Bürogebäude in Metternich
Silicon Valley von Koblenz: Pier56 soll junge Unternehmen locken
Der Ausblick aus der obersten Etage kann sich sehen lassen.
Kevin Rühle. Kevin Ruehle

Im Herbst sollen in das neue Bürogebäude in Koblenz-Metternich junge Unternehmen einziehen, die drauf und dran sind, erwachsen zu werden. Warum der Standort des Pier56 dabei so entscheidend ist – und wie Koblenz von dem Millionenbau profitieren soll.

Der Ausblick aus dem vierten Stock des Pier56 ist überragend: Vorne fließt die Mosel unter der Kurt-Schumacher-Brücke her in Richtung Deutsches Eck, am anderen Ufer ragen die Hochhäuser der Debeka im Koblenzer Rauental heraus, im Hintergrund verschmelzen die Hügel der rechten Rheinseite mit dem blauen Himmel. In einigen Monaten werden manche diesen Blick von ihrem Arbeitsplatz aus genießen können. Dabei war die Aussicht gar nicht ausschlaggebend für den Standort des modernen Bürogebäudes in Metternich. Der Grund liegt viel tiefer – beziehungsweise direkt daneben.

Ein Ankerplatz für digitale Unternehmen

Rund 16 Millionen Euro investiert die Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WFG) der Stadt in den Bau des sechsgeschossigen Blocks. 4600 Quadratmeter Bürofläche entstehen hier seit Sommer 2023 am Metternicher Moselufer, direkt neben dem Technologiezentrum (TZK). Ab Herbst dieses Jahres will die WFG das neue Bürogebäude an junge Unternehmen aus der digitalen Wirtschaft vermieten. „Wir vermieten zu marktüblichen Konditionen“, sagt Jan Hagge, WFG-Prokurist und TZK-Geschäftsführer, bei einer Führung durch das Pier56 unserer Zeitung.

Neben dem Technologiezentrum Koblenz in der Universitätsstraße entsteht derzeit das neue Bürogebäude Pier56.
Kevin Rühle. Kevin Ruehle

Der Standort ist ganz bewusst gewählt. Das Pier56 soll der große Bruder des Technologiezentrums werden, erklärt Hagge: „Das Technologiezentrum ist ja ein Gründungszentrum. Das heißt, wir vermieten für die ersten fünf bis maximal acht Jahre an die Unternehmen. Die sollen dort wachsen und sich gut entwickeln und müssen dann aber auch ausziehen. Mit dem Pier56 wollen wir sagen: Bleibt hier direkt am Standort.“ Das „kleine Silicon Valley“ von Koblenz, wie es Hagge formuliert, wird damit nicht nur komplettiert, sondern auch erwachsen – ebenso wie angesiedelte Firmen.

Ein Beispiel dafür ist die Sdui GmbH. Nach knapp sieben Jahren im TZK wird das junge Unternehmen in die oberste Etage des Pier56 – die mit der tollen Aussicht – umziehen. Sdui hat eine Software entwickelt, die den Alltag in Schulen digitalisiert. Stundenpläne können zum Beispiel über eine App aufgerufen werden, über Chats läuft die schulinterne Kommunikation.

Jan Hagge, Geschäftsführer des Technologiezentrums Koblenz und Prokurist bei der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt
Kevin Rühle. Kevin Ruehle

Sdui-Gründer Daniel Zacharias sagt, das Pier56 ist die perfekte Option, um in der Heimat zu wachsen. „Wir sind ein Koblenzer Unternehmen, wir haben hier gegründet und wir haben gesagt: Wir wollen auch weiterhin hier bleiben.“ Die vierte Etage des Pier56 werde das neue Hauptquartier von Sdui, 50 bis 70 Angestellte sollen dort arbeiten, so Zacharias, der glaubt: „Das Pier56 ist ein ganz wichtiges Gebäude fürs Koblenzer Ökosystem.“ Neben Sdui steht auch schon fest, dass der Koblenzer Softwareentwickler Brickmakers eine große Fläche beziehen wird. Mit vielen anderen Mietern sei man in finalen Verhandlungen, sagt Jan Hagge.

