Aquarellfarben made in Koblenz
Suche nach „Peach“ macht Nadine Peez erfinderisch
Nadine Peez hat in der Koblenzer Vorstadt ein Kreativlabor eröffnet. Hier finden offene Ateliers und Workshops statt, und hier produziert sie ihre eigenen MNColors. Die bunten Pigmente, die sie dazu nutzt, sind hinten links im Regal zu sehen.
Katrin Steinert

Wenn Neues entsteht, gab es meist vorher ein Problem, das gelöst werden wollte. Bei der Koblenzerin Nadine Peez waren es Aquarellfarben, die ihr nicht gefielen. Es fehlten Farbtöne – vor allem „Peach“. Als Chemikerin war ihr Ehrgeiz geweckt.

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In der südlichen Vorstadt von Koblenz hat vor einigen Monaten ein Kreativlabor eröffnet, das den feinen Zusatz „Pinsel und Pipette“ trägt. Pinsel steht für Kunst, Pipette für Chemie. Denn beides verbindet Inhaberin Nadine Peez mit diesem Raum, von dem sie viele Jahre gar nicht wusste, dass er ihr Leben bereichern wird. Ebenso wenig war geplant, dass sie mal Aquarellfarben erfinden würde.

Die 32-jährige Koblenzerin arbeitet hauptberuflich als Innovationmanagerin bei einem Kölner Unternehmen und nebenbei als Künstlerin, was sie als ihre „N.p.ainting-Welt“ bezeichnet. Ihr Atelier und Kreativlabor befindet sich in der Hohenzollernstraße in den alten Firmenräumen ihres Vaters, seines Zeichens Elektriker. Sie wohnt mit Mann und Kind samt Pferden und Schafen auf der Karthause.

Neben Aquarellen in Postkarten- und DIN-A-4-Größe kann man im Kreativlabor in der Hohenzollernstraße selbst hergestellte Farben kaufen, die auch im Onlineshop angeboten werden.
Katrin Steinert

Was man nicht erwarten würde, wenn man Nadine Peez im Kreativlabor besucht: Sie ist studierte Chemikerin, hat sogar promoviert (über Mikroplastik). Wie das mit Kreativsein zusammenpasst? „Das Studium hat sehr viel damit zu tun! Du musst ständig improvisieren und dir Dinge im Labor ausdenken“, versichert sie. „Hast du dir mal die Strukturformeln angeschaut, die man zeichnen muss?“ Allein dafür bräuchte man schon ein Kunststudium, scherzte sie immer mit ihren Mitstudentinnen.

Hochbegabtenkurs am Kinder-College besucht

Schon von klein auf ist die Koblenzerin künstlerisch aktiv. Rückblickend sagt die 32-Jährige: „Ich habe exzessiv das Kunstatelier durchgezogen, bis ich etwa elf war“ – ein Hochbegabtenkurs des Kinder-College in Neuwied. Nadine Peez lacht und sieht in ihrem Pulli mit den rosafarbenen und orangenen Querstreifen wie eine Frühlingsbotin aus. Auch ihre Fingernägel leuchten in verschiedenen Pastelltönen.

Ihr Atelier gleicht dabei einem modernen Wohnzimmer: in der Mitte ein großer langer Holztisch, Kissen im Fenster, selbst gemalte Aquarelle an den Wänden und im Ständer – als Postkarten- oder DIN-A-4-Drucke.

Chemische Formeln für einen Jahreskalender künstlerisch dargestellt: eine Auftragsarbeit, die Nadine Peez umsetzte.
Katrin Steinert

Ausschlaggebend für alles, was sie heute künstlerisch tut, war die Zeit ihrer Promotion. „Da hatte ich wieder ein bisschen Zeit“, sagt sie. Als Jugendliche fand sie Malen uncool, im Studium war dafür kein Freiraum. Doch während der Doktorarbeit nahm sie Ballettunterricht, las wieder. „Und dann fragte ich mich: Was mach’ ich jetzt?“

Beim Besuch ihrer Eltern machte es klick: „Mama hatte noch Papier und meinen alten Aquarellkasten von früher“, erzählt die 32-Jährige. So nahm das Schicksal seinen Lauf. Das war, kurz bevor Corona über die Welt kam. Die Koblenzerin begann wieder zu malen, kaufte immer mehr Farben und Zubehör, Freunde fragten, ob sie Hochzeitskarten gestalten könne und vieles mehr.

