Polizei und Stadt greifen zu härteren Mitteln, um Stadtteil zu befrieden - Jugendliche im Fokus
Vandalismus in Rübenach: Für Stadt und Polizei ist Grenze erreicht
Vandalismus: Mutwillig abmontierte Zaunelemente in Rübenach
Ein demontierter Sicherheitszaun an der Cage-Soccer-Anlage: PI-Leiter Thomas Klotz sagt, dass sich die erneute Eskalation negativ auf das Sicherheitsgefühl der Bürger auswirkt. Polizei und Stadt wollen vermeiden, „dass der normale Bürger sagt: In Rübenach ist es gefährlich, ich habe Angst, da abends unterwegs zu sein“. Immer wieder kommt es in dem Stadtteil zu Vandalismus und brennenden Papiercontainern. Foto: Katrin Steinert
Steinert Katrin. Katrin Steinert

Der schwere Vandalismus vom vorvergangenen Wochenende in Rübenach hat Folgen – zum einen für die jungen mutmaßlichen Täter, die am Cage-Soccer-Feld randaliert haben, zum anderen für alle, die gern den Schulhof nutzen und mit dem Vandalismus nichts zu tun haben.

Vandalismus: Mutwillig abmontierte Zaunelemente in Rübenach
Ein demontierter Sicherheitszaun an der Cage-Soccer-Anlage: PI-Leiter Thomas Klotz sagt, dass sich die erneute Eskalation negativ auf das Sicherheitsgefühl der Bürger auswirkt. Polizei und Stadt wollen vermeiden, „dass der normale Bürger sagt: In Rübenach ist es gefährlich, ich habe Angst, da abends unterwegs zu sein“. Immer wieder kommt es in dem Stadtteil zu Vandalismus und brennenden Papiercontainern. Foto: Katrin Steinert
Steinert Katrin. Katrin Steinert

Im Gespräch mit Bürgermeisterin Ulrike Mohrs und Vertretern der beteiligten Polizeistellen wird klar: Man will nicht weiter zusehen, wie die Situation rund um die Freizeitstätten im Zentrum des Stadtteils zunehmend eskaliert. Jetzt werden härtere Bandagen angezogen, um die meist jungen Menschen zur Vernunft zu bringen.

Einige stehen an der Schwelle zur Strafmündigkeit. Bürgermeisterin Mohrs sagt: „Strafeinträge machen sich nicht gut im Lebenslauf.“ Deshalb sollten sie die Kurve kriegen, bevor sie 14 Jahre alt werden. Und die Einwohner des ländlich geprägten, 5343 Leute starken Stadtteils (Stand: Ende 2022) sollen sich wieder sicher fühlen.

Kein seltenes Bild in Rübenach: Jugendliche stecken in der Halloweennacht 2022 den Papiercontainer neben dem Schulhof an.
Katrin Steinert (Archiv)

1 Die Gesamtsituation: In Rübenach kommt es in den vergangenen Jahren immer wieder zu Sachbeschädigungen rund um den zentralen Treffpunkt am Schulhof und Spielplatz. Schulwände werden besprüht, Fenster demoliert, Bänke, Altpapiercontainer und Gebüsche angezündet – auch am Fußballplatz. Sogar ein Roller ging am Halloweenabend 2022 in Flammen auf.

Hinzu kommt störender Unfug, wenn öffentliches Mobiliar losgeschraubt und an andere Stellen versetzt wird: etwa die bunten Spielplatzhäuser und Ruhebänke, die andere gern nutzen würden.

Es ist ein Punkt erreicht, an dem wir zusätzlich zur Prävention auch repressive Mittel einsetzen.

Andreas Perne, Erster Polizeihauptkommissar und Experte für Jugenddelikte

Und wenn Bobbycars oder Fahrräder an die meterhohen Fangzäune des Fußballfeldes oder aufs Dach des ebenso hohen Rutschturms gehievt werden, mag dies für einige witzig sein. Wenn die Fahrzeuge auf Menschen herunterfallen, kann das aber mitunter tödlich enden.

Höhepunkt war vor Kurzem die Nacht auf Samstag, 17. Juni. Die Aggressionen trafen den übermannhohen Zaun, der die beliebte Fußballkleinfeldanlage und den Kindergarten sichert. Einzelne Elemente wurden mithilfe von Werkzeug demontiert, unter anderem das schwere Metalltor.

