In diesem Oktober haben der Student und die Seniorin eine WG gegründet, obwohl, so ganz stimmt das nicht. Das große Haus mit riesigem Garten am Rand von Immendorf gehört schließlich Anita Nolden, und Gerges Yakoup ist in einer kleinen Wohnung unten in ihrem Haus eingezogen. Über das Projekt „Wohnen für Hilfe“ sind sie zusammengekommen, mit dem das Studierendenwerk Wohnpartnerschaften zwischen Studenten und Haus- oder Wohnungseigentümern – häufig Senioren – vermittelt.
Der Deal: Der Student kann bis auf die Nebenkosten mietfrei wohnen, dafür packt er bis zu 25 Stunden im Monat mit an. Der Mitbewohner hilft im Garten oder im Haushalt, kauft ein, unterstützt bei der Kinderbetreuung, leistet Gesellschaft, und, und, und – je nachdem, was vereinbart wurde. Die Vorstellungen des Hausbesitzers und des Untermieters müssen hier aber erst einmal zusammenpassen, die Erfahrung hat auch Anita Nolden gemacht.
„Einer, der sich bei mir vorgestellt hat, wollte nur einkaufen fahren und ansonsten mit mir fernsehen, ein anderer wollte nicht für eine Frau arbeiten“, erzählt sie. Yakoup hingegen war ihr direkt sympathisch, und er macht nun das, was eben so anfällt. „Laub wegmachen zum Beispiel, Rasen mähen oder die Hecke schneiden.“ Auch eine frühere Ferienwohnung oben im Haus hat er schon leer geräumt und sogar eine Zwischenwand eingerissen.
Wenn es nach ihm ginge, würde er noch mehr erledigen, „ich arbeite lieber, als mir Gedanken zu machen“, sagt er, über seine Lebenssituation, seine Familie in Ägypten, all das. „Aber die Wohnung mache ich selbst, so lange ich kann“, betont die 76-jährige Anita Nolden. Ihr ist es wichtig, so aktiv wie möglich zu bleiben, „und wenn ich irgendwann nicht mehr kann, frage ich Gerges“. Das Rasenmähen in ihrem großen Garten hat sie schon an ihn abgegeben, und das war nicht ganz einfach, „das habe ich immer gern gemacht“.
Einen fremden Mitbewohner in ihr Haus zu holen, ist ihr hingegen nicht schwergefallen. „Wir hatten immer Feriengäste im Haus, ich bin also gewöhnt daran“, sagt sie. In diesem Jahr hat sie die Ferienwohnungen aufgegeben, im vergangenen Jahr wurde sie außerdem Witwe – und da war es auf einmal schon ziemlich ruhig im Haus. Als sie in der Zeitung über „Wohnen für Hilfe“ gelesen hat, dachte sie dann: „Warum nicht?“ Und nun hat sie einen Mitbewohner.
Aber was bringt einen jungen Menschen dazu, bei einer Seniorin am Stadtrand einzuziehen? „Ich mag Studentenwohnheime nicht“, sagt Yakoup bestimmt, „und als ich das Angebot von Frau Nolden im Internet gesehen habe, hat mich das besonders interessiert“. Dienstags, mittwochs und donnerstags packt er mit an, am Wochenende ist er bei seinem älteren Bruder in der Eifel. Und ein großer Partygänger ist der ernsthafte junge Mann ohnehin nicht, „ich konzentriere mich lieber auf das Studium“.
Im Frühling wird wahrscheinlich wieder mehr zu tun sein für ihn bei Anita Nolden, wenn die Gartensaison beginnt. Und auch um die Bienen wird er dann nicht ganz herumkommen, die Honigkästen zum Beispiel sind für die Seniorin doch ziemlich schwer zu heben. „Er bekommt natürlich Schutzkleidung“, sagt Nolden mit einem Lachen. Yakoup schaut etwas skeptisch. Aber bis zum Frühling ist ja noch einige Zeit.