Bendorf
Syré: „Ich bin nicht der, der die Fäden zieht“

Bendorfs Bürgermeister Michael Syré im Interview mit der RZ.

Annette Hoppen

Bendorf. In den vergangenen Wochen ist der Bendorfer Bürgermeister, Michael Syré (CDU), vielen Vorwürfen ausgesetzt gewesen, die im Abwahlverfahren gipfelten. Im Interview mit unserer Zeitung bezieht der 60-Jährige dazu Stellung.

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Bendorf. In den vergangenen Wochen ist der Bendorfer Bürgermeister, Michael Syré (CDU), vielen Vorwürfen ausgesetzt gewesen, die im Abwahlverfahren gipfelten. Im Interview mit unserer Zeitung bezieht der 60-Jährige dazu Stellung.

Herr Syré, wie haben sie sich am 27. Juli gefühlt, als der Antrag auf Ihre Abwahl im Stadtrat durch war?

Enttäuscht war ich über das Wahlverhalten einiger CDU-Mitglieder. Man hat immer mal Meinungsverschiedenheiten, aber ich fand das Abstimmungsverhalten nicht in Ordnung.

Haben Sie mit mehr Rückendeckung seitens der CDU gerechnet?

Ich hätte nicht damit gerechnet, dass die Geschichte so ausgeht. Weil sich einige vorher auch anders dazu geäußert hatten. Die Abwahl eines Bürgermeisters ist wirklich etwas anderes, als wenn ich einen Vereinsvorsitzenden neu wähle oder den Trainer eines Bundesliga-Klubs heimschicke. In meinem Fall muss die Summe von Kleinigkeiten dafür herhalten, eine Entscheidung zu treffen, die Tragweite für ein Leben hat. Diese Kleinigkeiten, die dazu führen, dass man gehängt wird, so wie es Herr Born (CDU-Fraktionsmitglied, Anmerkung der Redaktion) in der Sondersitzung gesagt hat.

Sprechen Sie Ihr eigenes oder das Leben der Stadt an?

Beides. Ich bin für acht Jahre gewählt worden und habe den Eid geleistet, in dieser Zeit mein Bestes zu tun. Ich bin auch davon überzeugt, dass ich mein Bestes tue. Deshalb bin ich sehr überrascht gewesen, als der Antrag auf Abwahl kam. Das belastet nicht nur mein Verhältnis zur Arbeit in und für die Stadt, sondern auch meine Familie.

Haben Sie mal an Rücktritt gedacht?

Man denkt an alles. Allerdings würde ich nicht zurücktreten wollen. Würde ich das tun, dann wäre das ein Rücktritt aus Trotz oder aber ein Eingeständnis der Vorwürfe. Und die lehne ich glattweg ab.

Treten Sie vielleicht auch nicht zurück, weil Sie ihre Pensionsansprüche nicht verlieren wollen?

Das ist auch ein Grund. Wer verzichtet schon freiwillig auf Geld, das ihm zusteht? Ich bin jetzt seit fünf Jahren Bürgermeister. Wenn sich das nachher nicht in meiner Altersversorgung widerspiegelt, dann stimmt da was nicht.

Auslöser des Abwahlverfahrens sind von außen betrachtet Ihre Entscheidungen rund um die Stellenbesetzung der Wirtschaftsförderung. Was haben Sie falsch gemacht?

Rein rechtlich habe ich gar nichts falsch gemacht. Als Bürgermeister kann ich Stellen in der Verwaltung besetzen und Leute mit entsprechenden Qualifikationen versetzen, wie ich will. Der Stadtrat verlangte in der Sitzung im März die öffentliche Ausschreibung der Leitung der Wirtschaftsförderung. Ich habe in der Sitzung klargestellt, dass im Grunde niemand das Recht hat, das zu verlangen, weil die Gemeindeordnung dies in den Kompetenzbereich des Bürgermeisters legt.

Und trotzdem haben Sie sich dem Wunsch des Rates gebeugt ...

Ja, wir haben die Stelle ausgeschrieben. Es gab dann eine Findungskommission, die drei Bewerber ausgewählt hat: einen auswärtigen und Max und Werner Prümm. Bei dem Auswärtigen musste ich feststellen, dass er die Bedingungen nicht erfüllt, die ich an diesen Posten stelle. Ich habe Max Prümm auf die Stelle setzen wollen. Er hat sie abgelehnt, nachdem bereits seit März auch von außen ein Riesendruck aufgebaut wurde. Das ist eine Art Kampagne gewesen, die mich schon erstaunt hat. Das war ein kleines Fiasko – auch für mich. Und ich habe festgestellt, dass es Dinge gibt, die ich rechtlich vertreten kann, die mir dann aber politisch angekreidet werden.