Im Juli 2022 befindet sich auf dem Dach des hohen Kletter- und Rutschenturms ein Kinderfahrrad.
Katrin Steinert (Archiv)

2 Die Reaktionen: Der neuerliche Vorfall machte schnell im Ort die Runde. Viele Familien und Ältere fragen sich: Was passiert als nächstes? Thomas Klotz leitet die Polizeiinspektion II in Metternich. Sein Team ist nicht nur bei Alarmierung, sondern regelmäßig auf Kontrolltouren präventiv im Ort unterwegs. Er betont im Gespräch mit unserer Zeitung: „Das Ende der Fahnenstange ist jetzt erreicht.“

Neben ihm sitzt Bürgermeisterin Ulrike Mohrs, die selbst in Rübenach lebt. Sie erklärt: „Wir haben uns sehr viel präventiv eingebracht und sind uns jetzt klar darüber, dass das allein nicht mehr reicht.“ Andreas Perne, Polizeiexperte für Jugenddelikte, konkretisiert: „Es ist ein Punkt erreicht, an dem wir zusätzlich zur Prävention auch repressive Mittel einsetzen.“

Die Videotürme, hier der am seitlichen Eingang der Schule im Sommer 2022, tragen dazu bei, dass der Vandalismus rund um die Schule aufhört. Eine Kameraüberwachung soll auch jetzt wieder installiert werden.
Katrin Steinert (Archiv)

3 Die präventiven Mittel: Lange wurde gemeinsam versucht, Jugendliche abzuschrecken und damit von Sachbeschädigungen abzuhalten. Dabei arbeiten Polizei, Ordnungsamt und Jugendamt eng zusammen.

Einige Maßnahmen konnte jeder sehen: helle Scheinwerferanlagen rund um Schule, Schulhof und Spielplatz, zwei auffällige Videokameratürme auf dem Schulgelände, die im September 2022 wieder ab- und nach erneuten Bränden und Sachbeschädigungen im Januar 2023 wieder aufgebaut wurden, um wenige Monate später erneut abgebaut zu werden.

Auf Anfrage erklärte die Stadt damals: „Dies ist durch die datenschutzrechtliche Genehmigung so vorgegeben worden.“ Die Kameras wirken tatsächlich: Es wurden keine Vorfälle aufgezeichnet.

Immer wieder ist die Polizei am Schulgelände (hier im März 2021): sei es, weil sie alarmiert wurde, sei es, weil sie ihre präventiven Kontrollfahrten macht.
Katrin Steinert (Archiv)

Auch die regelmäßigen Fuß- und Autostreifen von Ordnungsamt, Polizei und Sicherheitsdienst rund ums Schul- und Freizeitareal gehören schon zum Ortsbild, ebenso wie die spätabendlichen und nächtlichen Streifen, die mit leistungsstarken Taschenlampen ums Schulgebäude gehen.

Parallel dazu gibt es mobile Jugendarbeit im Ort. Ein eigener Treff aber fehlt. Dieser war im evangelischen Gemeindehaus eingerichtet worden und musste der neu einquartierten Kita aus Bubenheim Anfang 2022 weichen, die Schimmel im Haus hatte (wir berichteten).

Aber es gibt eine Idee für einen neuen Treff. Bürgermeisterin Mohrs erklärt: „Das Atrium der Schule soll im nächsten Jahr als Jugendraum hergerichtet werden.“ Dort kann die mobile Jugendarbeit dann Angebote machen. Diese sei seit Frühjahr zweimal in der Woche rund um die Freizeitstätten unterwegs und soll bald an drei Tagen schrittweise weiter Kontakt zu den Jugendlichen aufbauen.

Thomas Klotz, Erster Polizeihauptkommissar
Thomas Klotz, Leiter der PI Koblenz 2
Steinert Katrin. Katrin Steinert

Unabhängig vom Ort bietet die Polizei in vielen weiterführenden Schulen ab Klasse 9 präventive Angebote wie Aggressions- oder Alkoholprävention an, sagt PI-Leiter Thomas Klotz.

4 Die Anzeigen: Seit Beginn dieses Jahres hat die Polizei 19 Strafanzeigen für den Stadtteil erfasst, ist auf Anfrage zu erfahren. Zehn davon haben mit der Schule, dem Cage und den Freizeitanlagen zu tun.

