der Betroffenen aufzubauen. Zusätzlich gebe es eine regelmäßige Supervision, in der die Mitarbeiter über komplizierte und belastende Fälle sprechen können, um besser damit umzugehen.
„Wir haben seltener mit besonders belastenden Fällen zu tun“, ergänzt Müller-Fetik. Mitunter auch aufgrund einer positiven Entwicklung, die sie seit der Gründung des Vereins beobachtet hat: „Bei Fällen von Kindeswohlgefährdung zeigt das Landes- und Bundeskinderschutzgesetz Wirkung. Die Netzwerkarbeit mit den frühen Hilfen und anderen Institutionen funktioniert viel besser.“ Die verschiedenen Hilfsorganisationen könnten nun effektiv „gemeinsamen Kinderschutz“ betreiben.
Mitarbeiter bilden sich kontinuierlich fort
Doch auch Entwicklungen in die andere Richtung sind Müller-Fetik aufgefallen. Die sozialen Medien und die Internetnutzung seien oft ein Problemfaktor in Familien. „Die Kinder sind den ganzen Tag am Handy oder der Spielkonsole, und die Eltern wissen nicht, wie sie das begrenzen sollen.“ Das Gleiche gelte auch für die übermäßige Mediennutzung seitens der Eltern.
„Unsere Mitarbeiter besuchen entsprechende Fortbildungen, um zu lernen, wie sie mit dieser neuen Entwicklung umgehen können. Diese Themen gehören heutzutage einfach dazu, und es geht nun darum, mit den Familien gemeinsam Regeln aufzustellen“, sagt Müller-Fetik. Diese Herausforderung wird sie und ihr Team sicherlich auch in Zukunft noch begleiten.