Haben Sie die massiven Widerstände denn nicht gespürt?

Stimmen gegen die Person Max Prümm gab es schon, bevor er überhaupt seine Bewerbung abgegeben hatte. Zuerst wurde die Qualifikation angezweifelt. Als er das unter anderem mit dem Interview in Ihrer Zeitung ausgeräumt hatte, hieß es, Max Prümm fehle die Berufsreife. Die hätte aber Werner Prümm gehabt. Er sollte auf dem Posten des Stellvertreters bleiben, und mit ihm wäre seine Erfahrung geblieben. Als das also nicht mehr zog, hieß es auf einmal: „Der will seinem Zögling, seinem Pflegesohn einen Posten verschaffen.“

Der Vorwurf der Vetternwirtschaft stand von Anfang an im Raum. Unberechtigt? Wie sieht ihr persönliches Verhältnis zu Max Prümm aus?

Er ist damals, als er 18 oder 19 Jahre alt war, zu uns gekommen. Es gab nie ein Adoptivverhältnis, er war nie Pflegesohn oder Zögling. Er steht meiner Familie lediglich nahe. Trotzdem war von Günstlingswirtschaft die Rede. Wenn aber jemand die Qualifikation hat, stelle ich mir schon die Frage, ob ich ihm eine Stelle verwehren kann, nur weil er in eine nähere Beziehung zu meiner Familie getreten ist.

Das Hin und Her um die Stellenbesetzung ist vielleicht der Auslöser gewesen, vorgeworfen wird Ihnen aber unter anderem auch mangelnde Kommunikation mit dem Rat und der Verwaltung. Was würden Sie rückblickend anders machen?

Als ich ins Amt kam, gab es so etwas wie regelmäßige Amtsleiter- oder Fachbereichsleiterbesprechungen gar nicht. Die habe ich erst einmal eingeführt. Das ich nicht jedem der Mitarbeiter alles aufs Brot schmiere, was mich bewegt, ist mehr als verständlich. Ich sehe dieses Problem nicht so sehr.

Und die Kommunikation mit dem Rat? Was läuft da schief?

Das ist eine Sache, die der Kollege Halbauer (SPD-Fraktionsvorsitzender, Anmerkung der Redaktion) zu hoch gehängt hat. Wir haben regelmäßig Gespräche, regelmäßig Ältestenratsitzungen. Die größte Kommunikation muss es aber zwischen den Fraktionsvorsitzenden geben, weil die als Stadtrat nachher mit dem Bürgermeister die Entscheidungen treffen. Sonst wäre ich ja der große Zampano. Das ist eine falsche Auffassung von der Rolle des Bürgermeisters. Ich bin nicht der, der die Fäden zieht. Das ist Sache der Fraktionen.

Was ist denn dann die Rolle des Bürgermeisters?

Der Bürgermeister hat eigentlich die schöne Rolle, an der Spitze der Verwaltung zu stehen. Er kann gewisse Impulse setzen, aber er ist abhängig von den Entscheidungen des Stadtrates. Und in Bendorf sind wir seit der jüngsten Kommunalwahl zum ersten Mal in der Situation, dass wir keine klare Mehrheit im Rat haben.

Treffen Sie deshalb Entscheidungen lieber im Alleingang? Das werfen Ihnen Kritiker aus dem Rat ja vor ...

Ja, dieser Vorwurf wird oft sehr pauschal gemacht.

Dann werden wir konkret: In Bezug auf die Sanierung der Sayner Hütte fühlt sich der Stadtrat bei der Suche nach Geldgebern übergangen. Man wollte gemeinsam Sponsoren suchen, heißt es, passiert sei nichts …

Das Thema wurde im Rat besprochen. Auch mit der SPD-Fraktion, die das angemahnt hat. Ich bin immer wieder überrascht, wie Absprachen vergessen werden, weil sie nicht ins Thema passen: Die gemeinsame Suche nach Sponsoren wurde beantragt. Wir haben damals festgehalten, dass wir als Stadt und Besitzer der Sayner Hütte mit der Suche nach Sponsoren kaum Erfolg haben werden. Wenn wir aber eine Stiftung haben, dann haben wir nachher auch Sponsoren, die bereit sind, diese finanziell zu unterstützen. Mit der Gründung hapert es jetzt ein bisschen, weil das Land sich auch finanziell beteiligen soll, die Regierung sich aber verändert hat.

