Das altehrwürdige und vor allem altsprachliche Koblenzer Görres-Gymnasium soll zum Schuljahr 2026/27 ein neusprachliches werden. Das hat der Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung mehrheitlich beschlossen. Der Entscheidung ging auch im Stadtrat eine ausführliche Debatte voraus. Die CDU hatte noch einen Änderungsantrag eingebracht, um aus ihrer Sicht noch einen Kompromiss zu finden.
Die Stimmen von CDU, AfD und Teilen der Freien Wähler reichten jedoch nicht, um den Änderungsantrag durchzubringen. In einer zweiten Abstimmung stimmten CDU (ohne Fraktionszwang) und AfD gegen die angestrebte Profiländerung. Doch die große Mehrheit setzte sich durch. Damit steht fest: Die Verwaltung wird beim Mainzer Bildungsministerium einen Antrag auf eine Profiländerung stellen. Gibt das Ministerium diesem statt, ist die dritte Fremdsprache in der Mittelstufe nicht mehr – wie bislang – verpflichtend. Nach monatelangen Beratungen hatte die Schulgemeinschaft (Lehrer, Schüler, Elternvertreter) dies mit einer Mehrheit von 70 Prozent befürwortet.

Nach dem favorisierten „Latein plus“-Modell fängt ein Zweig mit Englisch als erster Fremdsprache ab der fünften Klasse an, gefolgt von Latein oder Französisch ab der sechsten. Ein anderer Zweig beginnt – wie bisher – mit Latein ab der fünften Klasse und zusätzlich mit Englisch. In beiden Zweigen wäre die dritte Fremdsprache, sei es Altgriechisch oder Französisch, nicht mehr obligatorisch, weshalb das Görres seinen Status als altsprachliches Gymnasium verlieren würde.
Die Befürworter der Profiländerung erachten diesen Schritt als notwendig, damit die Anmeldezahlen wieder steigen. In diesem Schuljahr haben nur 34 Schülerinnen und Schüler ihre Abiprüfung abgelegt; gestartet ist der Jahrgang einst mit 65 Schülern. Aus Sicht der Befürworter werden zu viele Schüler von drei verpflichtenden Fremdsprachen (inklusive Latein) abgeschreckt: Viele melden sich erst gar nicht am Görres an, manchen bleibt keine andere Wahl, weshalb viele die Schule in der Mittelstufe wieder verlassen.

