Wieder ziehen Menschen durch die Straßen: Wie bewerten Stadt und Polizei die Situation?
Proteste gegen Corona-Maßnahmen halten an: Wie Stadt und Polizei die Situation bewerten
Gegner von Corona-Maßnahmen demonstrieren regelmäßig und nennen es „Spaziergang“.
Sascha Ditscher

Zumeist werden sie „Spaziergänge“ genannt, die unangemeldeten Demonstrationen derjenigen, die gegen Impfpflicht oder Corona-Maßnahmen demonstrieren. Auch für Montagabend ist wieder ein Marsch angekündigt.

Gegner von Corona-Maßnahmen demonstrieren regelmäßig und nennen es „Spaziergang“.
Sascha Ditscher

Es ist schon die siebente Veranstaltung dieser Art in Koblenz. Das bisher größte Treffen hatte es vor zehn Tagen gegeben, an einem Samstag. Rund 1800 Menschen waren dem Aufruf gefolgt, viele hatten Grablichter getragen. Eine bunte Mischung aus allen Altersgruppen ist jeweils unterwegs. Dass sich auch am vergangenen Samstag eine größere Gruppe Menschen durch die Vor- und die Innenstadt geschoben hat, hat indes doch manchen überrascht. Immerhin war es der erste Weihnachtsfeiertag. Rund 600 Teilnehmer sollen es bei diesem Termin gewesen sein, so die Polizei.

Videos und Fotos unter anderem in Telegram-Gruppen zeigen, wie die Menschen durch die Straßen ziehen und unter anderem „Keine Diktatur“ skandieren. Laut Polizeibericht soll „im Verlauf des nicht angemeldeten Spazierganges, der von der Versammlungsbehörde als Versammlung eingestuft wurde“ ein tätlicher Angriff eines Teilnehmers auf polizeiliche Einsatzkräfte im Bereich des Jesuitenplatzes erfolgt sein (die RZ berichtete). Nachdem die Polizei die Personalien von einer Person aufnehmen wollte, „kam es zu Solidarisierungseffekten von circa 15 weiteren Personen“, so die Polizei weiter.

„Nach Androhung und anschließendem kurzen Einsatz von Pfefferspray gegen diese Personen konnte die Situation umgehend beruhigt werden.“ Insgesamt wurden vier Strafverfahren eingeleitet. Eine weitere Einschätzung der Lage im Vorfeld des nächsten anstehenden „Montagsspaziergangs“ wollte Friedhelm Georg von der Pressestelle der Polizei am Montagvormittag nicht geben. „Die Polizei wird wieder mit genügend Kräften da sein“, sagt er nur. In manchen anderen Städten, in denen es ebenfalls solche als „Spaziergänge“ deklarierten Versammlungen gibt und gab, kam es zu größeren Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei.

Auch wenn keine der bisherigen Versammlungen als Demonstration angemeldet war, so wertet die Stadt sie doch als „Versammlungsaufzüge“ und hat zum Teil schon Strafanzeige gegen Versammlungsleiter gestellt. Heiko Breitbarth von der Pressestelle nennt auf Anfrage der RZ die bisherigen Termine: Danach waren am 6. Dezember rund 30 Personen unterwegs, am 11. etwa 100 bis 150, am 13. circa 100, am 18. mit rund 1800 die bisher größte Gruppe, am 20. etwa 1000 und am 25. circa 600. Da die Demonstrationen nicht angemeldet waren, konnten keine Auflagen formuliert werden. Das heißt aber nicht, dass es keine gibt: „Grundsätzlich gilt die Maskenpflicht sowie die Pflicht zur Einhaltung von Abständen bei der Teilnahme an einer Versammlung“, so Breitbarth.

Unter anderem in Telegramgruppen wird für die Teilnahme an den Demonstrationen geworben, die seit dem 6. Dezember regelmäßig montags und samstags in Koblenz stattfinden. Hier wird rege diskutiert, ob Kinder mitgebracht werden sollen oder ob dies zu gefährlich ist und wo man in Koblenz am besten parken kann. Auch über die „besten“ Maßnahmen im Umgang mit der Polizei wird informiert. So könne diese beispielsweise gut handlungsunfähig gemacht werden, indem die Versammlung häufiger die Richtung wechselt oder Bürger auf beiden Gehwegseiten gehen.

Aber wer sind die Menschen, die sich hier versammeln? In den Telegram-Gruppen, die teilweise öffentlich sind, findet sich eine überaus bunte, heterogene Mischung von Menschen und Motivationen, die sich derzeit auf den Straßen und in den Internetforen zusammenfindet. Da werden Hinweise auf angeblich neueste Erkenntnisse zu Corona und Impfstoffen ebenso ausgetauscht wie krude Einschätzungen, nach denen die Pandemie ja ohnehin nur erfunden worden sein soll, um die Menschen zu versklaven. Und es gibt viele, die „einfach“ die Impfpflicht vehement ablehnen und keinen Glauben daran haben, dass die Politik das Richtige tut. Die Demonstranten stammen „aus der Breite der Gesellschaft“, so die Stadt in ihrer Einschätzung und nennt „unterschiedliche Gründe: Bedenken gegen Impfpflicht, gegen 2G, gegen Corona-Maßnahmen allgemein und vieles mehr.“

Und wie geht es nun weiter? „Gemeinsam mit der Polizei wird die Lage ständig analysiert. Die Erkenntnisse daraus fließen in weitere Entscheidungen ein“, so die Stadt weiter. „Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird respektiert, es sind aber dann Grenzen zu setzen, wenn die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet ist oder Gewalt gegenüber Personen ausgeübt wird.“

Tatsache aber ist: Wenn man sich die bisherigen Aktionen anschaut, trug praktisch niemand Maske, wurden keine Abstände eingehalten. Das wird von vielen kritisiert, unter anderem von Carl-Bernhard von Heusinger, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat und Mitglied des rheinland-pfälzischen Landtags, der sich an die RZ gewandt hat: „Ich bin dafür, dass Menschen demonstrieren können“, sagt er. „Aber es kann nicht sein, dass sie dadurch andere anstecken und gefährden können.“

In einigen anderen Städten und Landkreisen sind die Versammlungen, die von den Demonstranten gern „Spaziergänge“ genannt werden, bereits verboten worden, andere Kreise und Städte benennen Auflagen, unter denen die Menschen durch die Straßen ziehen. So müssen dort beispielsweise auch bei einer unangemeldeten Demonstration Auflagen wie Maskenpflicht und Abstand eingehalten werden, um den Infektionsschutz zu sichern. Mit den neuen Corona-Regeln, die am 28. Dezember in Kraft treten, sieht die Situation aber vermutlich ohnehin noch einmal anders aus. Denn dann dürfen sich ja eigentlich nur bis zu zehn Menschen treffen – wenn sie geimpft sind. Sonst nur zwei.

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