Ein weiteres Streitthema ist der Haushalt. Bendorf ist mit 31 Millionen Euro im Minus. Es heißt, Sie seien nicht in der Lage, die hohe Verschuldung in den Griff zu bekommen und blockierten Sparvorschläge ...

Eine Haushaltskonsolidierung lässt sich nicht machen, indem ich irgendwas streiche. Wir sind zurzeit dran, einen Katalog aufzustellen für den Entschuldungsfonds. Wo aber streiche ich jetzt was? Bei den Kindergärten? In der Jugendarbeit? Bei den Vereinen? Da habe ich überall mit Widerständen zu rechnen. Und wenn mir vorgeworfen wird, dass ich nichts tue, muss ich den Ball zurückspielen: Es wird gefordert, die Verwaltung soll Vorlagen ausarbeiten. Aber ich möchte das gemeinsam mit den Fraktionen machen.

Fühlen sie sich zum Teil machtlos, Einsparungen durchzusetzen?

Der Leiter unseres Fachbereichs Finanzen, Norbert Metternich, sagt, wenn wir alle Steuern und Gebühren erhöhen, die in die Stadtkasse fließen – bis zur Schmerzgrenze – haben wir immer noch 1,5 Millionen Euro Miese im jährlichen Haushalt. Das große Problem ist: Wie komme ich zu Geld, ohne unbedingt meine Bürger zu belasten?

Sehen Sie denn kein Sparpotenzial?

Das sehe ich wirklich kaum. Als ich das Amt des Bürgermeisters übernommen habe, hatten wir bereits einen defizitären Haushalt mit Kassenkrediten – von denen kommt man nur sehr schlecht los.

Die Probleme sind also groß. Gerade deshalb und angenommen, Sie werden nicht abgewählt: Wie soll die Zusammenarbeit künftig aussehen mit einer Ratsmehrheit, die Sie nicht mehr will?

Ich habe zurzeit dieselbe Situation. Ich komme in eine Ratssitzung oder in einen Ausschuss und sitze denjenigen gegenüber, die eigentlich sagen: „Dich mag ich nicht.“ An meiner Art des Arbeitens darf sich trotzdem nichts ändern. Ich habe versprochen, dass ich meine Arbeit leiste. Jetzt gibt es eben öfter Situationen, in denen ich die Faust in der Tasche ballen muss. Und meinen Humor lasse ich im Moment lieber stecken, obwohl mir das schwerfällt (grinst). Das könnte ja falsch ausgelegt werden.

Ihre Kritiker haben angekündigt, die Bürger massiv dazu aufzurufen, zur Abstimmung zu gehen. Werden Sie auch eine Art Wahlkampf führen?

Gewählt bin ich ja. Das müsste ja ein Anti-Wahlkampf sein (lacht). Aber ich weiß, was sie meinen. Ich werde mich nicht verstecken, aus Angst oder Scham. Meine Arbeit weiterhin korrekt zu erledigen, ist die Werbung, die ich für mich mache.

Ihr Schreiben an die Bürger im jüngsten Mitteilungsblatt war doch schon eine Art Werbung für Sie. Ist das das richtige Forum dafür?

Ich wurde dazu gedrängt. Es hieß, „die meisten waren nicht in der Stadtratssitzung, dir wurden dort Vorwürfe gemacht, jetzt sag du mal was dazu“. Einige haben wohl erwartet, dass ich die Keule auspacke. Aber ich bevorzuge es, sachlich zu bleiben – was mir manchmal als Nachteil ausgelegt wird.

Was sagen Bürger, mit denen Sie sprechen, zu all dem?

Ich war erst vor Kurzem auf dem Geburtstag einer 96-Jährigen. Sie war darüber empört, wie mit mir umgegangen wird. Ich treffe auch Leute, die mir politisch überhaupt nicht nahestehen, mich aber trotzdem unterstützen.

Wie sieht Ihre Prognose für den 25. September aus?

Danach kommt der 26. September (lacht). Aber ernsthaft: Da kann ich keine Prognose abgeben. Ich hoffe, dass der Bürger vernünftig ist und sagt, du kannst im Amt bleiben.

Das Gespräch führten Damian Morcinek und Angela Kauer

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