Der Hauptraum des Kreativlabors gleicht einem großen Wohnzimmer, ein breiter langer Holztisch mit Stühlen erfüllt die Mitte des Raumes: Hier finden die Workshops und offenen Ateliers statt. Hinten ist der Laborbereich zu sehen. Auf der anderen Seite des Raums sind Kissen im Schaufensterfenster, die zum Chillen einladen (in der Spiegelung zu erahnen).
Katrin Steinert

Doch eine Sache nervte Nadine Peez gewaltig: Beim Malen fehlten ihr ständig Farbtöne, matschige Nuancen. Diese mischt man gewöhnlich aus den Standardfarben im Aquarellkasten – doch nur selten traf sie wieder haargenau denselben Farbton, wenn sie ihn noch einmal brauchte. Auch ihre beste Freundin Mareike Hilgenberg, ebenfalls Chemikerin, fing in der Corona-Zeit an zu malen und ärgerte sich darüber.

Freundinnen und Erfinderinnen der MNColors: Nadine Peez (links) und Mareike Hilgenberg
Katrin Steinert

Aus der „Not“ wurde eine Idee geboren: „Es lag nahe, dass wir selbst ins Labor gehen und Mischfarben entwickeln“, sagt Nadine Peez rückblickend. Vor allem wollte sie die Farbe „Peach“ (Pfirsich) entwickeln, ihre Freundin unbedingt ein leuchtendes dunkles Blau hinbekommen. Mareike gab den Anstoß, es wirklich anzugehen. „Sie sagte: Ey, wir sind Chemikerinnen.“

Fünf Jahre ist das jetzt her. „Wenn man es so will, sind die Farben aus Faulheit entstanden“, sagt Nadine Peez. „Ich hatte keine Lust, sie jedes Mal neu zu mischen, wenn ich male.“ Mittlerweile sind an die 350 Farbtöne entstanden.

Nadine Peez hat ihre eigenen Aquarellfarben entwickelt, mehr als 200 Farbtöne, viele matschige und gedeckte Töne, aber auch ein knalliges Pink ist darunter und granulierendes Grau.
Katrin Steinert

Dabei dauerte es, bis die Grundrezeptur entwickelt war, bis das, was die Pigmente schlussendlich zusammenhält, unverrückbar in der Zusammensetzung feststand. Dann wurden die Pigmente gekauft und Farbtöne gemischt. Eins gab das andere: „Wir hatten so viele Näpfe und fragten uns: Wohin damit?“

Im Jahr 2020 stellten sie die MNColors, „M“ für Mareike, „N“ für Nadine, auf der Plattform Instagram vor. „Das war ein Selbstläufer“, sagt die 32-Jährige rückblickend. Nadine Peez versteht bis heute nicht ganz, wie das geschehen konnte, dass aus ihrem privaten Ding ein Kleingewerbe wurde. Menschen, die mit den Farben malen, sprechen von Brillanz, einmaligen Effekten, tollen Tönen. Nadines Freundin Mareike Hilgenberg zog allerdings vor einem Jahr in die USA. Seitdem produziert Nadine Peez die Farben allein.

Nadine Peez sagt von sich selbst, sie könne so ziemlich alles malen, nur keine Gesichter und Porträts. In ihrem Atelier hängen viele Beispiele ihrer Arbeiten, etliche kann man auch als Drucke kaufen.
Katrin Steinert

Das eigentliche Farbenmischen findet hinten im Kreativlabor statt. In weißen Regalen stehen Gläser mit bunten Pigmenten, aus denen die 32-Jährige Töne mit den schlichten Nummern wie MN213 mischt. „Da sind wir halt doch Chemikerinnen. Die Dinger brauchten Namen, um die Mischverhältnisse genau zuordnen zu können“, sagt sie und grinst. Das perfekte „Peach“, das sie suchte, entwickelte übrigens ihre Freundin Mareike – es hat die Nummer MN131. „Und ich habe ihr Dunkelblau hinbekommen“, erzählt sie fröhlich. „Es hat die Nummer MN666 – weil es eine Katastrophe bei der Herstellung war!“ Nadine Peez lacht. Die Ziffernkombination „666“ steht symbolisch für den Teufel.

Als ihr Mann sich dann im vergangenen Jahr mit einem Hausmeisterservice selbstständig machte und dazu die alten Firmenräume von Nadines Vater nutzen wollte, ratterte es im Kopf der Künstlerin. „Ich dachte: Nee, das ist viel zu schade für ihn mit dem schönen Raum zur Straße hin.“ Im November eröffnete sie ihr Kreativlabor, hinten befinden sich die Lagerräume ihres Mannes. Seitdem bietet Nadine Peez Workshops an und offene Ateliers, wo man gemeinsam mit eigenem oder ihrem Material malen kann. Ein Angebot, mit dem sie in der Vorstadt offenbar genau richtig liegt und eine Tür öffnet, durch die Kreative gern eintreten und Teil von Nadines Painting-Welt werden.

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