Daniel Zacharias, Gründer und CEO der Sdui Group
Kevin Rühle. Kevin Ruehle

Den Weg von Sdui – raus aus dem TZK, rein ins Pier56 – sollen in Zukunft viele Firmen gehen. TZK-Geschäftsführer Hagge betont, wie wichtig digitale Unternehmen vor Ort für den Wirtschaftsstandort Koblenz sind: „Viele haben eine regionale Verwurzelung und Kooperationen mit bestehenden Unternehmen. Sie können damit letztlich Digitalisierungsthemen auch bei anderen positiv voranbringen.“

Mit dem Pier56 wolle man die Wirtschaftsentwicklung in der Stadt etwas steuern. Profitieren wird aus Hagges Sicht auch der Fachbereich Informatik an der Universität, dadurch, dass es Unternehmen direkt vor Ort gibt, die mit dem Fachbereich kooperieren können.

Projekt Pier56 in der Nähe der Koblenzer Hochschule. Neben dem Technologiezentrum Koblenz (TZK) entsteht Bürofläche für Unternehmen der digitalen Wirtschaft.
Kevin Rühle. Kevin Ruehle

Bis zu 18 Mieteinheiten kann das Pier56 beherbergen. Die Büroflächen starten bei einer Größe von 200 Quadratmetern und können, wie im Falle von Sdui, auf bis zu 1000 Quadratmeter ausgeweitet werden. „Wir wollen flexibel bleiben, ob wir eine Etage vierteln, halbieren oder im Ganzen vermieten möchten“, erklärt Hagge.

Guido Fries, Geschäftsführer des Architekturbüros Fries in Vallendar, bestätigt, dass die absolute Flexibilität bei der Planung des Pier56 oberste Priorität hatte. „Wir müssen in der Gesamtkonstruktion so flexibel sein, dass wir auf jeden Wunsch reagieren können. So sind die Geschosse entstanden, mit jeweils vier möglichen Aufteilungen.“ Ziel sei zudem gewesen, so viel Grundstücksfläche wie möglich in Bürofläche zu verwandeln.

Aus Sicht des Architekten sticht die Fassade heraus: Hohe Fensterfronten wechseln sich mit dünnen weißen und breiteren schwarzen Elementen ab. „Durch das energetische Konzept durften wir nicht zu viel verglasen, sondern mussten auch mit geschlossenen Wandflächen arbeiten“, sagt Fries. „Trotzdem soll die Fassade sehr leicht wirken und unverwechselbar.“

Nicht nur zwischen Pier56, der Uni und dem TZK strebt die Wirtschaftsförderungsgesellschaft einen regen Austausch an. Im Erdgeschoss wird es zudem einen gemeinsamen Aufenthaltsbereich mit Cafeteria geben, in dem sich die Unternehmen aus dem Bürogebäude vernetzen können. Beim Innenausbau wird mittlerweile an nahezu allen Gewerken gearbeitet. Bauleiter Frank Höser ist zuversichtlich, dass die Fertigstellung bis Herbst gelingt.

Guido Fries, Geschäftsführer Fries Architekten
Kevin Rühle. Kevin Ruehle

Daniel Zacharias sieht das Pier56 beim Rundgang mit unserer Zeitung zum ersten Mal von innen. Auf der obersten Etage, dem neuen Sdui-Hauptquartier, angekommen, kommt bei ihm Vorfreude auf. „Hier zu stehen und über die Koblenzer Skyline zu schauen, ist ein fantastisches Gefühl“, schwärmt Zacharias. Sein Büro wird er aber aller Voraussicht nach nicht in Richtung Mosel beziehen, sondern mit Blick auf die L52 und die Universität. Den Ausblick gönnt er lieber anderen. „Ich bin sowieso so viel unterwegs.“ Zum Beispiel zu den anderen Standorten der Sdui Group, die es mittlerweile europaweit gibt. Der wichtigste aber bleibt in Koblenz – und wird schon bald die Anschrift des Pier56 haben.

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