Neuendorfer sehen, wie in einsturzgefährdetem versiegelten Haus Menschen arbeiten
Polizeieinsatz in Koblenz: Menschen aus versiegelter Bruchbude geholt
Katrin Steinert

Das Haus mit der Nummer 9 zählt aus der Ferne zu den schönsten, die hier in der Straße Am Ufer seit rund 200 Jahren die Neuendorfer Rheinfront prägen. Doch die Ansicht täuscht: Das Haus ist eine Bruchbude, wie auf der Rückseite unschwer zu erkennen ist. Und bis zuletzt lebten hier Menschen, offenbar auch solche, die illegal in Deutschland sind.

Katrin Steinert

Seit Mitte November ist die Haustür des Gebäudes wegen Einsturzgefahr amtlich versiegelt, seit März/April bereits die Nutzung untersagt, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Dennoch haben sich hier immer wieder Menschen aufgehalten – einige auch darin gearbeitet. Einmal wurde das Siegel nach Absprache mit der Stadt gebrochen, ein weiteres Mal unerlaubt.

Vergangene Woche folgte deshalb ein Polizeieinsatz. Dabei wurden mehrere Menschen im Haus festgenommen. Diese hielten sich illegal in Deutschland auf, erklärt die Stadt auf Anfrage.

Von uns waren zwei Kollegen der Bauaufsicht vor Ort, um mit dem Eigentümer über zu erfolgende Sicherungsmaßnahmen zu sprechen.

Stadt-Pressesprecher Thomas Knaak

Augenzeugen berichten, dass auch der Eigentümer des Wohnhauses, ein bekannter Koblenzer Immobilienbesitzer, in der vergangenen Zeit ab und zu am Ort gesehen wurde – zuletzt mit zwei Arbeitern, die einen Wagen mit polnischem Kennzeichen fahren. Neuendorfer schildern, dass der Immobilienbesitzer mit den ausländischen Arbeitern auch selbst im Haus war.

Eigentümer nicht erreichbar

Für unsere Zeitung war der Eigentümer trotz mehrfacher Kontaktversuche und Rückrufbitten über Mitarbeiter verschiedener Firmen nicht erreichbar. Eine Mitarbeiterin erklärte am Montag, er sei im Ausland, sie könne versuchen, ihn zu erreichen, und er würde sich dann melden. Sie wird als Kontaktperson genannt, wenn man Zimmer oder Appartements in Häusern des Immobilienbesitzers mieten möchte.

Katrin Steinert

Wie aktuellen Onlineangeboten zu entnehmen ist, werden dafür bevorzugt Asylanten gesucht und Menschen, die vom Jobcenter unterstützt werden. Unter der Nummer einer anderen Firma erklärt ein Mitarbeiter am Mittwoch ebenfalls, dass der Eigentümer im Ausland sei und er dessen E-Mail-Adresse sowie Handynummer nicht rausgeben dürfe. Er nahm eine Rückrufbitte auf. Bemerkenswert: Am Dienstag war der Eigentümer zu einem Ortstermin am Haus, wie die Stadt bestätigt.

Polizei geht über Rückseite rein

Die Vorgänge am einsturzgefährdeten Fachwerkgebäude blieben den Anwohnern nicht verborgen. Sie informierten die Stadt, als die Arbeiter anfingen, ein rückwärtiges Fachwerkstück aus der Außenmauer herauszureißen, die bereits im Juni in Teilen eingestürzt war. Das Dach hing danach weiter durch.

Katrin Steinert

Vergangene Woche erfolgte der Polizeieinsatz, bei dem sich die Einsatzkräfte über die Rückseite Zugang zum Haus verschafften. Der Versuch, durch die Haustür hineinzugelangen, scheiterte laut Anwohnern. Niemand öffnete dem Bauamtsmitarbeiter die Tür, berichten sie. Auf Anfrage unserer Zeitung erklärt Lars Brummer vom Polizeipräsidium Koblenz zum Einsatz: „Das Bauamt bat um Amtshilfe, weil es an dem Gebäude zu einem Siegelbruch gekommen ist und der Mitarbeiter des Bauamts im Gebäude Personen vermutete.“ Vier Menschen wurden darin angetroffen und vorläufig festgenommen.

