Blick hinter die Kulissen
Traumwelt mit vielen Facetten
Sylvia Rüger zwischen allerlei Kostümen
Verena Düren. Thomas Kölsch

Wir stellen in einer kleinen Serie das Buch „Hinter verschlossenen Türen in und rund um Koblenz“ von Verena Düren und Thomas Kölsch vor. Heute öffnen wir die Türen zur Schneiderei des Schlosstheaters Neuwied.

„Na, dann kommen Sie mal rein!“ Oben auf der Metalltreppe öffnet sich eine kleine Tür zu der Schneiderei des Schlosstheaters Neuwied. In selbiger steht Sylvia Rüger, Gewandmeisterin des Hauses. Der Gang hängt voller Kostüme, die gerade gebraucht oder auch genäht werden, und einmal um die Ecke rum gelangt man zur Fundgrube der Schneiderei. „Den Fundus gibt es vermutlich schon seit den 1970er-Jahren. Es wurde halt immer gesammelt“, erzählt Rüger. Sie ist seit mehr als 30 Jahren am Schlosstheater Neuwied tätig und sammelt seitdem stetig mit. In den vier Gängen mit jeweils Kleiderstangen oder Regalen zu beiden Seiten – und das über gleich mehreren Etagen – ist alles bestens sortiert.

Alles hat seinen Platz

„Hier hat jedes Ding seinen ganz eigenen Platz“, sagt Rüger lachend, als sie die selbst hergestellten Engelsflügel aus dem Regal zieht. Von schlicht zeitlosen Anzügen über Hemden und Blusen, bunten Morgenmänteln bis hin zum Königsmantel oder auch Brautkleidern in verschiedenen Stilen findet sich hier alles. Das Meiste davon ist von Hand gemacht: „Natürlich gibt es auch Sachen, die wir einkaufen. Wir nähen nicht unbedingt eine normale Jeans selbst, verändern sie aber vielleicht noch etwas.“

Sylvia Rüger ist Gewandmeisterin.
Verena Düren. Thomas Kölsch

Ein ganz besonderes Kostüm war auch für Rüger das von Heinrich VIII., für dessen Fertigung eine Schneiderin drei Wochen brauchte. Dieses war nach dem Gemälde von Hans Holbein entworfen und stellte auch durch die schweren Stoffe eine besondere Herausforderung beim Nähen dar. Alte Stücke mit historischen Kostümen sind besonders interessant, aber auch die Gewänder für Märchen sind Rüger eine Herzensangelegenheit: „Diese sind immer eine Herausforderung. Zum einen wegen der Tierkostüme, in denen immer ein Mensch steckt.“ Und auf der anderen Seite sollten die Kinder immer große Augen bekommen.

Strahlende Augen und ein Lied oder Satz im Kopf

„Sie müssen mit strahlenden Augen und einem Lied oder einem Satz im Kopf aus dem Theater gehen.“ In der Schneiderei arbeitet ein kleines Team aus vier Personen, die eigentlich alles machen, was mit der Kleidung auf der Bühne zu tun hat: Herren- und Damenbekleidung, aber auch Wäsche und Schuhe putzen sowie sich um den Fundus kümmern. Die Entstehung neuer Kostüme läuft in der Regel Hand in Hand mit dem jeweils zuständigen Kostümbildner. Und manchmal hat die Gewandmeisterin sogar ein Vetorecht: „Man muss natürlich auch immer im Blick haben, dass die Kleidung funktional sein muss, so dass die Schauspielerinnen und Schauspieler schnell die Kostüme wechseln können.“ Dieses Denken reicht sogar bis hin zur Berücksichtigung der Links- oder Rechtshändigkeit der Kostümhelfer.

Trotz des gut gefüllten Fundus‘ ist immer gut zu tun für die Schneiderinnen, denn es gibt viel, was neu gemacht werden muss. „Man muss ja nicht nur Moden und einen teils anderen Blick auf Historisches berücksichtigen, sondern auch die Trageeigenschaften, die sich ja auch geändert haben. Abgesehen davon haben wir viele Abonnenten im Theater, und die wollen mit Sicherheit nicht immer wieder dasselbe Kleid sehen“, sagt Rüger lachend. Nun geht es für beide Seiten wieder an die Arbeit: Die eine begibt sich wieder mit spitzer Nadel an die Kostüme der nächsten Produktion, die andere verlässt mit strahlenden Augen das Theater.

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