Spurensuche in derNeuendorfer Straße:Historische Häusersind Symbol fürselbstbewusste Bürger
Spurensuche in der Neuendorfer Straße: Historische Häuser sind Symbol für selbstbewusste Bürger
Unter den im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in Lützel errichteten Gebäuden sticht die „Villa“ in der Neuendorfer Straße hervor. Fotos: Kallenbach
Reiinhard Kallenbach

Ein aufwendig gestaltetes schmiedeeisernes Tor, in dessen Mitte sich ein Bäumchen und zwei Hasen befinden, die das Namensschild des Bauherren halten: Auch heute noch staunt so mancher Passant darüber, welchen Aufwand der Auftraggeber einst betrieben hat. Dieser hatte seinerzeit gute Gründe: Zu seinem prächtig gestalteten Haus in der Neuendorfer Straße sollte es natürlich auch einen repräsentativen Zugang geben. Das geschaffene Gesamtbild beeindruckt noch heute.

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Unter den im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in Lützel errichteten Gebäuden sticht die „Villa“ in der Neuendorfer Straße hervor. Fotos: Kallenbach
Reiinhard Kallenbach

Das im Stil einer Villa errichtete Haus ist immer noch ein Symbol für das große Selbstbewusstsein wohlhabender Bürger in der Blütephase des Deutschen Kaiserreichs. Wer der Bauherr des im Stil der Neurenaissance gestalteten Gebäudes war? Verantwortlich zeichnete der Lützeler Bauunternehmer und Architekt Jacob Friedhofen.

Beim Studium der historischen Bauakten im Koblenzer Stadtarchiv stößt man immer wieder auf den Namen dieses Mannes. Fest im heimischen Handwerk verwurzelt, gelang es ihm, ein Unternehmen aufzubauen, das das Bild der einstigen preußischen Provinzhauptstadt im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mitgeprägt hatte.

Es war die Zeit, in der der private Wohnungsbau eine Blüte erreicht hatte. Die Voraussetzungen waren mit der schrittweisen Beseitigung der Stadtbefestigung geschaffen worden, was die Neueinrichtung ganzer Straßenzüge ermöglichte. Und so gab es nicht nur in der Innenstadt oder in der Südlichen Vorstadt gravierende Veränderungen, sondern eben auch in Lützel, das 1891 gemeinsam mit Neuendorf eingemeindet wurde.

War die Gemeinde Lützel, die im 17. Jahrhundert komplett zerstört wurde und erst in preußischer Zeit neu erstehen konnte, zunächst vom Militär und später vom Siegeszug der Eisenbahn geprägt, wurden mit der Zeit Möglichkeiten geschaffen, auch hier imposante Wohnhäuser zu errichten. Zu dieser Gruppe gehörten die um 1900 errichteten mehrgeschossigen Gebäude im westlichen Abschnitt der Neuendorfer Straße und in der Blumenstraße.

Das Haus von Jacob Friedhofen hatte jedoch eine Sonderstellung. Da es der Bauunternehmer für sich selbst entwarf und baute, hebt es sich wegen der vom Bauherrn betriebenen Sorgfalt von vielen anderen Koblenzer Wohngebäuden aus dieser Zeit ab. Zwar spiegeln sich auch an diesen die unterschiedlichsten Baustile wider, doch wirkte vieles wie aus dem Baukasten. Diese Gestaltungsweise wurde später unter dem wenig schmeichelhaften Begriff Eklektizismus abgetan, der für eine unoriginelle, unschöpferische oder unkünstlerische Arbeitsweise steht. Kein Wunder: Auch damals wurden vor allem Mietshäusern nach Standards gebaut. Das galt für Grundrisse sowie für die innere und äußere Gestaltung. Es war ja bereits möglich, Stuck- und andere Zierelemente aus Musterkatalogen bestellen.

Das schmiedeeiserne Tor in der Neuendorfer Straße erinnert auch heute noch an den Bauunternehmer und Architekten Jacob Friedhofen.
Reinhard Kallenbach

Dieses Vorgehen lag vor allem auch an den Kosten. Mit der Einhaltung gewisser Standards wurden natürlich auch langwierige Genehmigungsverfahren ausgeschlossen. Auch hier lohnt der Blick in die Bauakten: Die Entscheidungswege der Verwaltung waren damals erstaunlich kurz und schnell. Längere Auseinandersetzungen zwischen Behörden und Bauherren waren relativ selten.

Auch vor diesem Hintergrund fällt das 1901 fertiggestellte dreigeschossige Haus Neuendorfer Straße 6 völlig aus dem Rahmen: Hier schöpfte Jacob Friedhofen aus dem Vollen, nicht nur in Sachen Gestaltung, sondern auch bei der Vielfalt der verwendeten Materialien. Auch im Inneren spiegelten sich die Ansprüche des Bauherrn wider. Und selbstverständlich gab es auch Zimmer fürs Personal.

Insgesamt gesehen steht das Friedhofen-Haus für die Spätphase des Historismus, denn trotz des betriebenen Aufwands wirkt nichts überladen. Dass nur wenige Jahre später eine Zeitenwende eintreten sollte, zeigt sich auch heute noch auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Hier befindet sich die 1906 fertiggestellte, zurückhaltende ornamentierte Wohnanlage Maifeld Hof, für den der Metternicher Bauunternehmer Peter Schneider verantwortlich zeichnete. Vor allem im Dachbereich zeigt sich, dass Barock- und Renaissanceelemente allmählich ausgedient hatten. An ihre Stelle waren Putzbänder getreten, der Jugendstil war auch für die Alltagsarchitektur entdeckt worden – doch nur für eine kurze Zeit. Schließlich sollten Ornament und vielfältige Fassadengliederungen zugunsten einer Einheitsarchitektur verschwinden. Über die Folgen für das Koblenzer Stadtbild ließen sich ganze Bücher füllen.

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