Im Gänsemarsch geht es die Hauptstraße in Urmitz entlang in Richtung Rheinufer, zum Aalschokker. „Das ist ein guter Hintergrund fürs Foto“, sagt Corinne Molitor-Kleusch, die nicht zuletzt dafür verantwortlich ist, dass sich die kleine Kolonne am Montagnachmittag durch das beschauliche Rheindorf schlängelt und bei Passanten durchaus für Aufsehen sorgt. Denn hier ist gerade nicht irgendwer unterwegs: Die Närrinnen und Narren der Region – allen voran die Möhnen in Mülheim-Kärlich – haben hohen Besuch, aus den USA. Karnevalsprinz Timothy I. (Phillips) und seine Frau und Prinzessin Barbara I. (Ruckle) – die Tollitäten der German American Mardi Gras Association (GAMGA), dem Dachverband der amerikanischen Karnevalsgruppen – sind zu Gast und mischen nicht nur das beschauliche Urmitz mit ihren bunten Kostümen und dem stattlichen Federschmuck auf dem Kopf auf.

Aber zurück zum Anfang der Geschichte: Molitor-Kleusch hat lange Zeit in den Staaten gelebt und als Kunstmalerin gearbeitet – unter anderem auch in Las Vegas, Nevada. Auch in den Staaten wollte sie die deutsche Kultur und allen voran auch das deutsche Essen nicht missen und besuchte den German-American-Club, dessen damalige Besitzerin übrigens aus Ehrenbreitstein stammte. „Dort habe ich ein Stück Heimat gefunden“, so Molitor-Kleusch. Aber nicht nur das: Dieser Club ist auch die Heimat der Las Vegas Vagabonds – dem Karnevalsverein von Prinz Timothy und Prinzessin Barbara.
Von den Möhnen adoptiert
Dort lernte Molitor-Kleusch die beiden diesjährigen GAMGA-Tollitäten kennen, wurde Teil des hiesigen Karnevalsvereins. Als sie zurück nach Deutschland zog, blieb diese Freundschaft via Facebook bestehen. Als Timothy und Barbara zum zweiten Mal das Zepter – und das ist in diesem Fall wörtlich gemeint – der GAMGA übernahmen, entstand die Idee für einen Besuch zur Karnevalszeit im Rheinland. Schnell waren die Mülheimer Möhnen an Board. „Die beiden gehören jetzt mit dazu. Überall, wo das Möhnenpaar ist, sind sie mit dabei“, sagt Martina Niepagen, Präsidentin des Mülheimer Möhnenclubs. Das amerikanische Prinzenpaar sei nun quasi von den Möhnen adoptiert – und für die Zeit ihres Besuches in Urmitz untergebracht. Auch beim Schwerdonnerstagsumzug in Mülheim-Kärlich wird somit das amerikanische Prinzenpaar mit dabei sein.
„Schlafen können wir auf dem Rückweg, oder wenn wir wieder zu Hause sind.“
Prinzessin Barbara I. (Ruckle) der GAMGA
Und so machte sich das Prinzenpaar, samt Pagin Doreen Ruckle (Schwester der Prinzessin) auf den Weg ins Rheinland. Hier erlebten sie schon einiges: Vom Karnevalsladen Deiters erzählen mit großen Augen, die närrische Deko in den Schau- und Wohnungsfenstern quittieren sie freudestrahlend und die ersten Sitzungsabende haben sie am vorausgehenden Wochenende auch mit erlebt. „Wir waren auf drei Sitzungen an einem Abend“, sagt Doreen Ruckle begeistert. Wie sich das straffe Programm mit Jet-Lag durchhalten lässt? „Schlafen können wir auf dem Rückweg, oder wenn wir wieder zu Hause sind“, sagt Prinzessin Barbara und lacht – während sie eine kleine Flasche Cola in der Hand hält.

Wie der deutsche Karneval in die USA kam
Die Liebe zum deutschen Karneval entdeckten Barbara und Doreen Ruckle in ihrer Kindheit: Der Vater war Soldat und eine Zeit in Deutschland stationiert. Mit dem Karneval kamen sie aber erst später in Berührung. Ein Arbeitskollege ihres Vaters stellte die Verbindung her – seitdem gehört das närrische Treiben für die beiden Frauen fest dazu. „Als ich meine Frau kennenlernte, hatte ich vorher noch nie etwas vom Karneval gehört“, sagt Timothy. „Aber als ich dann das erste Mal auf einer Sitzung war, war ich sofort Feuer und Flamme.“
Dass der deutsche Karneval auch in den USA gefeiert wird, hängt mit deutschen Einwanderern zusammen, die diese Tradition mitgebracht und in ihren Gemeinschaften gepflegt haben. Daraus sind im Laufe der Zeit Vereine, wie die Las Vegas Vagabons und der Dachverein GAMGA entstanden. Aber nicht nur in den USA gibt es das: Prinz Timothy berichtet auch von Vereinen in Mexico und Kanada.
„Wir verstehen nicht immer alles im Detail, auch wenn ich ein paar Jahre Deutschunterricht hatte. Aber wir singen trotzdem so gerne mit.“
Prinzessin Barbara I.
Die Musik, die Farben, die gute Laune – davon schwärmen die drei Amerikaner beim Gespräch mit unserer Redaktion. Vor allem die Musik habe sie in den Bann gezogen, betont Prinzessin Barbara und stimmt „Komm hol das Lasso raus“ an, wohlgemerkt auf Deutsch. Denn ja: Auf amerikanischen Karnevalsveranstaltungen laufen klassische deutsche Karnevalslieder. „Wir verstehen nicht immer alles im Detail, auch wenn ich ein paar Jahre Deutschunterricht hatte. Aber wir singen trotzdem so gerne mit“, erklärt die Prinzessin. Und: Auch in Amerika ist der gängigste Narrenruf das im Rheinland weitverbreitete „Helau“ – „Alaaf“ ginge aber auch, sagt Prinz Timothy augenzwinkernd.

Das, was sie aber bisher im Rheinland erlebt hätten, sei auf einem „whole different level“ (zu deutsch: „ganz anderen Level“). Besonders beeindruckt sei Prinz Timothy vom närrischen Nachwuchs: „So viele Kinder sind so früh schon im Karneval involviert.“ Die Reise ins Rheinland zur Karnevalszeit beschreiben die drei als eine „once-in-a-lifetime opportunity“ (zu deutsch etwa: „eine einmalige Gelegenheit“), die sie nicht nur für sich selbst auskosten. Sie wollen die hiergelebten Traditionen aufsaugen, um die eigenen Karnevalstraditionen in Amerika weiter auszufüllen, aber auch um Kontakte zu den hiesigen Vereinen zu knüpfen – auch für das nächste Prinzenpaar der GAMGA. Die Möhnen aus Mülheim-Kärlich – ihr Gastgeberverein für diese Session – sind dafür ein Beispiel.
„Wir pflegen nun, durch Corinne Molitor-Kleusch, eine Freundschaft zum Prinzenpaar, aber auch zur GAMGA“, sagt die Präsidentin des Möhnenclubs. „Wir würden gerne unsere neuen Freunde während ihres Karnevals besuchen. Ob das schon im kommenden Jahr hinhaut, müssen wir sehen.“ Und wie geht es für das Prinzenpaar weiter? Neben den Terminen mit dem Mülheimer Möhnenpaar und dem Möhnenumzug steht auch noch der Rosenmontagsumzug in Köln auf ihrem Programm.