Grüne, SPD und die Linke setzen sich bei der Abstimmung zum Klimanotstand im September 2019 mit knapper Mehrheit durch. CDU, Freie Wähler (FW), AfD, Wählergruppe Schängel (WGS) und FDP stimmen dagegen. Warum? Vor allem mit dem Wort „Notstand“ haben viele ein Problem. Selbst Koblenzer Großunternehmen wie die Sparkasse, Debeka oder ZF meldeten sich vor der Abstimmung zu Wort und fürchteten um den guten Ruf des Wirtschaftsstandorts Koblenz. Mit dem Klimanotstand verabschiedete der Rat auch ein Konzept mit 33 Maßnahmen für den Klimaschutz, darunter die Einführung eines Job-Tickets für Bedienstete der Stadtverwaltung oder den Ausbau des Radverkehrs.
Fünf Jahre später ist wieder Kommunalwahl, und wieder ist klar: Mit dem Klimawandel wird und muss sich auch der neue Stadtrat beschäftigen. Im Speeddating der RZ mit Stadtratskandidaten der Parteien und Wählergruppen wollten wir wissen: Mit welchen konkreten Maßnahmen wollen Sie bewirken, dass Klimaschutz (und der viel diskutierte Notstand) kein Kampfbegriff ist, sondern wirklich greif- und sichtbar für die Menschen in Koblenz wird? Und wie viel Klimaschutz muss oder sollte sich die Stadt Koblenz leisten?
Stephan Otto (CDU) sagt: „Es gibt keinen Dissens darüber, ob wir Klimaschutz machen wollen oder nicht, sondern das Tempo und der Umfang der Maßnahmen sind meistens der Knackpunkt.“ Er plädiert dafür, die Verbindung der Menschen zur Natur zu stärken. Den Fokus setzt er auf den Stadtwald. „Der ist ein Juwel, der vielen Koblenzern wichtig ist.“ Durch konkrete Maßnahmen müsse man den Wald erlebbar und attraktiver machen, zum Beispiel durch die Renaturierung der Bachläufe. „Was unserem Wald guttut, tut meist auch uns Menschen gut“, sagt Otto und resümiert: „Klimaschutz muss nicht von Geld abhängig gemacht werden, aber Klimaschutz ohne Geld ist nicht umsetzbar.“
Stephan Wefelscheid, Spitzenkandidat der Freien Wähler, stellt in Sachen Klimaschutz fest: „Die vergangene Wahlperiode war eine der plakativen Forderungen.“ Viele Vorhaben, die Teil des verabschiedeten Maßnahmenpakets waren, seien vorher schon umgesetzt worden, zum Beispiel, dass alle städtischen Liegenschaften mit PV-Anlagen ausgestattet würden. Für Wefelscheid ist klar: „Klimaschutz ist keine Frage der Finanzabwägung, sondern Pflichtaufgabe.“ Koblenz müsse sich „stärker auf Wetterextreme vorbereiten, die wir nicht verhindern werden können“. Man müsse auch an Frischluftschneisen denken und Stadtgrün, das Schatten spende.
