Der Traum von der luxuriösen Wohnung inmitten der Koblenzer Altstadt, einen Steinwurf vom Rhein entfernt, vom Stadttheater und Restaurants – er ist für rund 30 Paare, Familien, Einzelpersonen vermutlich zerplatzt. Denn die Firma, die das sogenannte Clemens-Carré im prachtvollen Gebäude der ehemaligen Oberpostdirektion nahe dem Görresplatz ausbauen wollte, ist möglicherweise insolvent – und damit bleiben die verhinderten Eigentümer im schlechtesten Fall auf zum Teil enormen Anzahlungen sitzen.
„Es klingt verrückt, aber es geht dabei nicht nur ums Geld“, sagt ein Mann, der mit seiner Frau eine Wohnung im Koblenzer Clemens-Carré anbezahlt hat. Das Ehepaar hatte sich wahnsinnig darauf gefreut, in dem schönen Ambiente zu leben, die Vorzüge der Altstadt zu genießen. Es wäre wirklich die Erfüllung eines Traums gewesen.
Infos auf der Internetseite datieren aus dem Jahr 2021 als „News“
Aber ihre Wohnung wird wahrscheinlich nie gebaut. Schon der Button „News“ auf der Internetseite des Clemens-Carré verheißt nichts Vertrauenerweckendes: „Endgültige Baugenehmigung erteilt“, heißt es da – der Eintrag stammt vom November 2021.
Immer wieder haben sie nachgehakt, wie es weitergeht, berichten auch andere Käufer – und immer wieder dem Geschäftsführer der Betreibergesellschaft geglaubt, der eindrücklich versicherte, dass es einfach nur ein paar unglückliche Umstände gegeben habe, die den Ausbau in 55 Eigentumswohnungen verzögerten. Weitere gut zwei Dutzend Wohnungen sollten in einem Neubau direkt neben dem massiven Bau am Clemensplatz entstehen.

Nachdem die Zweifel an der Seriosität des Bauvorhabens immer mehr wuchsen, weil statt Baufortschritten in ihren Augen nur Ausreden präsentiert wurden, haben 17 Wohnungskäufer und ein Architekt beim Amtsgericht Montabaur einen Insolvenzantrag gestellt, berichtete unsere Zeitung Ende März. Ein entsprechendes Verfahren wurde vom Gericht eröffnet. „Der Sachstand ist unverändert“, sagt Ralf Tries, Direktor des Amtsgerichts, auf aktuelle Anfrage einen knappen Monat später.
Was die Wohnungskäufer bei einer tatsächlichen Insolvenz noch bekommen würden, wie viele Firmen und Handwerker noch auf Rechnungen sitzen, ist zurzeit ungeklärt. „Das Antragsverfahren läuft. Wir arbeiten weiter an einer Lösung. Der Vorgang ist sehr komplex. Die Aufarbeitung dauert an“, berichtet der Koblenzer Insolvenzverwalter Andreas Jüchsel. Ob die Käufer ihr Geld verlieren, kann er zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sagen. „Die Träume dagegen sind schon zerplatzt“, sagt ein Endfünfziger gegenüber unserer Redaktion.

Denn er und seine Frau hatten es sich so schön vorgestellt. Das Ehepaar hat einen anderen Wohnort aufgegeben und sich Koblenz als Heimat für den Lebensabend ausgesucht. Die gewählte Wohnung im Clemens-Carré passte genau dazu: „Wir haben uns schon abends durch die Altstadt bummeln gesehen, ein Glas Wein trinken oder ins Theater gehen, und dann den kurzen Weg nach Hause in die tolle Wohnung“, beschreibt der Mann die Pläne. „Wir haben uns so sehr darauf gefreut!“

Doch aus dieser schönen Zukunft wird nichts. Schon länger hatte das Ehepaar das Gefühl, dass etwas nicht so ganz stimmt, kontaktierte den Bauherrn. Aber immer wieder habe dieser Gründe angeführt, die für eine Verzögerung gesorgt haben sollen, die mit ihm selbst nichts zu tun hätten.
Aber auch vieles andere hätte ihnen zu denken geben müssen, sagt der Käufer heute: Für die Auswahl von Bodenbelägen, Fliesen und Bad-Einrichtungen gab es beispielsweise keinen Bemusterungstermin, wie es eigentlich in der Branche üblich ist. Es gab nur eine kleine Auswahl an Bodenbelägen in einem staubigen Zimmer inmitten der Baustelle; die Sanitärmöbel sollten sich die Käufer im Fachhandel aussuchen und dann dem Bauherrn sagen, was sie wollen, beschreibt der Wohnungskäufer.

