Am ersten Prozesstag hinterließ der Angeklagte einen bestenfalls zwiespältigen Eindruck. Den Besitz des Bildmaterials gibt er zu, die Daten waren aber auch auf seinem Handy gefunden worden. Seine Erklärung jedoch ist eher abenteuerlich. Er habe, so der Mann, einen Browser für das Darknet ausprobiert und dabei versehentlich den Ordner mit mehr als 1000 Dateien heruntergeladen. Er habe sich das Material kurz angesehen, dann aber komplett gelöscht.
„Stimmt so nicht“, sagte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft. Denn zumindest ein Video befindet sich in seinem Gesendet-Ordner, das heißt, er hat es verschickt. „Naja, man schickt sich halt so Bilder rum“, erklärte der 29-Jährige. Empfänger sei „irgendein Mädchen“ gewesen. „Verbotenes ist halt interessant“, führte der Mann weiter aus. Den Vorwurf der Vergewaltigung bestreitet er ganz, es habe sich um einvernehmlichen Verkehr gehandelt.
Ungünstig für ihn scheint, dass der 29-Jährige einen eher kreativen Umgang mit der Wahrheit pflegt. So hatte er während seiner psychiatrischen Begutachtung den Sachverständigen nach Strich und Faden belogen. Er hatte behauptet, heroinabhängig zu sein, was er jetzt zurücknahm. Der Vorsitzende Richter Martin Schlepphorst reagierte fassungslos. „Sie haben sich in der Haft sogar einer Heroinersatzstofftherapie unterzogen. Warum?“ Der Angeklagte fand eine ungewöhnliche Antwort: „Das hatten mir auch meine Mitgefangenen geraten. Wenn ich einen auf Junkie mache, bekomme ich eine Therapie und eine kürzere Haftstrafe.“ Richter Schlepphorst musste tief durchatmen. „Ich mache das hier schon eine Weile, aber so eine Geschichte habe ich noch nie gehört“, lautete sein Fazit.
Mehr Erkenntnisse versprach sich die Kammer von der Aussage des mutmaßlichen Opfers des Übergriffes. Die 22-Jährige berichtete, den Angeklagten über eine Dating-App kennengelernt zu haben. Man habe sich ein paarmal getroffen und auch Sex gehabt. Den Status der Beziehung beschrieb sie vor Gericht als Freundschaft plus. Im April 2020 habe sie den 29-Jährigen zu sich eingeladen, er habe die Zeit von Sonntag bis Dienstag in ihrer Wohnung verbracht. Auch dabei sei es zu einvernehmlichem Verkehr gekommen, mit Kondom.
An dem Dienstagvormittag aber habe er sie zum ungeschützten Verkehr gezwungen, indem er sich auf sie legte und ihre Arme mit seinem ganzen Gewicht über ihrem Kopf festhielt. Daraufhin warf sie ihn aus der Wohnung und wandte sich zuerst an ein Hilfetelefon, dann an die Polizei. Sie erlitt Hämatome an den Armen und musste in der Folge ihre Wohnung aufgeben. „Ich habe es da einfach nicht mehr ausgehalten“, erklärte sie vor Gericht. Nach der Tat ging sie in eine stationäre Therapie und ist bis heute in ärztlicher Behandlung. „Er hat mir mal ein Vergewaltigungsrollenspiel vorgeschlagen, das habe ich aber klar abgelehnt“, ergänzte die Studentin.
Fest steht, dass der Angeklagte direkt nach dem Geschehen eine Voice-Mail an einen Freund schickte, die sich exakt mit den Schilderungen der 22-Jährigen deckt. Vorerst sind zwei weitere Verhandlungstage angesetzt.