Für Marion Lipinski-Naumann (SPD) hat die kommunale Wärmeplanung höchste Priorität. Ziel des Projekts ist die Erstellung eines Plans, wie Haushalte in Koblenz künftig unabhängig von Gas heizen können. „Das ist eine der wichtigen Fragen“, meint Lipinski-Naumann. Es brauche eine zuverlässige, vertrauenswürdige und kluge Planung, damit sie von den Menschen in der Stadt auch umgesetzt werde. „Das Gebäudeenergiegesetz hat die Leute verwirrt und verunsichert bis zum heutigen Tag.“ Unklar sei noch die Finanzierung des Wärmeplans. „Ich sage: Ruhe bewahren und Schritt für Schritt entscheiden.“
Kim Theisen (Grüne)sagt: „Es ist extrem wichtig, dass wir komplett auf Erneuerbare setzen.“ In Koblenz liege der Fokus vor allem auf PV-Anlagen, „da wir hier nicht viele Gebiete für Windenergie hinbekommen“. Als wichtige Maßnahme sieht Theisen zudem den Ausbau der Radwege und einen attraktiveren ÖPNV. Zudem müsse die Ladeinfrastruktur für E-Autos ausgebaut werden. Und: Für ein besseres Klima mitten in der Stadt brauche es mehr Grünflächen. „Deswegen müssen wir gucken, dass wir wieder mehr entsiegeln.“
Christoph Schöll, Spitzenkandidat der FDP, verweist auf „zahlreiche energetische Maßnahmen“, die bereits ergriffen worden seien, zum Beispiel an öffentlichen Gebäuden. „Im privaten Bereich haben wir das 500-Dächer-Förderprogramm, dem haben wir als FDP auch zugestimmt“, so der Liberale. Damit würden private Haushalte bei der Reduzierung ihrer CO2-Emissionen finanziell unterstützt. Förderprogramme wie diese seien auch notwendig. Als Vorsitzender von Haus und Grund Koblenz könne er sagen, dass sich viele private Hausbesitzer „das, was sich der Staat leistet im Bereich Klimaschutz, überhaupt nicht leisten können, weil es viel zu teuer ist“.
Torsten Schupp ist überzeugt, dass seine Wählergruppe Schängel beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangeht. Die WGS verzichte bewusst auf Plakatierungen an Bäumen und Laternen im Vorfeld zu der Wahl im Juni. „Damit haben wir ein ganz deutliches Zeichen gesetzt. Es kann nicht sein, dass wir in Koblenz den Klimanotstand ausrufen und unsere Bürger auffordern, weniger zu heizen, aber selber produzieren wir Unmengen an CO2 durch die Herstellung und das Aufstellen von Wahlplakaten.“ Auf die Frage, wie viel Klimaschutz sich die Stadt Koblenz leisten sollet, antwortet Schupp kurz und knapp: „So viel wie nötig und so viel wie möglich.“
Oliver Antpöhler-Zwiernik (Die Linke) sagt: „Aus unserer Perspektive sind wir hinter den Erwartungen aus dem Klimanotstand zurückgeblieben.“ Seine Partei fordert mehr Rechte für die Klimaschutzkommission, die Entsiegelung des Zentralplatzes und eine CO2-Uhr auf diesem, „damit wir sehen, wie viel CO2 wir konkret einsparen“. Zudem sind die Linken für die Einführung eines Strafkatalogs für die Stadt. „Die Stadt selber begeht jeden Tag ganz viele Klimasünden.“ Klimaschutz sei eine Pflichtleistung der Kommune und dürfe nicht die finanziell belasten, die ohnehin wenig haben, so Antpöhler-Zwiernik.
Florian Niedt (Die Partei) sieht seine Partei in Sachen Klimaschutz in einer passiven Rolle. „Wir stimmen unser Handeln so darauf ab, dem Klimawandel so gut es geht entgegenzuwirken. Wenn es gute Vorschläge gibt, werden wir sie natürlich auch unterstützten.“ In der Vergangenheit habe man sich für eine städtische Steuer auf Einwegverpackungen starkgemacht, allerdings erfolglos. Neben der „Entmotorisierung der Stadt“ fordert Niedt den Ausbau der Radwege und die Aufnahme der Seilbahn ins Koblenzer ÖPNV-Netz.
In der Pendlerstadt Koblenz geht es immer wieder um Autos, Radwege, den ÖPNV und Parkplätze. Im Speeddating der RZ in der Seilbahn mit Stadtratskandidaten der Koblenzer Parteien wollten wir wissen: Wie wollen Sie erreichen, dass der ÖPNV in Koblenz attraktiver und das Busfahren günstiger wird?RZ-Speeddating: Wie die Koblenzer Stadtratskandidaten den ÖPNV und die Parkplatzsituation verbessern wollen