73 Prozent der gespendeten Textilien aus DRK-Sammelcontainern werden weitergetragen - Teil landet im örtlichen Laden
Pia und die Altkleider von Koblenz: Was passiert mit unseren ausrangierten Klamotten?
Im Kleidershoplager des DRK Koblenz sortiert Pia mit Leidenschaft die Altkleider anderer. Vor allem besondere Vintage-Stücke haben es ihr angetan. Hier landen Textilien, die vor dem Haus in die DRK-Container geworfen oder persönlich im Laden abgegeben wurden – also Koblenzer Stücke.
Katrin Steinert

Pia, rote Haare und gute Laune, ist so etwas wie eine Schatzsucherin. Die Koblenzerin liebt es, Altkleidersäcke zu öffnen, die andere zuvor in einen Sammelcontainer geworfen haben. Im Kleidershop des DRK ist die 32-Jährige mit ihrer Leidenschaft für Vintage-Stücke deshalb genau richtig. Ihr Lieblingsort ist das Lager. Hier wird geöffnet, gesichtet, aussortiert und Gutes für den Shop übernommen.

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Im Kleidershoplager des DRK Koblenz sortiert Pia mit Leidenschaft die Altkleider anderer. Vor allem besondere Vintage-Stücke haben es ihr angetan. Hier landen Textilien, die vor dem Haus in die DRK-Container geworfen oder persönlich im Laden abgegeben wurden – also Koblenzer Stücke.
Katrin Steinert

Pia erzählt: „Einiges in den Tüten müffelt zwar, aber manchmal finde ich wirklich ganz ganz tolle Dinge.“ Sie lächelt und fasst sich ans Herz. Dann betont sie, dass die Leute alles spenden oder persönlich abgeben sollen, egal wie es riecht, „weil es dann weiterverwertet wird“.

Koblenz – die Stadt der Altkleider. Allein der DRK-Kreisverband Koblenz hat 57 Sammelcontainer im Stadtgebiet aufgestellt. Jeder wird einmal wöchentlich geleert, manche zweimal. Mehr als 300 Tonnen Kleidung kommen so laut DRK Koblenz im Jahr zusammen. Auch AWO, Caritas, Diakonie und andere Sozialverbände sowie Unternehmen profitieren von dem, was die Koblenzer zu Hause aussortieren.

Teilweise bekommt der Kleidshop Neuware gespendet, etwa aus Schaufensterdekorationen. Die wird etwas teurer verkauft.
Katrin Steinert

Fakt ist: Mit abgelegten Kleidern und Schuhen lässt sich Geld verdienen, ob durchs Recycling oder den Weiterverkauf. Das Geld fließt bei kirchlichen und sozialen Einrichtungen in deren Projekte und Angebote, die sich meist an sozial Schwache richten. Somit tragen Kleiderspenden in Koblenz dazu bei, Menschen, die es nicht so gut haben, am Ort zu unterstützen.

Doch wie genau funktioniert die Verwertung der Hosen, Strümpfe und Sandalen eigentlich? Was passiert mit unseren ausrangierten Sachen, wenn wir sie einmal in die Container geworfen haben?

Martin Maser, DRK-Geschäftsführer Koblenz-Stadt
Katrin Steinert

Einer, der es wissen muss, ist Martin Maser. Er ist Geschäftsführer des DRK-Kreisverbands Koblenz-Stadt und noch recht neu hier. Das Geschäft aber kennt er: 22 Jahre war er zuvor Geschäftsführer des Kreisverbands Rhein-Hunsrück. Seit 1. Juli ist er nun hier, und der 59-Jährige freut sich über das Interesse am Thema Altkleider. Er meint: „Es ist Wahnsinn, wie viel von den Altkleidern und Schuhen recycelt wird.“

In Rheinland-Pfalz arbeitet das Deutsche Rote Kreuz mit der Firma Soex zusammen, einer Textilvermarktungs-GmbH. Deren Fahrer leeren im Stadtgebiet die DRK-Container und bringen den Inhalt zum Sortieren. Die Alttextilien, Schuhe und anderes, was sich darin befindet, werden zu großen Teilen weiterverkauft oder recycelt. Das Unternehmen mit Sitz in Niedersachsen hat es sich zum Ziel gemacht, irgendwann den gesamten Inhalt der Container zu recyceln und somit verwertbar zu machen. Bereits heute erreicht Soex eine relativ hohe Quote. Nur etwa 4,8 Prozent des Inhalts wird verbrannt.

75 Prozent des Inhalts sind Altkleider

Von dem, was Soex aus den Containern zu Geld macht, profitiert der DRK-Kreisverband Koblenz. Geschäftsführer Maser betont: „Die Erträge fließen zu uns zurück, natürlich abzüglich der Kosten, die Soex für den Transport, das Sortieren und die Weiterverwertung hat.“

Tatsächlich sind 75 Prozent des Inhalts Altkleider. 6 bis 8 Prozent machen Schuhe aus. 14 Prozent sind Restmüll, Bioabfälle, Elektrogeräte, Kinderwagen und Möbel. 4 Prozent sind reiner Müll. Die Fahrer sortieren beim Abholen vor, bevor es in die Sortierwerke geht.

