Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittelt wegen Misshandlungsvorwürfen gegen Mitarbeiter des ukrainischen Kinderheims, das in einem Teil des CJD Berufsförderungswerkes in Vallendar untergebracht ist. Wie die Strafverfolgungsbehörde auf Nachfrage bestätigt, lautet der Vorwurf auf die Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 des Strafgesetzbuches.
Nach Informationen unserer Zeitung befragte bereits Ende vergangenen Jahres die Koblenzer Kriminalpolizei ehemalige Mitarbeiterinnen der Einrichtung, diese berichteten von körperlichen und verbalen Misshandlungen gegenüber Kindern und Jugendlichen, von denen die meisten mehrfach körperlich und geistig schwer behindert sind. In der Folge gab es im Dezember eine Hausdurchsuchung. Dabei stellten die Behörden Mobiltelefone und weitere „potenzielle Beweismittel“ sicher, auch seien die Bewohner hinsichtlich möglicher Verletzungen in Augenschein genommen worden, so die Staatsanwaltschaft weiter.
Im März 2022 in Deutschland angekommen
Das ukrainische Kinderheim wurde kurz nach Beginn des russischen Angriffs 2022 aus der Nähe von Odessa in der Südukraine nach Deutschland verlegt. Im März erreichten die drei Dutzend Kinder und Jugendlichen, darunter Waisen, gemeinsam mit Betreuern und weiteren ukrainischen Flüchtlingen Vallendar und wurden im Gästehaus des Koblenzer Berufsförderungswerkes untergebracht. Die Einrichtung war in einer Nacht- und Nebelaktion unter anderem unter Beteiligung des polnischen Regierungsfliegers nach Deutschland gebracht worden.
Die Bitte, Räumlichkeiten für das Kinderheim bereitzustellen, kam von höchster Stelle, auch das Bundespräsidialamt war beteiligt. Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Jürgen Dusel, sowie der damalige Landesbeauftragte, Matthias Rösch, unterstützten die Hilfsaktion neben vielen anderen. Dusel betonte seinerzeit, es sei entscheidend wichtig, dass das Leid, das die Menschen aus der Ukraine erlebt haben, möglichst schnell positiv gewendet werde. „Wir haben gesagt, da ist Hilfe notwendig, und wir haben uns eben nicht gefragt: Wie kriegen wir das bezahlt? Sondern jetzt ist erst mal Hilfe angesagt“, betonte damals Petra Densborn als Vorstandsmitglied des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschlands (CJD). Sie sprach von einer „sehr besonderen Aufnahmesituation“.
Vallendar. „Dieser Abend wird uns noch lange in Erinnerung bleiben“, sagt Petra Densborn. Sie blickt zurück auf den Abend Ende März, als sie als Vorstandsmitglied des Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands eine Gruppe mit 36 blinden, sehbehinderten und mehrfach schwerbehinderten ukrainischen ...Flucht vor Krieg: Kinderheim findet in Vallendar ein neues Zuhause
Auf Nachfrage äußert sich die Einrichtungsleitung des ukrainischen Heims gegenüber unserer Zeitung nicht zu den Ermittlungen und möglichen Vorfällen. Auch eine E-Mail an das ukrainische Sozialministerium blieb bis zur Fertigstellung dieses Artikel unbeantwortet. Das Berufsförderungswerk sagt in einer Stellungnahme: „Ende 2024 wurden bei der Polizei uns nicht näher bekannte Anschuldigungen gegen verschiedene Mitarbeitende der ukrainischen Einrichtung erhoben. Wir haben allen Behörden unsere Mitarbeit bei der Aufklärung zugesichert.“ Auch mit den ukrainischen Behörden stehe man in Kontakt. „Bis zum heutigen Tag kennen wir keine Ergebnisse der Ermittlungen. Uns ist nicht bekannt, dass sich die Anschuldigungen bis dato erhärtet haben.“
Einrichtung „sui generis“
Das Berufsförderungswerk weist darauf hin, alles dafür getan zu haben, dass die „notwendigen organisatorischen und pflegerischen Rahmenbedingungen geschaffen“ worden seien, um eine passende behindertengerechte Umgebung zu schaffen. Die Rede ist zudem von einem „engmaschigen“ medizinischen Netz. Es erfolgten regelmäßige Arztbesuche und Visitationen am Ort, therapeutische Maßnahmen ergänzten das medizinische Angebot.
Das Werk mit Sitz in Vallendar verweist allerdings auch darauf: Nach deutschem Recht handele es sich weder um eine Einrichtung der Eingliederungshilfe noch der Jugendhilfe, die ukrainische Einrichtung sei eine Einrichtung „sui generis“, also für sich stehend, eigenständig. Die Vormundschaft aller jungen Menschen liege bei der ukrainischen Heimleitung. Auch vom Jugendamt des Landkreises Mayen-Koblenz heißt es über die Pressestelle: „Es handelt sich weder um eine Einrichtung im Sinne der Eingliederungshilfe noch der Jugendhilfe.“ Generell sei es so, dass das Jugendamt bei Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung diesen sofort im Rahmen der eigenen Möglichkeiten nachgehe, wenn sich die Vorwürfe erhärteten, würden Maßnahmen zum Kinderschutz beziehungsweise der Abwendung der Gefährdung eingeleitet.
Ermittlungen laufen seit sechs Monaten
Im Hinblick auf das laufende Verfahren können man derzeit keine weiteren Auskünfte erteilen, die polizeilichen/staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen liefen noch, heißt es vom Jugendamt. Ähnlich äußert sich das Berufsförderungswerk. Die Staatsanwaltschaft erläutert auf erneute Rückfrage zur Dauer der Ermittlungen, die umfangreichen Aus- und Bewertungen der sichergestellten Beweismittel würden Zeit benötigen, sodass eine Ermittlungsdauer von sechs Monaten nicht ungewöhnlich sei. „Aktuell ist eine Vielzahl an Zeugen zu vernehmen. In diesem Zusammenhang wird auch zu prüfen sein, ob es nach den Durchsuchungsmaßnahmen zu weiteren, strafrechtlich relevanten Vorfällen gekommen ist.“