Die Gegner der Profiländerung – es gibt eine Onlinepetition mit rund 1200 Unterschriften – hatten in den vergangenen Wochen und Monaten hervorgehoben, dass es wichtig sei, in Koblenz – und in der weiteren Region als Alleinstellungsmerkmal – weiterhin ein altsprachliches Angebot unterbreiten zu können. Die CDU schlug nun in der Ratssitzung eine Profilergänzung vor: Parallel zum bisherigen altsprachlichen Gymnasium soll ein neusprachlicher Bildungsgang eingeführt werden. Dieses Modell hatte die Schulleitung nie richtig verfolgt, da die Schulaufsicht dafür keine rechtliche Grundlage sah. Offenbar hatte sich diese Ansicht inzwischen überholt. Dazu hatte die Schulleitung den zusätzlichen Organisationsaufwand als viel zu hoch bewertet.
„Neu- und Altsprachlichkeit sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden.“
Fabian Freisberg (CDU)
CDU-Ratsmitglied Fabian Freisberg hatte den Änderungsantrag als „gangbaren, friedensbringenden Weg“ begründet: „Neu- und Altsprachlichkeit sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden.“ Und weiter: „Um das richtige und wichtige Ziel der Steigerung der Schülerzahlen durch höhere Attraktivität und bessere Durchlässigkeit zu gewährleisten, ohne gleichzeitig das jahrhundertealte Profil mit altsprachlichem Fokus zu opfern, erscheint es uns sinnvoll, zwei getrennte Bildungsgänge, alt- und neusprachlich, gleichberechtigt anzubieten, um so, wenn auch mit erhöhtem Organisationsaufwand, das Alleinstellungsmerkmal der Altsprachlichkeit nicht zu verlieren.“
Dieses sei ein „positiver Standortfaktor und wichtige Aufgabe des Trägers, um ein breites, vielfältiges und qualitätsvolles Bildungsangebot vorzuhalten, das frei von religiösen Bindungen oder finanziellen Voraussetzungen ist“. Die Vermittlung des humanistischen Menschenbilds durch klassische Bildungsinhalte „abseits vom Mainstream mag heute eine Nische sein, verliert seine herausragende Bedeutung aber dadurch nicht“. Würde die dritte Fremdsprache freiwillig, wäre grade Altgriechisch in Koblenz „dem Tod geweiht, weil es keine Verpflichtung mehr gäbe, ein Griechisch-Angebot dauerhaft vorzuhalten und dafür auch entsprechende Lehrkräfte im Kollegium zu haben“. Es sei ein „radikaler Beschluss, die Altsprachlichkeit abzuschaffen“.
„Dabei machen Lateinklassen einem Deutschlehrer in Grammatik einiges vor.“
Joachim Paul (AfD)
Joachim Paul (AfD), selbst Lehrer, sagte: „Die altsprachlichen Zweige im Land sind auf dem Rückzug. Dagegen müsste mehr getan werden.“ Klassen mit alten Sprachen seien noch nie „übervölkert“ gewesen: „Dabei machen Lateinklassen einem Deutschlehrer in Grammatik einiges vor.“ Es gebe einen Trend, das Niveau zu senken und zu entdifferenzieren: „Davor warne ich. Denn es gibt nichts Demokratischeres als Unterricht in Latein und Griechisch. Wenn Sie mir die Werbung für die Schule übergeben würden, würden die Schüler der Schule in drei Monaten die Türen einrennen.“
Oberbürgermeister David Langner (SPD) stellte klar: „Es ist der Anspruch von allen Gymnasien und Schulen in Koblenz, einen qualitativ hochwertigen Unterricht anzubieten.“ Die Schulgemeinschaft des Görres-Gymnasiums habe sich sehr intensiv mit der Zukunftsfrage auseinandergesetzt und in einem zweistufigen Verfahren beraten. Es habe damit zweimal eine „klare, deutliche Mehrheit“ für die Profiländerung und das Modell Latein plus gegeben: „Wir sollten daher nicht einen Beschluss fassen, der gegen die breite Mehrheit der Schulgemeinschaft ist.“

Grünen-Fraktionschefin Kim Theisen sagte: „Schulleiterin Ute Mittelberg hat die Situation sehr nachvollziehbar erläutert. Wir finden es sehr schade, aber die Zahlen sprechen für sich.“ So hätten andere Schulen in Koblenz Probleme, Abgänger vom Görres-Gymnasium aufzunehmen, die schon zuvor lieber auf ein neusprachliches Gymnasium gegangen wären. Sie sagte weiter: „Der CDU-Antrag hat Charme. Aber die Schulleiterin hat sehr nachvollziehbar erläutert, dass der Organisationsaufwand eine zu hohe Belastung wäre.“
SPD-Fraktionschefin Marion Lipinski-Naumann sagte: „Wenn von anfangs 65 Schülern am Ende nur 34 die Abiprüfung ablegen, muss man sehen, dass irgendetwas nicht stimmt.“ Die Gesellschaft und die Anforderungen würden sich ändern. In Koblenz gebe es „großen Druck, weil es viel zu wenig Plätze an Gymnasien gibt“. Da könne es nicht sein, dass „zehn Schüler Altgriechisch lernen“, die anderen aber keinen Platz an einem Gymnasium hätten. Zudem sei es nicht gut, Schüler zu einer dritten Fremdsprache zu zwingen, obwohl sie es nicht wollten.
FW-Fraktionschef Stephan Wefelscheid sagte: „Wir als Schulträger stellen die Gebäude, sind aber nicht das Gremium, das sich um die Ausrichtung Gedanken macht.“ 70 Prozent der Schulgemeinschaft seien für eine Änderung: „Unser Auftrag ist, die Schule zu erhalten, dass sie nicht geschlossen wird.“