Darunter ist beispielsweise ein relativ typischer Vorfall vom 28. April: Der Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma schließt um 21 Uhr die Tore zum Schulgelände ab. Kurz danach klettern drei Jugendliche über das Eingangstor, einer von ihnen uriniert an die Turnhalle. Sie setzen sich rauchend auf eine Parkbank, und die Polizei trifft sie wenig später auf dem Gelände an. Einer hat Cannabis geraucht, Betäubungsmittel haben sie nicht dabei.

5 Die jüngste Entwicklung: Die Vorfälle nahmen seit Ende März und den Osterferien zu – insgesamt acht der zehn Strafanzeigen betreffend der Freizeitstätten stammen aus den zurückliegenden Wochen. Andreas Perne, Erster Polizeihauptkommissar, leitet das Gemeinsame Sachgebiet Jugend des Polizeipräsidiums im Haus des Jugendrechts und kennt sich mit jugendlichen Delikten aus.

Die Zahl der Fälle an sich sei nicht beunruhigend. Aber mit der Gewalt am Sicherheitszaun haben Häufung und Ausmaß einen vorläufigen Höhepunkt erreicht, sagt er.

6 Die Konsequenzen: PI-Leiter Thomas Klotz betont, dass mehrere Stellen auf die Entwicklung von jungen Menschen einwirken und ihnen verdeutlichen, wann eine Grenze erreicht ist. Wenn das nicht mehr fruchtet, kommt die Polizei erzieherisch ins Spiel. Andreas Perne sagt: „Wir haben konkrete Anhaltspunkte, dass wir die Beschuldigten zeitnah ermitteln können.“

Erster Polizeihauptkommissar Andreas Perne
Andreas Perne, Leiter Gemeinsames Sachgebiet Jugend des PP Koblenz
Steinert Katrin. Katrin Steinert

Nun wird der Druck auf die Jugendlichen, die im Visier der Polizei sind, erhöht. Perne erklärt: „Eines der schärfsten Schwerter ist die Gefährderansprache.“ Dabei wird ein Jugendlicher, der im Umfeld eines Delikts angetroffen wird, auf sein Fehlverhalten hingewiesen, und ihm werden Konsequenzen in Aussicht gestellt, sollte er erneut auffallen – auch wenn er nicht erwiesener Maßen der Täter sein muss. Die Ansprache wird modifiziert umgesetzt.

Perne erklärt: „Wir laden die Jugendlichen mit ihren Erziehungsberechtigten auf die Dienststelle ein.“ Das wirke. Dort wird den Geladenen klar gemacht: In ein paar Monaten, wenn der Jugendliche 14 und strafmündig ist, trifft man sich hier zu Aussagen wieder. Mohrs appelliert auch an die Eltern, dabei mitzuarbeiten. „Damit schützen Sie Ihre Kinder vor Straffälligkeit.“ Die mache sich in keinem Lebenslauf gut.

Ulrike Mohrs
Bürgermeisterin Ulrike Mohrs
Sascha Ditscher

Auch die Videoüberwachung außerhalb der Schulzeit wird wieder eingesetzt, sagt Mohrs. Zudem wird der Zutritt zum Schulhof abends ab einer bestimmten Uhrzeit verboten. Entsprechende Hinweise werden angebracht. Wer sie missachtet, begeht Landfriedensbruch – also keine Lappalie, sondern eine Straftat. Für Jugendliche kurz vor der Strafmündigkeit ist dies ein abschreckendes Mittel.

Polizist Perne erklärt das Dilemma solcher Mittel: „Die Freizeitstätten werden extra für Jugendliche geschaffen.“ Und nur, weil sich einige wenige nicht an Regeln und Grenzen halten, werden diese Orte für alle gesperrt. Solche Verbote werden deshalb nur ganz dosiert eingesetzt.

So entsteht in Gruppendynamik Vandalismus

Erster Polizeihauptkommissar Andreas Perne, Experte für Jugendkriminalität, erklärt, dass Taten des Vandalismus nicht geplant werden, sondern aus der Stimmung, dem Schutz der Anonymität in der Gruppe und einer Gruppendynamik entstehen.

In jeder Gruppe gibt es einen oder wenige Anführer, und je nachdem, wo und mit wem man sich grad aufhält, entsteht eine Dynamik, bei der etwas angestellt wird. Auch Gruppenzwang, „jetzt zündest du das mal an“, gibt es, um dazuzugehören.

Oder einzelne wollen sich vor anderen beweisen. Einige wollen sich in den Ideen übertreffen. Alterstypisch ist, dass Jugendliche die Konsequenzen ihres Handelns nicht abschätzen können, sagt Perne. kst

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