Eine vermeintliche Energieberatung will in Bendorf Termine ausmachen, angeblich in offizieller Mission - Die Stadt warnt
Seltsame „Firma“ ruft den Falschen an: Bendorfer Altbürgermeister wittert Abzocke – und weiß, was zu tun ist
Hans-Josef Stuhlträger: Der frühere Bendorfer Bürgermeister wurde wie andere von einer angeblichen Energieberatung angerufen. Foto: Peter Meuer
Peter Meuer

In den vergangenen Wochen haben nebulöse Anrufe Bendorfer Haushalte erreicht. Angeblich in offiziellem Auftrag boten Firmen Energieberatungen für alte Häuser an. Auch den Bendorfer Altbürgermeister Hajo Stuhlträger erreichte ein entsprechender Anruf. Der erfahrene Verwaltungsexperte wurde misstrauisch - und beschloss, der Sache nachzugehen.

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Hans-Josef Stuhlträger: Der frühere Bendorfer Bürgermeister wurde wie andere von einer angeblichen Energieberatung angerufen. Foto: Peter Meuer
Peter Meuer

Ein Morgen im November: Im Hause Stuhlträger klingelt das Telefon. Als Hans-Josef Stuhlträger abhebt, ist sein erster Eindruck kein schlechter. Die Frau am anderen Ende der Leitung ist freundlich und beredt. Sie sagt, sie sei von einem Ingenieurbüro. Dieses wäre beauftragt – und zwar von offizieller Stelle – für Energieberatungen in Bendorf ältere Gebäude unter die Lupe zu nehmen. „Tatsächlich hat unser Haus einige Jahrzehnte auf dem Buckel“, denkt sich Stuhlträger im ersten Moment und hört sich an, wie die Anruferin von Fördermöglichkeiten und Wärmeisolierung spricht.

Doch es dauert nur einige Augenblicke, da wird der 81-Jährige misstrauisch. Die Frau will schon am nächsten Tag einen Fachmann vorbeischicken. Ein rasantes Vorgehen. Welche Behörde die Firma beauftragt hat und wie das Unternehmen überhaupt heißt, sagt die Stimme am anderen Ende laut Stuhlträger auch auf Nachfrage nicht. Er beendet das Gespräch, doch es lässt ihm keine Ruhe. War das ein Abzockversuch? Was wäre passiert, wenn er darauf eingegangen wäre? Warum nannte die Frau nicht Ross und Reiter?

Verschiedene Maschen

Telefonbetrug beschäftigt die Polizei immer wieder. Es ist ein Katz- und Mausspiel: Die Anrufer denken sich ständig Maschen aus, die Polizeibehörden müssen wieder und wieder reagieren, arbeiten sich in die neuen Methoden ein, ermitteln, warnen. Manchmal schüchtern die Anrufer ihre Opfer – oft ältere Menschen – ein und bauen Drohkulissen auf, manchmal umschmeicheln sie, manchmal spielen sie mit Ängsten. Oft soll eine Situation geschaffen werden, in der am Ende die Opfer Geld herausgeben oder Fremde ins Haus lassen, die dann zulangen. Das vielleicht bekannteste Beispiel ist der sogenannte Enkeltrick: Betrüger rufen bei Senioren an, geben sich als Verwandte in Geldnöten aus.

In den vergangenen Jahren wurden viele Maschen zudem deutlich aggressiver. Anrufer behaupten etwa, sie seien Polizisten oder Staatsanwälte und starten Schockanrufe. Da wird dann schon einmal in den Raum gestellt, der Sohn oder die Tochter des Angerufenen habe bei einem Verkehrsunfall jemanden totgefahren, sitze nun im Gefängnis und müsse für Tausende Euro Kaution freigekauft werden.

So gesehen sind Anrufe wie jener bei Hans-Josef Stuhlträger von der harmloseren Sorte, es soll zunächst „nur“ ein Termin ausgemacht werden. Im Gegensatz zu Schockanrufen, die an sich schon in den Bereich von Nötigung und Erpressung fallen können, sind die Angebote vermeintlicher Handwerker und Techniker juristisch schwerer zu greifen. Ein nebulöser Anruf allein ist keine Straftat.