Auf Nachfragen bei der Baugesellschaft gab es hinhaltende Antworten oder gar keine. „Wir gehen davon aus, dass auch die Firmen schon seit 2023 kein Geld mehr gesehen haben“, sagt der Mann. Einige der laut Angaben des Bauherrn rund 30 Käufer sind nun miteinander im Kontakt, sie haben auch den Antrag auf Insolvenz gestellt, der beim Amtsgericht Montabaur vorliegt.
Auch der Vorwurf der Veruntreuung steht im Raum: „Wir gehen davon aus, dass er Geld von uns genommen hat, um seine anderen Gesellschaften am Laufen zu halten.“ Das Clemens-Carré ist das größte Bauprojekt des Unternehmers, der in mehreren Gesellschaften aktiv ist. Weitere Häuser und Wohnungen hat er in Montabaur oder Ransbach-Baumbach realisiert, auch da lief nicht alles einwandfrei, sagen Käufer. Auf aktuelle Nachfrage unserer Zeitung hat der Unternehmer nicht reagiert.
Paar schaut nach vorn und baut ein Fertighaus
Das Koblenzer Käufer-Ehepaar hat sich nun bewusst entschieden, nach vorn zu schauen. Sie haben in der Region ein Baugrundstück gekauft und lassen ein Fertighaus errichten. Regelmäßig bekommen sie hier Infos, wie der Stand der Dinge ist. Beim Bemusterungstermin gab es Champagner, sie wurden im Hotel untergebracht, damit sie nicht nach Hause fahren müssen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht, sagt der Käufer. Und trotzdem wäre die Wohnung im Clemens-Carré eben der Traum gewesen.

Koblenzer Clemens-Carré in Schieflage
Beste Koblenzer Innenstadtlage, exklusives Wohnambiente, imposante Pläne: Doch beim Clemens-Carré hakt es schon lange. Jetzt ist ein Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen der Projektgesellschaft eröffnet worden – von möglichen Wohnungs-Käufern.
Nicht nur für die verhinderten Käufer, auch für die Stadt Koblenz steht mit einer drohenden Insolvenz des Unternehmens aus Montabaur viel auf dem Spiel, auch wenn sie kein Geld verlieren würde. Denn dass der stadtbildprägende Bau zu einem langjährigen Leerstand würde, wäre auch städtebaulich ein Albtraum.

Anfang April hat eine Beratung zwischen Bauverwaltung und dem vorläufigen Insolvenzverwalter stattgefunden, berichtet der Koblenzer Baudezernent Andreas Lukas. „Die Herausforderung für eine Lösung liegt darin, dass einerseits von den circa 55 Wohneinheiten bereits über 30 veräußert worden sind. Andererseits wurde bei den Bauarbeiten das Rohbaustadium noch nicht ganz erreicht.“
Ziel sei nun, einen Investor zu finden, der das Projekt zu Ende baue, und dass sich alle Beteiligten auf einen Kompromiss verständigten. Das Zeitfenster dafür betrage etwa sechs Monate, solange das sogenannte Insolvenzantragsverfahren voraussichtlich noch läuft. „Ansonsten würde wohl das Insolvenzverfahren eröffnet werden, und es käme zu einer Zwangsversteigerung“, sagt Lukas weiter. Wer auch immer das Objekt erwirbt und das Projekt zu Ende bringe, dürfe sich der Unterstützung durch die Bauverwaltung sicher sein, so der Koblenzer Baudezernent.
Das sollte das Clemens-Carré werden
Die Beschreibungen im Internet sind verlockend: Von einer „exklusiven Residenz, die keine Wünsche offenlässt“, ist die Rede, von Wohnungen, die zwischen 32 und 196 Quadratmetern groß sind „Besondere Merkmale sind spektakuläre Ausblicke, exklusive Ausstattung, Balkon oder Loggia, eigenes Parkhaus, eigener Garten mit Teich.“ Auf Bebilderungen sieht man einen Ferrari im Wohnzimmer parken: In zwei der Wohnungen, deren Decken bis vier Meter hoch sein sollten, sollte es anfangs sogar einen Aufzug auch fürs Auto geben.
„Auch ein großzügiges Foyer mit über 150 Quadratmetern, das über eine verglaste Wand zum Innenhof einen Ausblick auf Garten und Teich anbietet, kann so realisiert werden.“ Das Dach erhalte eine Aufstockung um eine Etage und verleihe dem Gebäude „einen modern interpretierten, schlossartigen“ Charakter. „Ausgewählte Wohnungen bieten dann Aussichten bis hin zu Schloss Stolzenfels, zur Festung Ehrenbreitstein oder über die Dächer der Altstadt.“ Zu sehen ist davon (noch) nichts.