Schon in den kommenden Wochen könnte sich die Zukunft des zahlungsunfähigen Unternehmens Thilmann Brot aus Wolken klären. Das sagte Insolvenzverwalter Jens Lieser auf Nachfrage unserer Zeitung. „Wir führen bereits Gespräche mit mehreren Interessenten“, berichtet Lieser. Bis Ende Oktober, so hoffe er, könnten diese Verhandlungen positive Ergebnisse bringen.
Ob alle Filialen die Bäckereisanierung überstehen würden, vermag Jens Lieser allerdings nicht zu sagen. Das sei wohl eher unwahrscheinlich. Bereits seit einiger Zeit sind mehrere der rund 20 Filialen geschlossen, auch der Fachkräftemangel spiele hier eine Rolle, so Lieser. Letztlich müsse sich, so der vorläufige Insolvenzverwalter, jede Bäckereifiliale angesichts eines harten Wettbewerbs rechnen. „Daher stellen wir während des Sanierungsprozesses jede der Verkaufsstellen auf den Prüfstand“, sagt Jens Lieser.
Bäcker sind nachgefragt
Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leitet der Insolvenzverwalter indes gute Nachrichten aus der wirtschaftlichen Lage ab: Auch wenn es Thilmann Brot selbst nicht gut geht, so seien Bäcker und Bäckereifachverkäuferinnen doch momentan nachgefragt. „Selbst wenn einige Thilmann-Filialen am Ende schließen müssen, so stehen die Chancen gut, dass wir alle oder doch zumindest einen großen Teil der Angestellten unterbringen“, sagt Jens Lieser. Potenzielle Investoren, deren Betriebe natürlich meist aus der Branche kommen, suchen ja derzeit selbst oft Kräfte. „Wir sind optimistisch, den Mitarbeitern hier gute Lösungen anbieten zu können“, sagt Jens Lieser.
Auch auf der Betriebsversammlung, bei der der Insolvenzverwalter Fragen der Angestellten beantwortete, habe er vorsichtigen Optimismus gespürt. Die Atmosphäre sei ruhig und konstruktiv gewesen, sagt Lieser.
Vergangene Woche Donnerstag war bekannt geworden, dass die Bäckereikette Thilmann zahlungsunfähig ist und beim Amtsgericht Koblenz Insolvenz anmelden musste. Zum Insolvenzverwalter wurde Jens Lieser von der Rechtsanwaltskanzlei Lieser bestellt, die neben anderen Standorten unter anderem von Koblenz aus arbeitet.
Wir stellen während des Sanierungsprozesses jede der Verkaufsstellen auf den Prüfstand
Insolvenzverwalter Jens Lieser
Gefährdet sind neben dem Stammsitz mit Produktion in Wolken die 20 Filialen in Koblenz und der Region – Thilmanns gibt es beispielsweise in Andernach, Kruft, Weißenthurm und Kobern-Gondorf – und die Arbeitsplätze von knapp 100 Mitarbeitinnern und Mitarbeitern.
Etwa fünf Millionen Euro betrug der Umsatz von Thilmann 2019 – im letzten „normalen“ Jahr vor der Corona-Pandemie. Als Grund für die Krise benannte die GmbH in einer Mitteilung Preissteigerungen bei Rohstoffen und Personal, die ohnehin harten vergangenen Corona-Jahre und vor allem die aktuellen Energiepreis-Steigerungen, die der Ukraine-Krieg verursacht hat. Die Kosten für den Betrieb der Backöfen seien „immens gestiegen“, so heißt es von Thilmann. Es ist ein Problem, mit dem die Bäckerei in der Branche natürlich nicht allein ist, wie auch zuletzt von der Industrie- und Handelskammer Koblenz und Branchenverbänden des Bäckerhandwerks zu hören und lesen war.
Sorgen um den Traditionsbetrieb dürfte sich auch mancher Bürger in Wolken machen, aus der Gemeindeverwaltung ist jedenfalls Entsprechendes zu vernehmen. Thilmann gibt es seit 1937, gegründet wurde das Unternehmen in Kobern-Gondorf, doch hat es seinen Sitz schon seit Jahrzehnten in Wolken.
Ein wichtiger Betrieb für Wolken
Dass es auch ein emotionales Moment hat, wenn ein solcher Traditionsbetrieb in Schieflage gerät, betont der Wolkener Ortsbürgermeister Walter Hain. Natürlich gehe es um Arbeitsplätze im Ort und wichtige Gewerbesteuereinnahmen, sagt Hein. Aber: Das sei es nicht allein. „Thilmann ist wichtig für Wolken, wir haben auf dem Betriebsgelände bereits Karnevalsveranstaltungen gefeiert, noch dazu sind die Wolkener es gewöhnt, direkt am Werk ihre Brötchen zu kaufen.“ Für den Ort Wolken selbst habe Thilmann also auch eine Grundversorgerfunktion.
Walter Hain hat selbst in den vergangenen Tagen Kontakt zu den Inhabern gehabt, wie er erzählt, und sich die schwierige Situation, in der Thilmann stecke, erläutern lassen. Er hofft nun ebenfalls, dass sich eine Lösung für das Unternehmen findet – und setzt Hoffnung in den Insolvenzverwalter, dessen Kanzlei viel Erfahrung mit Bäckereien mitbringe und schon einige Betriebe saniert habe.