Mit einer Lesung und Livemusik gedachten Lehrer und Schüler der Carl-Benz-Schule gemeinsam mit weiteren Gästen in der Aula dem Tag der Befreiung am 8. Mai 1945. Hierzu hatten die Veranstalter, das Kultur- und Schulverwaltungsamt sowie der DGB Koblenz, Kinder von Zeitzeugen eingeladen. So las Joram Bejarano aus den Lebensbeschreibungen seiner Mutter Esther (1924–2021), die das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau überlebt hatte. Seit 2022 ist nach ihr ein Weg unweit des Deutschen Ecks benannt. Zusammen mit dem Rapper Kutlu Yurtseven und dem Swinginterpreten Django Reinhardt sorgte der Sohn auch für den musikalischen Teil der Veranstaltung.
Bei ihrer Begrüßung wies Schulleiterin Isabelle Nieder-Raspiller darauf hin, dass insbesondere das Schulwesen Verantwortung trage, die Erinnerung lebendig zu halten. Dies gelte nicht nur in Bezug auf die Opfer, sondern auch für die jetzige Generation und künftige. „Es liegt an uns, eine Gesellschaft zu schaffen, in der Vielfalt geschätzt und respektiert wird“, betonte die Schulleiterin.
Esther Bejarano gelang auf einem der berüchtigten Todesmärsche 1945 die Flucht
Im Anschluss begann Joram Bejarano mit seiner Lesung aus den Aufzeichnungen seiner Mutter, die im Saal auf große Aufmerksamkeit stieß. Esther Bejarano kam 1924 in Saarlouis als Tochter jüdischer Eltern zur Welt. Über Ulm kam die Heranwachsende nach Berlin, wo Vorbereitungen für ihre baldige Auswanderung nach Palästina getroffen wurden. Mit dem Ausbruch des Krieges zerschlug sich die Verwirklichung des Plans, sodass die Schergen des nationalsozialistischen Regimes die mittlerweile 16-Jährige dazu nötigten, als Zwangsarbeiterin in einem Blumenladen in Fürstenwalde zu arbeiten. Währenddessen hatte man ihre Eltern bereits ermordet, wovon sie erst bei Kriegsende erfuhr.
Esther, die damals noch ihren Mädchennamen Loewy trug, wurde 1943 nach Auschwitz deportiert. Dort fand sie einen Platz im sogenannten Mädchenorchester, in dem sie Akkordeon spielte – ein Instrument, das die ursprüngliche Pianistin binnen kürzester Zeit erlernte. Das von ihr vorgetragene Lied zur Aufnahmeprüfung war „Du hast Glück bei den Frau'n, Bel Ami“ – ein 1939 erschienener Schlager, der sich im Dritten Reich großer Beliebtheit erfreute. Im November 1943 wurde Esther in das Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück in Brandenburg überführt.
Schließlich gelang ihr auf einem der berüchtigten Todesmärsche 1945 noch vor Kriegsende die Flucht. Bereits im selben Jahr reiste sie nach Palästina aus, wo sie ihren Mann kennenlernte, mit dem sie zwei Kinder bekam, darunter Joram Bejarano. 1960 kehrte sie, unter anderem wegen des politischen Klimas in ihrer neuen Heimat, nach Deutschland zurück und ließ sich in Hamburg nieder. In der Folge stand sie als Sängerin mit zahlreichen, zur damaligen Zeit prominenten Künstlern auf der Bühne, darunter Harry Belafonte und Hannes Wader, später aber auch mit Sängern wie Udo Lindenberg.

Seit 2007 bestand der Kontakt mit der deutsch-türkisch-italienischen Rapgruppe Microphone Mafia aus Köln, mit der Esther Bejarano gemeinsam Langspielplatten aufnahm und mit der sie auf Tournee ging. Dabei erzählte sie im ersten Teil der Bühnenauftritte aus ihrem Leben, während der zweite Teil der Musik der Band vorbehalten war.
Einen ähnlichen Ablauf sah das Programm in der Aula der Carl-Benz-Schule vor. Dabei unterstützte Joram Bejarano den Rap von Kutlu Yurtseven, Mitglied bei Microphone Mafia, auf der Bassgitarre. Hin und wieder erklang aus dem Off die Stimme seiner Mutter. Ein weiterer musikalischer Gast stieß später zum Duo, um dem Rap eine swingende Note zu verleihen: Django Reinhardt drehte mit dem bereits erwähnten Schlager „Bel Ami“ das Rad der Zeit zurück.
Der für die Belange von Sinti und Roma sehr engagierte Reinhardt wusste mit dem Hit „Quando, quando, quando“ sogleich noch eine Zugabe darzubieten. Derweil hatten sich die Schüler der Carl-Benz-Schule nicht mit der Rolle der reinen Zuhörer begnügt. Im Vorfeld hatten sie zwei Bilder mit den Titeln „Krieg“ und „Frieden“ entworfen, die sie neben der Bühne platziert hatten.