Gegenwehr in Koblenz
Stolzenfelser wollen den rechten „Stolzmonat“ nicht
Auf dem Kapellner Platz mitten im Ort ist der Auftakt zum "Stolzmonat" geplant, zu dem die beiden AfD-Landtagsabgeordneten Joachim Paul und Lena Kotré aufrufen.
Doris Schneider

Schwarz-Rot-Gold gegen Regenbogenfahnen: Seit zwei Jahren laden AfD und befreundete Organisationen zum „Stolzmonat“ ein. In diesem Jahr wollen sie den Auftakt im Koblenzer Stadtteil Stolzenfels machen – doch viele der Bewohner wollen sich wehren.

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„Wir wollen das in Stolzenfels nicht.“ Der Ortsvorsteher des kleinsten Koblenzer Stadtteils, Gregor von der Heyden, schwankt hörbar zwischen Bestürzung, Rage und Genervtsein. Vor Kurzem wurde er von der Stadt Koblenz informiert, dass für den Samstag kommender Woche, 31. Mai, eine Veranstaltung im Rhein-Stadtteil angemeldet und genehmigt worden sei. „Da wusste ich noch gar nicht, um was es geht.“

Ein paar Tage später dann kommen von allen Seiten Hinweise von Bekannten auf ihn zu: In den sogenannten Sozialen Medien bewerben der Koblenzer AfD-Fraktionsvorsitzende Joachim Paul, Mitglied im Landtag, und seine Landtagskollegin Lena Kotré den Auftakt des „Stolzmonats“ am Schloss Stolzenfels.

„Lasst uns gemeinsam in den Stolzmonat starten“, schreiben die beiden auf Facebook, Instagram und Co. und laden zu einer Party am Samstag, 31. Mai, 12 Uhr auf den Kapellener Platz mitten im Stadtteil ein. „Es wird ein großartiges Ereignis in stolzer Kulisse“, schreiben die beiden Landtagsabgeordneten und fordern die Gäste auf, „Deutschland- oder Stolzflaggen“ mitzubringen. Es werde ein „kleines und kurzweiliges patriotisches Volksfest“, so Paul, er hat die Schirmherrschaft übernommen.

Nationalistischer Gegenentwurf zum „Pride month“

Seit ein paar Jahren haben AfD und andere Gruppen den „Stolzmonat“ ins Leben gerufen, als nationalistischen Gegenentwurf zum „Pride month“, zu Deutsch ebenfalls Stolzmonat der queeren schwul-lesbischen Bewegung: Dieser „Pride month“ wird seit einigen Jahren mit Veranstaltungen in vielen Städten begangen, in Koblenz als „Pride Week“.

„Der Stolzmonat ist vor zwei Jahren als reines Internetphänomen entstanden, an dem sich vor allem Jugendliche mit Memes und kleinen Videos in den sozialen Medien unter dem Hashtag #Stolzmonat beteiligt haben“, erklärt Joachim Paul auf Nachfrage. Damit solle „an die Leistungen großer deutscher Männer und Frauen erinnert werden, die sich insbesondere in der Musik, Wissenschaft, Dichtung, Malerei und Wirtschaft verdient gemacht haben“.

Das Schloss thront malerisch über dem Ort.
Doris Schneider

„Eigentlich ist Stolzmonat nur die deutsche Übersetzung des Pride Month. Doch die Bewegung dahinter ist rechtsextrem“, beurteilt die Zeitschrift Focus die Lage im Sommer 2024. Die Bewegung habe in Österreich ihren Ursprung gehabt. „Im Stolzmonat werden statt bunter Regenbogenflaggen also Deutschlandfahnen in den sozialen Netzwerken gepostet oder als Profilbild hochgeladen, um den Nationalstolz zu unterstreichen. Unter dem entsprechenden Hashtag Stolzmonat wird zudem gegen Genderbegriffe und die LGBTQIA+-Community gewettert“, so der Focus.

