Selten ist die Einigkeit unter den Koblenzer Parteien und Wählergruppierungen so groß gewesen: In einem offenen Brief hat sich der Großteil der Fraktionen an Oberbürgermeister David Langner (SPD) gewandt. Die Stadträte fordern ihn auf, in Sachen Grundsteuerreform in Mainz zu intervenieren. Mit im Boot sind die Sozialdemokraten – die den Brief initiiert haben – und die Grünen, auch CDU und Linke-Partei (sonst eher keine natürlichen Bundesgenossen) sind mit dabei, zudem Freie Wähler ebenso wie die FPD und die Wählergruppe Schängel. Nicht auf dem Schriftstück vertreten, das unserer Zeitung vorliegt, ist die Koblenzer AfD, die sich indes in der Vergangenheit ebenfalls kritisch zur Ausgestaltung der Grundsteuerreform geäußert hat und „viele Verlierer“ befürchtet.
Oberbürgermeister soll das Land kontaktieren
Die Parteivertreter von Links bis konservativ fordern den Rathauschef dazu auf, er möge „nochmals Kontakt mit dem Land Rheinland-Pfalz beziehungsweise der zuständigen Ministerin Doris Ahnen aufnehmen, mit dem Ziel, dass das Land ein eigenes Landesgrundsteuergesetz erlassen wird“. Die Fraktionen begründen den Vorstoß inhaltlich wie folgt: „Durch die Anwendung des vereinfachten Sachwerteverfahrens bei den Geschäftsgrundstücken kommt es unseres Erachtens nach zu einer Schieflage.“ Die privaten Eigentümer von Wohngebäuden müssten demnach ein Vielfaches an Grundsteuer B zahlen - „zugunsten der Eigentümer von Geschäftsgrundstücken“. Unter der Voraussetzung der aufkommensneutralen Einnahmen der Stadt Koblenz bedeute dies für die privaten Eigentümer von Immobilien eine deutliche Erhöhung der Grundsteuer B.

Selbst ist die Stadt
Die Städte und Gemeinden benötigen mehr Möglichkeiten, die Situation vor Ort im Sinne der eigenen Kassen wie auch der Bedürfnisse der Bürger selbst auszusteuern, meint RZ-Redaktionsleiter Peter Meuer.
In Koblenz – die natürlich derzeit nicht die einzige Stadt mit derartigen Debatten ist – kommen mehrere Punkte zusammen. Aufgrund der Grundsteuerreform gelten Gewerbegrundstücke nun nach mancher Lesart als bevorzugt, während private Hausbesitzer mehr zahlen müssen. Zwar soll die Grundsteuerreform „aufkommensneutral“ gestaltet werden, was heißt, dass unterm Strich die Kommunen insgesamt nicht mehr einnehmen sollen. Um aber auch nur das im Rahmen der Reform zu erreichen, muss Koblenz seine Steuer-Hebesätze anpassen, darunter auch die Grundsteuer B (laut dem Stadtrat von Ende Oktober steht eine Erhöhung von 420 auf 551 v.H. an). In Summe werden diese unterschiedlichen Effekte, so fürchten es zahlreiche Kommunalpolitiker, in Koblenz dazu führen, dass private Hausbesitzer sehr viel stärker belastet werden. „Das ist einfach sozial ungerecht“, sagt die SPD-Fraktionschefin Marion Lipinski-Naumann. Sie fürchtet, dass vor allem „Einfamilienhausbesitzer stärker betroffen sein werden“. Ergänzend muss man sagen, dass die Gewerbesteuer aufgrund des klammen Koblenzer Haushaltes ebenfalls steigen könnte, an der Stelle müssten Gewerbetreibende dann ebenfalls mehr zahlen.
Teurer für Hausbesitzer
Christoph Schöll, Fraktionsvorsitzender der Koblenzer FDP, beschäftigt sich besonders intensiv mit der Causa, er ist auch Vorsitzender von Haus & Grund Rheinland-Pfalz. Er sagt: „Das Schreiben der Fraktionen bezieht sich auf die Belastungsverschiebung Wohnen versus Gewerbe“. Früher sei der Anteil Wohnen am Gesamtaufkommen 40 Prozent gewesen, nun liege er bei 60 Prozent. Andere Bundesländer hätten daraufhin die Steuermesszahlen Wohnen/Gewerbe geändert, um die Verteilung auch künftig ähnlich zu gestalten, nicht so Rheinland-Pfalz. „Wohnen verteuert sich durch diese Belastungsverschiebung.“

Grundsteuerreform macht das Wohnen noch teurer
Für die meisten Bürger, egal ob Eigentümer oder Mieter, dürfte die Reform teuer werden. Viele Städte und Gemeinden wollen noch die Hebesätze vor Inkrafttreten anheben, weil sie Einkommensverluste befürchten.
Entweder müsse nun eine Anpassung der Steuermesszahlen erfolgen, oder die Kommune müsse die Möglichkeit haben, unterschiedliche Hebesätze für Privatgrundstücke und Geschäftsgrundstücke festzusetzen, heißt es im offenen Brief der Stadträtinnen und Stadträte. Der Brief verweist darauf, dass sich die Länder und das Bundesfinanzministerium zwar schon „früh“ auf das Bundesmodell für die Grundsteuerreform verständigt haben. Aber: Es gebe aufgrund einer entsprechenden Grundgesetzänderung die Möglichkeit, ein eigenes Grundsteuermodell oder abweichende Landesregelungen einzuführen, heißt es weiter. In eine solche Richtung soll OB Langner nun Gespräche führen, so die Forderung der Fraktionen.
„Wir haben über den Städtetag schon lange deutlich gemacht, dass das jetzige System keine gute Lösung ist.“
Oberbürgermeister David Langner (SPD)
„Ich werde das Meinungsbild des Stadtrates gerne der Finanzministerin übermitteln“, kündigte Langner am Dienstagnachmittag auf Nachfrage unserer Zeitung an. „Im Übrigen bin ich über den Städtetag in dieser Angelegenheit schon geraume Zeit mit dem Land im Gespräch.“ Mit der Kritik des Stadtrates stimme er grundsätzlich überein, betonte der Koblenzer Oberbürgermeister. „Wir haben über den Städtetag schon lange deutlich gemacht, dass das jetzige System keine gute Lösung ist.“ Langner bringt zum Ausdruck, dass er eigene Steuermesszahlen für Rheinland-Pfalz für einen gangbaren Weg hält. „Für mich ist die Variante unterschiedlicher Hebesätze für Wohn- und Gewerbegrundstücke in den Kommunen nur die zweitbeste Lösung. Denn so sollen die Kommunen plötzlich für die verunglückte Reform die Verantwortung übernehmen und die Mehrarbeit und das Prozessrisiko tragen.“