Jetzt teilt Staatsanwalt Thorsten Kahl auf Anfrage unserer Zeitung mit: Dem Beschuldigten kann „ein Betrugsvorsatz nicht mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden“. Diese Nachricht dürfte in der Nachbarschaft der Verstorbenen erneut für Gesprächsstoff sorgen.
Die Nachbarn hatten seit dem Sommer 2017 immer wieder beim Ordnungsamt und dem Bezirkspolizisten ihre Bedenken angemeldet, ob es der alten Frau gut ginge. 2017, als die Einsatzkräfte das erste Mal nach dem Rechten sahen, lebte die Frau noch. In vielen Gesprächen, die unsere Zeitung nach dem grauenhaften Fund vor einem Jahr mit Einheimischen führte, wurden Fassungslosigkeit und Ohnmacht deutlich. „Warum hat keiner gehandelt? Warum wurde die Frau nicht rausgeholt und in einer Betreuungseinrichtung untergebracht?“, machte eine Einheimische ihrem Ärger Luft. Es sei doch bekannt gewesen, dass in dem Haus Strom- und Gas abgestellt waren und die Müllabfuhr nicht mehr kam, weil die Gebühren nicht gezahlt wurden. „Da war nie Licht an, und im Winter keine Heizung“, sagte sie. So dürften alte Menschen doch nicht sich selbst überlassen werden.
Haustür wird aufgebrochen
Augenzeugen berichteten auch, dass die Haustür im August 2019 nur deshalb aufgebrochen worden war, weil Nachbarn vehement gefordert hatten, dort nach dem Rechten zu sehen. Sie hatten die alte Frau monatelang nicht zu Gesicht bekommen, und es stank wieder einmal übel aus dem zugemüllten Haus. Mitarbeiter des Ordnungsamtes drangen schließlich in das Haus ein und machten die schreckliche Entdeckung.
Der Sohn der Toten war schnell ins Visier der Ermittler geraten, weil er phasenweise mit seiner Mutter zusammengelebt und öfter bei ihr vorbeigeschaut hatte. Es bestand der Anfangsverdacht, dass er ihren Tod verheimlicht hatte, um weiter ihre (Witwen-)Rente und möglicherweise andere Versorgungsleistungen zu beziehen. Die Seniorin war Gattin eines Hals-Nasen-Ohren-Arztes, der in Wiesbaden praktiziert hatte, wo auch die Familie früher zusammen lebte. Später, in den 1990er-Jahren, zog die Familie ins Elternhaus der Seniorin nach Pfaffendorf, ein ansehnliches gutbürgerliches Mehrfamilienhaus, in dem einst gut situierte Koblenzer wohnten. Doch mit der zunehmenden Vermüllung zogen diese aus.
Frau machte keinen guten Eindruck
Einheimische schilderten, dass sie den Sohn der Seniorin regelmäßig im Ort gesehen hatten, die alte Frau aber nahezu nie. „Sie machte dann aber gar keinen guten Eindruck“, erzählten Augenzeugen. Wenn man den Sohn auf die lange nicht gesehene Mutter ansprach, habe er geantwortet, dass diese gerade Familienangehörige besuche oder Ähnliches. „Heute wissen wir, dass sie da schon längst tot war“, sagte eine Frau. Der Mann soll auch Backwaren für seine Mutter gekauft haben zu einer Zeit, als sie nach heutigem Wissen nicht mehr lebte.
Im Juni dieses Jahres waren die Ermittler einem weiteren Hinweis nachgegangen, wie Staatsanwalt Thorsten Kahl damals auf Nachfrage unserer Zeitung erklärte. „Dieser könnte möglicherweise relevant sein für die Bewertung der vermeintlichen Tat des Beschuldigten“, teilt er mit. Nach dem Abschluss dieser Ermittlungen sollte entschieden werden, ob Anklage erhoben wird oder nicht.
Den Ermittlern zufolge ist die alte Frau zwischen Oktober und November 2018 eines natürlichen Todes gestorben. Anzeichen für ein Fremdverschulden gebe es nicht. Wie ihr Tod so lange unbemerkt bleiben konnte, wird nach dem Einstellen der Ermittlungen vermutlich nie aufgeklärt werden.