Zwischen Tradition und Moderne
Verändert Koblenzer Görres-Gymnasium sein Profil?
Das Görres-Gymnasum wurde 1582 als Jesuitenschule unter dem Namen Gymnasium Confluentinum gegründet und ist ein altsprachlich-humanistisches Gymnasium in Koblenz.
Doris Schneider

„Salve“ steht auf der Homepage des Koblenzer Görres-Gymnasiums, und das ist mehr als ein Wort: In dem einzigen altsprachlichen Gymnasium im nördlichen Rheinland-Pfalz wird Latein als erste Fremdsprache gelehrt, parallel zu Englisch. Wie lange noch?

Schon seit Längerem wird im Koblenzer Görres-Gymnasium darüber nachgedacht, die Schule neu auszurichten. Spruchreif ist es noch nicht, aber: Es könnte sein, dass das Gymnasium sein altsprachliches Format aufgibt oder zumindest nur noch in weniger Klassen fortführt. Dagegen formiert sich Widerstand. Die wichtigsten Infos.

1 Was bedeutet das altsprachliche Profil am Görres-Gymnasium? Im einzigen altsprachlichen Gymnasium im nördlichen Rheinland-Pfalz wird mit Latein in der fünften Klasse begonnen, parallel dazu läuft Englisch. Ab der achten Klasse bekommen die Schülerinnen und Schüler verpflichtend eine dritte Fremdsprache, sie können aktuell zwischen Französisch und Altgriechisch wählen. „Aufgrund der dritten Fremdsprache haben die Schülerinnen und Schüler mehr Fächerbelegungsmöglichkeiten in der Oberstufe“, erklärt Schulleiterin Ute Mittelberg auf Nachfrage unserer Redaktion.

Zudem gebe es eine Stärkung des altsprachlichen Profils durch ein großzügiges Exkursionsprogramm wie Studienfahrten zu bedeutenden antiken Stätten. Dazu nehmen Oberstufenkurse in Latein und Altgriechisch jährlich, oft sehr erfolgreich, an Altsprachenwettbewerben teil.

Die Schule hat auch einen mathematisch-naturwissenschaftlichen Schwerpunkt.
Doris Schneider

2 Weitere Schwerpunkte: Schon lange hat das Gymnasium in der Koblenzer Altstadt einen weiteren Schwerpunkt auf die sogenannten Mint-Fächer gelegt: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften. Und seit dem Schuljahr 2020/21 ist die Schule zudem das einzige Gymnasium mit Ganztagsangebot in Koblenz. Außerdem komplettieren musikalische Angebote und ein hoher Grad an Digitalisierung das Profil.

3 Wie stabil sind die Schülerzahlen? Das Görres-Gymnasium hatte vor etwa 15 Jahren bis zu 680 Schüler, danach ging es bis auf rund 530 zurück. Dass die Zahl nun wieder bei 560 liegt, könnte auch am Ganztagsangebot liegen.

4 Wieso denkt die Schule über eine Neuausrichtung nach? Seit einiger Zeit ist das Gymnasium in der Findungsphase, wie es weitergehen soll. „Die Gesamtkonferenz des Görres-Gymnasiums beschäftigt sich seit einem Jahr mit der Frage eines möglichen Profilwechsels“, berichtet Schulleiterin Ute Mittelberg. Dies habe mehrere Gründe: Vielfach äußerten Eltern die Sorge, dass drei Pflichtfremdsprachen in der Unter- und Mittelstufe für Schülerinnen und Schüler eine mögliche Überforderung darstellen könnten.

Dazu komme: Wegen der unterschiedlichen Sprachenfolge kann das Görres-Gymnasium neue Schülerinnen und Schüler (zum Beispiel durch Umzug) nur in Ausnahmefällen aufnehmen. Auch dadurch ist die Oberstufe klein, sodass es schwierig sei, „den Schülern ein vollumfängliches Fächerangebot an Leistungs- und Grundkursen zu gewährleisten“.

Und: „Bei stagnierenden oder zurückgehenden Schülerzahlen besteht darüber hinaus auch jährlich die Gefahr von Klassenzusammenlegungen in der Sekundarstufe I. Auch am Ende dieses Schuljahrs sind Zusammenlegungen unvermeidbar“, so Mittelberg.

