Koblenz
US-Touristin im Turmzimmer eines Generals erstochen: Auch 20 Jahre danach fehlt vom Täter jede Spur
Fahndungsplakat der Polizei
Polizei Koblenz

Koblenz. Die Festung Ehrenbreitstein steht für preußische Historie und herrliche Blicke ins Mittelrheintal. Für die Bundesgartenschau, für Freiluftkonzerte und Fußballpartys. Aber: Sie steht auch für ein furchtbares Verbrechen. Für einen Sexualmord am helllichten Tag.

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Im "Turm Aster" am Südhang der Festung Ehrenbreitstein wurde 1994 die US-Touristin Amy Lopez getötet. Der Täter wurde nie gefasst.

Sascha Ditscher

Bernd Kreuter, Chef der Koblenzer Mordkommission, geht davon aus, dass der Festungsmord noch aufgeklärt werden kann: „Es gibt noch immer eine reelle Chance, das Verbrechen aufzuklären.“

Hartmut Wagner

In diesem sogenannten Arbeitszimmer wurde Amy Lopez ermordet. Die Aufnahme ist 2014 entstanden.

RZ
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Von unserem Redakteur Hartmut Wagner

Den Tod einer jungen Frau, die zur falschen Zeit am falschen Ort war. Vor 20 Jahren starb die US-Touristin Amy Lopez (24). Der Festungsmord im Arbeitszimmer des Generals von Aster wurde nie aufgeklärt.

Bernd Kreuter sitzt im achten Stock des Koblenzer Polizeihochhauses, blättert durch einen alten Aktenordner und erklärt: „Es war eine Zufallstat.“ Amy Lopez sah ihren Mörder kurz vor der Tat zum ersten Mal, hatte keinerlei Beziehung zu ihm. das macht die Fahndung nach ihm so schwierig. Kreuter, ein drahtiger Mittvierziger, ist Chef der Koblenzer Mordkommission. Der Mord „zum Nachteil von Amy Lopez“, wie es im Polizeideutsch heißt, beschäftigt ihn seit 20 Jahren. Er und sein Team haben fast 300 Spuren und unzählige Unterspuren überprüft. Sie haben den Mörder nie gefunden, trotzdem sagt Kreuter: „Wir haben noch immer eine reelle Chance.“

Bernd Kreuter, Chef der Koblenzer Mordkommission, geht davon aus, dass der Festungsmord noch aufgeklärt werden kann: „Es gibt noch immer eine reelle Chance, das Verbrechen aufzuklären.“

Hartmut Wagner

Der Tatort, das Zimmer des Generals, liegt am Südhang der Festung. Einem Ort, wo man plötzlich ganz allein ist. Wo ein Pfad durchs Dickicht der Bäume führt, der Blick sich nach wenigen Metern verliert. Wo nichts zu hören ist, nur der Verkehr der B 42, nur der Wind, der durchs Unterholz fegt.

Amy Lopez stammte aus Houston/Texas. Sie wollte Ärztin werden, war sehr religiös und liebte Deutschland. sagt ihr Vater. Sie las viel über Koblenz, die Festung und das Zimmer des Generals.

1994 verlässt sie das College mit Auszeichnung, reist mit einer Gruppe durch Europa und kommt am 25. September nach Koblenz. Sie übernachtet in einem Hotel im Stadtteil Rauental, trennt sich am Morgen von ihrer Gruppe. und macht sich auf zur Festung.

Was dann geschieht, rekonstruierte die Polizei so: Um 8.04 Uhr steigt Amy Lopez am Hotel in den Bus, fährt zum Zentralplatz, dann nach Ehrenbreitstein. Beim Aussteigen wird sie von Zeugen gesehen: eine junge Frau, schulterlanges Haar, 1,67 groß, mit einem Rucksack, auf dem ein Norwegerpullover aufgeschnallt ist. Sie läuft die B 42 entlang in Richtung Vallendar. bis zum Felsenweg, der rauf zur Festung führt. Hier, an dieser Abzweigung, wird sie zuletzt lebend gesehen. Es ist 8.50 Uhr, eineinhalb Stunden später, um 10.15 Uhr, entdecken Kinder im Zimmer des Generals ihre Leiche.

20 Jahre später sitzt Helga Scholz (62) an der Fensterfront ihres Hotels und schimpft: „Irre! Einfach irre! So ein junges Mädchen!“ Amy Lopez verbrachte im Hotel Scholz ihre letzte Nacht. Die Hotelchefin erinnert sich noch, wie sie morgens aus dem Fenster sah und das Mädchen ohne ihre Gruppe wegging. Und wie nachmittags die Polizei anrief und Fragen stellte.

Wie Amy Lopez starb, das wollen Polizei und Staatsanwaltschaft nicht sagen. Sie wollen auch nicht bestätigen, dass es ein Sexualmord war. obwohl sie mit diesem Begriff einst ihr Fahndungsplakat überschrieben. Laut früheren Berichten unserer Zeitung wurde Amy Lopez erstochen, erwürgt und/oder erschlagen. Die Polizei suchte nicht nur die Tatwaffe, sondern auch Brille und Schuhe der Frau sowie Teile ihrer Unterwäsche. Ob sie die Gegenstände fand, sagt sie nicht.

Robert Rimbau (74), der Vater des Opfers, schenkte seiner Tochter die Europareise zum Collegeabschluss. Nach der Tat reiste er mehrfach nach Koblenz, übernachtete im selben Hotel wie sie, engagierte einen Detektiv, bat das FBI um Hilfe. Er hat die sinnlose Tat nie verwunden. „Amy ist in meinem Herzen“, schreibt er im E-Mail-Wechsel mit unserer Zeitung. „Ich denke oft an sie, vor allem an Feiertagen und Geburtstagen. Manchmal nenne ich meine Enkelin Gabby versehentlich Amy.“

Am Tatmorgen haben Zeugen am Felsenweg zur Festung einen blonden Mann beobachtet. Er hat Amy Lopez wohl als Letzter lebend gesehen – und wurde mit einem Phantombild gesucht. Ohne Erfolg.

In diesem sogenannten Arbeitszimmer wurde Amy Lopez ermordet. Die Aufnahme ist 2014 entstanden.

RZ

Die Polizei geht davon aus, dass der Täter aus der Region kommt. Weil er den Weg zum Zimmer des Generals kannte, den vor allem Einheimische kennen. Und weil er wohl mit einem Fahrrad unterwegs war. zumindest sahen Passanten zur Tatzeit auf dem Felsenweg ein Rad mit Einkaufskorb, das später verschwunden war.

Chefermittler Kreuter sieht drei Möglichkeiten, wie der Mörder noch gefasst werden kann. Erstens könnte er jemandem von seiner Tat erzählt haben, der erst jetzt zur Polizei geht. Zweitens könnte er eine ähnliche Tat verüben und ins Visier der Polizei kommen. Drittens könnte er eine andere Tat begehen, in die Gendatei der Polizei gelangen und so gefasst werden. Die Polizei gleicht die Spuren des Festungsmordes regelmäßig mit der Gendatei ab.

Der Leichnam von Amy Lopez wurde verbrannt, die Asche in Argentinien im Fluss Paraná verteilt. Ihr Vater, ein gebürtiger Argentinier, sagt: „Ich glaube an Gott und daran, dass es einmal Gerechtigkeit geben wird.“ Hartmut Wagner

Die Staatsanwaltschaft zahlt für Hinweise, die zum Ergreifen des Mörders führen, noch immer gut 2500 Euro. Der Vater des Opfers zahlt weitere 5000 Euro.

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