Vier Menschen festgenommen

Dabei handelte es sich um drei Männer und eine Frau. Die Frau und einer der Männer stammen aus Venezuela, die beiden weiteren aus Peru und Kolumbien. Laut Stadt-Pressestelle hielten sie sich illegal in Deutschland auf. Sie wurden vorläufig festgenommen, um sie erkennungsdienstlich zu behandeln, erklärt Lars Brummer.

Auf Nachfrage, was konkret mit den vier Menschen geschieht, erklärt Sprecher Thomas Knaak für die Koblenzer Ausländerbehörde: „Sie sind nach Trier in die Landesaufnahmeeinrichtung gereist, weil sie sich illegal hier aufgehalten haben. Wie es dort mit ihnen weitergeht, können wir nicht vorhersagen.“ Wenn diese etwa einen Asylantrag gestellt haben, werden sie künftig auf die Kommunen verteilt.

Außenmauer bricht im Juni weg

Eine Frage, die Neuendorfer Anwohner umtreibt, ist: Was geschieht nun mit dieser einsturzgefährdeten Immobilie? Der Eigentümer soll diese vor ein bis zwei Jahren gekauft haben, berichten sie. Schon lange zuvor sei das Haus marode gewesen, heißt es. Die direkten Nachbarn haben nun Angst um ihre Häuser, wenn weitere Teile einstürzen sollten.

Am Dienstag gab es jetzt einen Ortstermin mit dem Eigentümer, bestätigt die Stadt. „Von uns waren zwei Kollegen der Bauaufsicht vor Ort, um mit dem Eigentümer über zu erfolgende Sicherungsmaßnahmen zu sprechen.“

Seit dem Einbruch der Außenmauer im Juni war das Gebäude offen. Ein Teil des Fachwerks, das beim Bruch noch stand, soll zuletzt mutwillig eingerissen worden sein. Seitdem hängt das Dach noch mehr durch. „Die wollten da sicher aufmauern“, heißt es unter den Neuendorfern. Denn sie sahen, wie Steine von einem Anhänger in den Hausflur getragen und gestapelt wurden.

Decke des ersten OG stürzt ein

Vor Jahren schon, so berichten Anwohner, soll ein Teil des Bodens der Dachgeschosswohnung in den darunter liegenden ersten Stock durchgebrochen sein. Die offene Rückseite wurde zuletzt mit Planen abgehängt. Die Anwohner vermuten, dass niemand sehen sollte, dass drinnen gearbeitet und gehaust wird. „Auch die Fenster im Erdgeschoss wurden nach vorn mit Platten dicht gemacht“, schildert einer. Dennoch sah man, dass im Haus Licht brannte.

Bereits 2007 berichtete unsere Zeitung über eine Mutter und ihre Kinder, die im Dachgeschoss des maroden Hauses wohnten, in das es reinregnete, wo Schimmel blühte und ein Teil der Decke einstürzte. Dennoch gab es seitdem immer wieder Mieter.

Katrin Steinert

Im März und April dieses Jahres erhielten die Menschen, die darin lebten, Verfügungen, die sie aufforderten auszuziehen. „Danach wurde eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen“, erklärt die Stadtpressestelle. Allerdings wohnten anschließend nochmals Leute dort, die wiederum per Anordnung ausziehen mussten. „Danach wurde das Haus Mitte November versiegelt.“ Als es nun nach einem abgestimmten Siegelbruch und neuem Versiegeln zum unerlaubten Bruch kam, folgte der Einsatz.

Vor wenigen Wochen, so erzählt ein Neuendorfer, fragte er interessehalber zwei Männer, die dort lebten und eine neue Wohnung suchten, wie viel sie für die 70-Quadratmeter-Parterrewohnung zahlten. Der jüngere sprach relativ gut Deutsch, sagt der Einheimische. „Er gab an, 600 Euro zu zahlen.“

Auf Nachfrage, welche Kosequenzen auf den Eigentümer warten, darf die Stadt sich zum laufenden Fall nicht äußern. Knaak schreibt: Grundsätzlich sind Siegelbrüche Straftaten. Eine bauaufsichtliche Nutzungsuntersagung zu missachten, ziehe ein Ordnungswidrigkeitenverfahren nach sich.

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