Die Schule liegt mitten in der Altstadt.
Doris Schneider

5Wie sieht die Idee für ein neues Profil aus? Für ein altsprachliches Gymnasium gelten strenge Kriterien, die mit einer Neuausrichtung wenig kompatibel sind. Die Schulleitung sieht indes einen Kompromiss, den sie für tragfähig hält: einen „altsprachlichen Zug“. Dieses werde an mehreren Gymnasien in Rheinland-Pfalz praktiziert. Danach soll Latein weiterhin in einer oder zwei Klassen als erste Fremdsprache angeboten werden (Latein-1-Klassen), Englisch ist hier zweite Fremdsprache und beginnt ebenfalls in Klasse 5.

Daneben würde es eine oder zwei weitere Klassen geben, in denen alle Schülerinnen und Schüler mit Englisch als erster Fremdsprache beginnen; sie haben hier ab Klasse 6 die Wahl zwischen Latein und Französisch. Die dritte Fremdsprache wäre wie an anderen Gymnasien ab Klasse 9 freiwillig wählbar, Altgriechisch würde als dritte Fremdsprache weiterhin angeboten. Auch der Erwerb des Graecums wäre bei der Fortführung von Altgriechisch in der Oberstufe möglich.

Die Petition wurde bereits mehr als 1000-mal unterschrieben.
Doris Schneider

6Es gibt eine Petition für den unbedingten Erhalt des Profils: Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer und Freunde und Ehemalige des Görres-Gymnasiums in Koblenz haben eine Online-Petition gestartet, um Schulleitung und Stadt Koblenz als Schulträger aufzufordern, die Altsprachlichkeit am Görres-Gymnasium beizubehalten. Unterschrieben haben bis Donnerstag, 24. April, um 11 Uhr 1012 Personen.

7 Was führen die Befürworter als Argumente für die altsprachliche Ausrichtung an? In der Petition werden verschiedene Aspekte aufgegriffen. Unter anderem wird betont, dass die „Auseinandersetzung mit Latein und Altgriechisch, die humanistische Bildung, die Kenntnis alter Sagen, der antiken Literatur, Geschichte und Philosophie uns ein gerade in heutiger Zeit wichtiges kulturelles Wissen über Europa und seine Ursprünge vermitteln und uns dadurch ermöglichen, uns in der Gegenwart mit ihren Herausforderungen besser zu orientieren und zurechtzufinden“.

Das humanistische Menschenbild, das „auf informierter Freiheit und Verantwortung jedes Einzelnen basiert“, schule besonders die Fähigkeit, die eigene Meinung zu reflektieren und in Diskussionen strukturiert und klar zu vertreten. Dazu komme, dass Latein der Schlüssel für viele europäische Fremdsprachen sei und „somit auch heute noch am Anfang des Fremdsprachenerwerbs stehen sollte“.

Die Diskussion auf der Plattform der Petition wird rege geführt: Viele berichten aus eigenem Erleben, wie sehr ihnen die altsprachliche Bildung genutzt hat – beruflich und persönlich.

Nicolas Hoffmann, ehemaliger Görresianer und stellvertretender Vorsitzender des Schulelternbeirats, ist überzeugt: Die humanistische Bildung am Görres-Gymnasium trage viel zur Demokratiebildung und Bildungsdiversität in Koblenz bei. „Berufsbildende Schulen haben ebenso ihre Berechtigung. Wir glauben daran, dass die klassische Bildung für einen Teil der Menschen der richtige Weg ist.“

Das Schulgelände ist groß.
Doris Schneider

8Wie geht es nun weiter? Eine Arbeitsgruppe – bestehend aus Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen und Schülern – „arbeitet seit mehreren Monaten intensiv an einer Konzeption für einen Wechsel zum nicht-altsprachlichen Gymnasium mit der Option, Latein in einer oder zwei Klassen als erste Fremdsprache anzubieten (Latein-1-Klassen)“, sagt Schulleiterin Mittelberg. Dabei spielten auch die Gestaltung des Ganztagsangebots und soziales Lernen eine zentrale Rolle: „Diese Arbeitsgruppe wird ihre Ergebnisse Ende Mai in einer Gesamtkonferenz präsentieren. Eine Abstimmung über einen möglichen Profilwechsel soll noch in diesem Schuljahr erfolgen.“

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