Bewegender Auftritt
Radsportlegende Jan Ullrich begeistert in Koblenz
Gleich bei der Ankunft wurde Jan Ullrich von vielen Fans belagert.
Wolfgang Lucke

Hoch geflogen, tief gefallen, wieder aufgestanden: Jan Ullrich hat als einziger Deutscher Rennradprofi die Tour de France gewonnen. Jahre später stürzte er ab und fing sich wieder. Aus seinem bewegten Leben erzählte er jetzt in Koblenz.

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Sympathisch, offen, authentisch: Radsportlegende Jan Ullrich begeisterte bei seiner Visite bei Mercedes-Benz Kestenholz in Koblenz mit atemberaubenden Berichten aus seinem sehr bewegten Leben, berichtete von ausgeprägten Hochs und Tiefs. Als einziger Deutscher, der die Tour de France gewann, als Olympiasieger, Weltmeister im Zeitfahren und vielen weiteren Titeln gilt er als echte Radsport-Ikone.

Gerade noch in der Genesungsphase nach einem als radfahrertypisch geltenden Schlüsselbeinbruch sorgte „Ulle“ mit spannenden und sehr persönlichen Infos aus seinem Leben für einen kurzweiligen Abend. Der Weg vom sportbegeisterten Kind, das sogar noch den Hunger kannte, bis zum gefragten Weltstar und wieder zurück gab Stoff für mehrere Abende. Offen, selbstkritisch, aber auch mit einem guten Schuss Humor sowie der Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, wurde er von seinem Freund und Fast-Profiradsportler Jörg Pippig kenntnisreich durchs Gespräch geführt. Auch die kritischen Passagen wurden nicht umschifft, sondern in Klarheit und Offenheit ausgesprochen und analysiert.

„ Ja, die Zeit in Mallorca gehört zu meinen schlimmsten Erfahrungen. Da war ich am Ende.“
Jan Ullrich

„Ja, die Zeit in Mallorca gehört zu meinen schlimmsten Erfahrungen”, erinnerte sich Jan Ullrich. „Da war ich am Ende.” Er sehe diese Ereignisse heute als Ergebnis einer langen Phase von Extremen an. Die Wechselbäder vom fast unbekannten Radsportler zum umjubelten Weltstar seien kaum zu verkraften gewesen. Auch habe er gedacht, die Sache mit sich selbst austragen zu müssen. „Das ging bis zur Depression. Mit Drogen und Alkohol wollte ich dagegen angehen, aber diese Dinge nehmen alles Menschliche von einem weg.” Letztlich habe ihn der Gedanke an seine Kinder im letzten Moment in der bedrohlichen Lage gerettet.

Sein Leben ist fast vergleichbar mit einer schweren Alpen-Etappe: schwer umkämpfte Anstiege, leichtere Abfahrten, viele Emotionen. Als Kind sehr sportbegeistert, nahm er sich seinen älteren Bruder als Vorbild. Ullrich: „Er war immer so eine Spur schneller, das wollte ich auch erreichen.” Während sein Bruder sich für die „falsche” Sportart – das Laufen – entschied, konnte sich Jan Ullrich im Radsport voll ausleben.

Jan Ullrich (links) mit Moderator Jörg Pippig, der ihn kenntnisreich durchs Gespräch führte.
Wolfgang Lucke

Mit 14 Jahren zog er nach Berlin ins Team von Trainer Peter Becker, erlebte den Mauerfall mit, kaufte vom Willkommensgeld ein Paar Sportschuhe und lebte voll im Rhythmus der Trainingsanforderungen. Mit der Dopingproblematik sei er in dieser Zeit wegen seines geringen Alters nicht konfrontiert worden. Ullrich: „Ich habe sehr asketisch gelebt, war durchtrainiert und exzellent ausgebildet.”

Das Team erreichte die Bundesliga, und der Erfolg setzte sich fort. Mit 19 Jahren wurde Ullrich Weltmeister im Straßenrennen. Es folgten der Wechsel ins Telekom-Team und die Teilnahme an der Tour de France. Wobei er sich neben seiner sportlichen Leistungen auch als fairer Kollege verdient machte.

Radsportlegende Jan Ullrich begeisterte ein großes Publikum mit spannenden Geschichten aus seinem Leben.
Wolfgang Lucke

Frage von Pippig: „Du warst bei deiner ersten Tour de France besser als dein Kapitän Bjarne Riis, warum bist du nicht als Erster durchs Ziel?” Antwort: „Ich hatte nur meine Aufgabe im Kopf, für den Kapitän zu fahren.” Im zweiten Anlauf gab es aber im Jahre 1997 vom Kapitän wie von der Teamleitung den Freifahrtschein. Am selben Tag holte er sich das Gelbe Trikot. Nach seinem Sieg in Paris änderte sich das Leben schlagartig. Plötzlich war er der gefragte Weltstar.

Damit verbunden war ein Riesendruck, der Ullrich zu schaffen machte. Zu dieser Zeit sei der Umgang mit Doping eher von Unbesorgtheit geprägt gewesen. „Im Grunde wollten alle Chancengleichheit herstellen. Heute sehe ich die Sache so, dass immerhin durch unsere Fehler die Anti-Doping-Aktivitäten besser geworden sind.” Da werde schon bei der Entwicklung neuer Medikamente ein Auge drauf geworfen. Insgesamt gehe es ihm heute sehr gut. Im Kreise seiner Familie sei er sehr glücklich. Er ziele nicht mehr auf extreme Leistungen, sondern suche seinen Weg mehr in der Mitte.

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