Ende des 19. Jahrhunderts erfunden, war die Schallplatte über Jahrzehnte hinweg der Tonträger schlechthin. Welch gigantische Sensation es wohl damals war, Hörbares auf kreisrunden Scheiben zu konservieren, ist heute im digitalen Zeitalter nur noch zu erahnen. Schon in den 1980er-Jahren waren die klobigen und unhandlichen Schallplatten aus nüchterner technischer Perspektive eigentlich schon überholt, denn die Compact Disk (CD) drohte ihr den Rang abzulaufen. Bei einer Schallplattenbörse am vergangenen Samstag in der Bendorfer Stadthalle konnte man sich allerdings davon überzeugen, dass der Charme von Schallplatten fortbesteht – heute wohl noch mehr als vor 20 Jahren.

Etwa 100.000 Tonträger wurden von den 40 Verkäufern ausgestellt, schätzte Alexander Lauber. Sein Vater Ulrich begann vor 40 Jahren mit der Organisation von Schallplattenbörsen. Jahr für Jahr machen sie in vielen Städten Deutschlands Halt, um Schallplattenliebhaber zusammenzubringen. Der Besuch der Düsseldorfer in Bendorf war eine Premiere, allerdings sei man vor einigen Jahren schon mal im benachbarten Koblenz gewesen, erzählte Alexander Lauber: „Mit dem Standort Bendorf sind wir auf Anhieb sehr zufrieden. Über 500 Gäste kamen innerhalb von fünf Stunden in die Stadthalle und sorgten für eine schöne Atmosphäre, von der sowohl die Verkäufer als auch Kaufinteressierte profitierten.“
Manche Verkäufer begleiten die Laubers, ein Familienbetrieb, von Stadt zu Stadt, aber viele ordern auch nur nahe ihrer Heimat einen Stand. Viele von ihnen besitzen ein riesiges Sammelsurium an Schallplatten und teilweise auch CDs über sämtliche Genregrenzen hinweg, das sie zu günstigen Preisen veräußern wollen. Gefeilscht wird mitunter wie auf dem Flohmarkt, doch am Ende gibt es auf allen Seiten nur Gewinner. „Wir sind eigentlich ganz spontan aus reiner Neugier hergekommen, haben aber dann doch einige Platten mit Musik aus unserer Jugendzeit gekauft“, erzählte ein Besucher aus Koblenz, der mit seiner Frau nach Bendorf gekommen war. Allein die Plattencover hätten es geschafft, ihn in ihren Bann zu ziehen.

Auffällig war mit Blick auf die Besucherschar, dass alle Altersgruppen vertreten waren. Auch jene, für die rein alterstechnisch selbst die CD ein längst überholtes Medium darstellen dürfte, durchstöberten die langen mit Schallplatten gefüllten Reihen in der Bendorfer Stadthalle und wussten den Reiz von Musik auf Vinyl zu schätzen. Organisator Alexander Lauber ist ohnehin der Überzeugung, dass nicht nur Nostalgiker der Schallplatte sehr viel abgewinnen können: „Als nach der Jahrtausendwende das Download-Geschäft in der Musikbranche Fuß zu fassen begann, wurde allenthalben ein Abgesang auf die Schallplatte angestimmt. Tatsächlich war die Zeit damals nicht einfach. Doch seit rund 15 Jahren wächst das Publikum wieder. Gerade Menschen, die sich sehr intensiv und bewusst mit Musik auseinandersetzen, schätzen den besonderen Flair von Schallplatten.“
Im Zeitalter von Streaming-Diensten wie Spotify werde Musik als Ausdrucks- und Kunstform oberflächlicher, glaubt Lauber. Interpreten würden dazu animiert, in den ersten paar Sekunden den Hörer packen zu müssen. Dies sei sehr stark konsumorientiert. „Meines Erachtens sollte aber viel stärker die Musik des Künstlers im Vordergrund stehen – und zwar nicht nur über ein paar Sekunden oder ein Lied, sondern über ein ganzes Album hinweg“, hob der Organisator die Unterschiede zwischen der analogen und digitalen Musikwelt hervor. Allein ist er mit dieser Ansicht definitiv nicht, wie das hohe Besucherinteresse am Samstag in Bendorf verriet.