Koblenzer Görres-Gymnasium vor der Existenzfrage
Das Koblenzer Görres-Gymnasium soll zu einem neusprachlichen Gymnasium werden. Das wollen 70 Prozent der Schulgesamtkonferenz, Stadtverwaltung und die Mehrheit der Politik. Das Argument: Bleibt die Schule altsprachlich, ist ihre Existenz gefährdet.
Rudolf Kalenberg (CDU) befand: „Klar ist: Die Schülerzahlen veranlassen zum Handeln. Wir haben aber die Sorge, dass auch Latein verschwindet, wenn die Altsprachlichkeit so geschwächt wird.“ Dabei sei das ein weicher Standortfaktor, und es gehe auch um „Minderheitenschutz“, wenn die Schule altsprachliche Stärken habe. Er fragte: „Warum soll der höhere Aufwand nicht möglich sein? Andere Schulen in Koblenz haben auch Schwerpunkte, da geht es auch.“
Julia Kübler (FW), die auch Lehrerin ist, sagte: „Wenn man dem CDU-Antrag zustimmen würde, würde es eine weitere Verzögerung geben, und die Abwärtsspirale ginge immer weiter.“ Das Profil des Görres-Gymnasiums sage bei den Schülerzahlen nicht zu: „Wir müssen die Schule unterstützen.“
Anna Köbberling (SPD) meinte: „Frau Mittelberg hat sehr eindrucksvoll erläutert, warum das Modell, wie von der CDU vorgeschlagen, nicht weiter verfolgt wurde: weil es nicht durchführbar und das schlechteste von allen ist.“ Es sei auch nachvollziehbar, dass man sich an der Schule wieder eine Mehrheit an Kindern wünsche, für die das Görres erste Wahl sei: „Das ist dann eine ganz andere Atmosphäre.“

Koblenzer Görres-Gymnasium sucht neues Profil
Die Diskussionen sind in den vergangenen Wochen intensiv geführt worden: Bleibt das Koblenzer Görres-Gymnasium bei seinem altsprachlichen Profil – und lebt damit, dass die Schülerzahlen sinken? Oder geht die Schule einen neuen Weg?
FDP-Fraktionschef Christoph Schöll sagte: „Das Görres war eine Eliteschule, doch die Zeiten haben sich geändert. Die Bewerberzahlen sind in erster Linie entscheidend für die Frage, ob eine Schule eine gute oder weniger gute ist.“ Klar sei: „Wenn wir das Profil ändern, muss der Lehrkörper Leistung zeigen und die Schule wieder zu dem machen, was sie mal gewesen ist.“
Isabelle Cofflet (AfD) sagte: „Bildung und die Werterhaltung von Kultur sind keine Frage von Nützlichkeit. Sondern die Frage ist, welche Traditionen wir erhalten wollen.“ Kevin Wilhelm (Die Linke-Partei): „Aus ideologischen Gründen sind CDU und die Rechtsextremen der AfD gegen die Neuausrichtung, die nicht nur notwendig, sondern auch von der breiten Mehrheit gewünscht ist.“ Edgar Kühlenthal (FW) sagte: „Warum geben wir ohne Not ein interessantes, wichtiges und herausforderndes Angebot auf?“ Man müsse es für Eltern vorhalten, die genau das für ihre Kinder suchten.
Florence Klose (CDU) meinte: „Wir halten Gleichmacherei für falsch. Man muss überzeugt sein von seinem Angebot, etwa beim Tag der offenen Tür, und darf es nicht von vornherein schlecht machen.“