Dennoch: Stuhlträger beschließt, es nicht dabei zu belassen, sondern zu reagieren. Dazu muss man wissen: Hans-Josef Stuhlträger, den die Bendorfer als „Hajo“ kennen und den sie kürzlich zum Ehrenbürger gemacht haben, war früher Stadtrat, Kreisrat und auch der Bürgermeister Bendorfs. Er ist zwar ein bescheidener Typ, der Sätze sagt wie „Ich denke, der Anruf wäre vielen seltsam vorgekommen“ – doch Hajo Stuhlträger kennt sich aus in Verwaltungsvorgängen. Er weiß, dass der Anruf sehr ungewöhnlich war. Behörden schreiben Briefe, organisieren Infoveranstaltungen und weisen Sanierungsgebiete aus, wenn sie die Bürger dazu animieren wollen, ihre Häuser nachzurüsten. Sie lassen nicht per Kaltaquise Ingenieurfirmen Listen abtelefonieren.

„Wir würden derlei ankündigen, per Brief und über die Medien“

Theresa Arztdorf, Stadt Bendorf

Stuhlträger ruft daher sofort die Stadtverwaltung an. Dort kennt man ihn. Wen man im Bendorfer Rathaus nicht kennt: eine wie auch immer beauftragte Ingenieurfirma, die Altbestand unter die Lupe nehmen soll. „Wir würden derlei ankündigen, per Brief und über die Medien“, sagt die Bendorfer Pressesprecherin Theresa Artzdorf. Um sicherzugehen, fragen die Verwaltungsmitarbeiter beim Landkreis an. Auch dort weiß man von nichts. Die Bendorfer Verwaltung beschließt, mit einem Post in den sozialen Netzwerken auf die angeblich offiziellen Anrufe zu reagieren.

Am Morgen des 8. November veröffentlicht die Stadt eine Warnung: Dass ein „vermeintliches Ingenieurbüro“ Bendorfer Bürgerinnen und Bürger kontaktiere und behaupte, in öffentlichem Auftrag alte Häuser energetisch zu prüfen, steht darin. Und: dass das nicht korrekt sei. „Die Stadtverwaltung hat keine Kenntnis davon und es wurde kein derartiger Auftrag erteilt. Auch vonseiten des Kreises wurde eine solche Aktion nicht initiiert. Bitte nicht darauf eingehen“, heißt es in dem Beitrag.

Polizeisprecherin Verena Scheuer vom Koblenzer Präsidium berichtet auf RZ-Nachfrage, besonders geläufig sei die „Legende“ der Energieberatung nicht, im Präsidiumsgebiet habe es Einzelfälle gegeben, bei denen Daten der Geschädigten erfragt wurden, Schadensausfälle seien nicht bekannt. Generell gibt es aber immer mal wieder Betrugsversuche, die weniger offensiv ablaufen als typische Schockanrufe. Dabei geben sich die Akteure als Fachleute aus, stehen aber meist direkt vor dem Haus. „Geläufiger ist die Betrugsmasche, dass an der Haustür geklingelt wird, vermeintliche Handwerksarbeiten vonnöten sind“, so Scheuer. „Während die Geschädigten abgelenkt werden, entwendet meist ein Komplize Wertgegenstände aus der Wohnung.“

Die Polizei steht bereit

Die Polizei nimmt die angenommenen Abzockversuche in Bendorf jedenfalls ernst, wenn sie auch erst davon erfährt, als ein weiterer Fall aufschlägt. Es ist ironischerweise die Mutter eines Verwaltungsbeamten im Rathaus, die Mitte November ebenfalls den Anruf einer angeblichen Energieagentur erhält.

Sie geht auf den Termin ein, indes: Kräfte der Polizei und des Ordnungsamtes warten in der Nähe des Hauses, um einzugreifen, wenn sich der „Fachmann“, der vorbeischauen will, als Betrüger herausstellen sollte. Am Ende erscheint niemand. Eine Strafanzeige gibt es nicht, für einen „Anfangsverdacht einer konkreten Straftat“ reichen ein Anruf mit Terminwunsch und ein nicht erschienener „Ingenieur“ nicht aus. Konkrete Forderungen oder Angebote habe es nicht gegeben, erläutert Scheuer.

In Bendorf ist es seitdem – vielleicht doch ein Ergebnis von Polizei, Verwaltungshandeln und aufmerksamen Bürgern – offenbar ruhig geworden in Sachen „Energieberatung“, zumindest sind keine weiteren Anrufe bekannt. Im Zweifel, sagt Hans-Josef Stuhlträger, ist es nie verkehrt bei den Behörden nachzufragen, wenn etwas seltsam wirkt. „Das ist sicherer, als am Ende den Schaden zu haben.“

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