„Wir haben die nicht eingeladen.“
Ortsvorsteher Gregor von der Heyden

Und nun also in Stolzenfels: „Tatsächlich haben mich Jugendliche schon letztes Jahr scherzhaft gefragt, ob Ort und das malerische Schloss nach dem Stolzmonat benannt worden sind“, schreibt der Koblenzer AfD-Politiker Joachim Paul auf Nachfrage unserer Redaktion. Deshalb habe man den Stadtteil nun ausgesucht, um hier den Aktionsmonat zu eröffnen, eine passende Kulisse wie Paul findet: „Tatsächlich drückt der bereits seit dem Mittelalter bekannte Name des Schlosses Größe und Erhabenheit aus, das gefällt vielen sehr gut und wirkt auf junge Patrioten natürlich anziehend.“ Mit rund 150 Gästen rechnet er am Samstag, 31. Mai.

Der kleine Platz wird sonst als Parkplatz genutzt.
Doris Schneider

„Wir haben die nicht eingeladen“, sagt der Stolzenfelser Ortsvorsteher Gregor von der Heyden. Denn dieser „Stolzmonat“ richte sich aktiv gegen Minderheiten in unserer Gesellschaft, sei vom Niedersächsischen Verfassungsschutz im Sommer 2024 als „aufgeladen mit Nationalismus, Diskriminierung und Hass“ bewertet und als demokratiefeindlich eingestuft worden. Dass der kleine Platz nun für diese Veranstaltung von der Stadt Koblenz freigegeben wird, ärgert von der Heyden richtig: „Wir dürfen hier nicht einmal mehr unsere Kirmes feiern.“

Die Stadt Koblenz stellt auf Nachfrage klar: Solche Veranstaltungen müssen nicht genehmigt, nur angemeldet werden. „Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, verankert in Artikel 8 des Grundgesetzes, ist ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen Grundordnung. Die Versammlungsbehörde muss das jeweils im Einzelfall prüfen und hat dabei sowohl die Sicherheit der Versammlungsteilnehmer als auch der übrigen Bevölkerung zu betrachten“, so Stadt-Pressesprecher Thomas Knaak. „Daher ergehen immer Auflagen an die Versammlungsanmelder, etwa was Rettungswege, Ordner und eingesetzte Hilfsmittel angeht.“

Ortsbeirat und Schlossverwaltung werden beschimpft

Seit Tagen schon gehen Mails und Nachrichten zwischen Stolzenfelsern und verschiedenen politischen Gruppen hin und her, wie man diesen Aktionstag im mit nur 381 Einwohner kleinsten Stadtteil verhindern könne. „Wir werden schon im Internet beschimpft, dass wir mit den Rechten gemeinsame Sache machen“, sagt der parteilose von der Heyden empört, die gleichen Vorwürfe würden der Schlossverwaltung gemacht. Dabei habe der Ortsbeirat mit der Genehmigung der Veranstaltung gar nichts zu tun.

Bündnis „Stolzenfels bleibt bunt“ hat sich formiert

Und Stolzenfels ist auch keine besondere AfD-Hochburg: Von den 281 Wahlberechtigten haben bei der Bundestagswahl im Februar 16,0 Prozent der Stolzenfelser mit der Zweitstimme die Partei gewählt, das ist fast exakt der Koblenzer Durchschnitt, der bei 16,1 Prozent lag.

Ein Aktionsbündnis aus Einzelpersonen und Initiativen hat sich nun entschlossen, dem Auftakt des „Stolzmonats“ im Stadtteil etwas entgegenzusetzen: Unter dem Motto „Ort der Begegnung und Toleranz“ plant das neu formierte Bündnis „Stolzenfels bleibt bunt“ ein Fest der Begegnung auf dem ehemaligen Schulhof. „Zu erwarten sind hier Beiträge wie Redebeiträge, Musik, Tanz, Infostände jeglicher Art, die unser vielfältiges und offenes Stolzenfels repräsentieren“, so Gregor von der Heyden. Das genaue Programm werde nun am Wochenende von der Aktionsgruppe erarbeitet.

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