Auch im DRK-Kleidshop werden wöchentlich die Säcke und Tüten aus den sechs Containern gesichtet und sortiert, die oben vor der Geschäftsstelle in der Ferdinand-Sauerbruch-Straße 12 stehen. Dann schlägt Pias Herz jedes Mal höher. Denn jedes Kleidungsstück wird rausgeholt, angeschaut und auf Unversehrtheit und Größe überprüft. „Und manchmal finden wir darin dann solche Schätze“, sagt sie und holt einen bunten Vintage-Overall für Kinder. „Ist der nicht toll!“, schwärmt sie.

Alles, was die 32-Jährige und die sechs ehrenamtliche Helfer aussortieren, weil sie es hier am Ort nicht gebrauchen können, wird weiter zu Soex gegeben. Pia ist froh, dass nichts verloren geht. Als der Ukrainekrieg begann und für Flüchtlinge gesammelt wurde, brachten die Koblenzer so viele Säcke voller Kleider, dass nicht für alles Platz war und gesichtet werden konnte. Pia erzählt: „Wegen des Brandschutzes mussten wir ungeöffnete Säcke weitergeben.“ Das fiel ihr damals schwer. „Ich konnte das nicht übers Herz bringen, die Säcke wegzuschmeißen, wegen der Schätze, die darin warten.“

Pias Lieblingsvintage-Overall für Kinder
Katrin Steinert

Damals war Pia als ehrenamtliche Helferin neu hier, mittlerweile ist sie angestellt. „Herr Maser erklärte mir, dass das alles zu Soex kommt und dort durchgeschaut wird.“ Da war sie beruhigt: Es kommt nichts ungenutzt weg.

Für das Unternehmen Soex sind alle Alttextilien, ob sie Löcher haben oder gut erhalten sind, von Wert – wenn sie auch unterschiedlich viel Geld einbringen. „Wenn ein T-Shirt zehn Löcher hat, müssen wir es schreddern“, sagt Regional-Account-Manager Frank Nemeth. Die Fasern werden beispielsweise der Produktion von Autohimmeln beigemischt. Tatsächlich scheinen die Menschen aber sehr viel Tragbares auszurangieren. Experte Nemeth sagt: „73 Prozent der gesammelten Altkleider werden definitiv weiter getragen.“

Profis sichten die Kleidung

Was Pia als Koblenzer Schatzsucherin aus Leidenschaft gern tut, ist für andere ein Fachgebiet. Soex beschäftigt Spezialisten, die die Kleiderspenden auf wertvolle Stücke durchschauen. Die brauchbaren Kleider werden entsprechend ihrem Wert an verschiedene Secondhandläden, Kleiderkammern oder spezielle Vintageläden verkauft.

Leider werfen die Spender in nicht nur Kleider in die Sammelbehälter. Die Fahrer, die diese leeren, finden meist auch sehr viel anderes: Grillzubehör, ein verwesendes Spanferkel, weggeworfene Dönerreste. Soex-Manager Nemeth meint: „Es ist manchmal eine Zumutung für unserer Fahrer, was man denen antut.“

An manchen Stellen quellen die Sammelcontainer über. Dieses Bild hat Rudi Krawitz auf dem Asterstein gemacht.
Rudi Krawitz

Ein weiteres Problem, auf das uns ein Leser aufmerksam machte und damit diese Geschichte ins Rollen brachte: Immer wieder quillen die Sammelcontainer – scheinbar – über. Tüten über Tüten liegen vor den Behältern. Dazwischen sieht man oft auch Spielzeug, Monitore oder kaputte Möbel. Frank Nemeth erklärt das Phänomen so: Wenn der Wechsel von Winter- auf Sommermode ansteht, misten viele Koblenzer ihre Kleiderschränke aus. Besonders krass war es in der ersten Zeit der Pandemie: „Da hatten wir Berge an Altkleiderspenden. Das war der Wahnsinn“, sagt der Soex-Mann. Die Menschen hatten Zeit, ihr Zuhause zu entrümpeln.

Und sobald irgendwo eine Tüte liegt, macht der nächste Spender es genauso.

Soex-Regional-Account-Manager Frank Nemeth

Doch nicht immer sind die Container überfüllt, wenn es so aussieht. Nemeth schildert, dass die Leute manchmal faul sind und die Tüte davor abstellen. „Und sobald irgendwo eine Tüte liegt, macht der nächste Spender es genauso“, weiß Nemeth. Die Behälter sind dabei meist nur halb gefüllt. Manchmal verstopfen auch Mitbewerber den Einwurf mit Schaumstoff. „Das kommt alles vor“, sagt Nemeth.

Das Lager: Hier wird sortiert, aussortiert und Ordnung gemacht.
Katrin Steinert

Pia steht im Lager und sortiert Jacken. „Hier ist mein Reich“, sagt sie fröhlich. „Ich mache grad Inventur.“ Natürlich nicht im wirtschaftlichen Sinn, betont Geschäftsführer Maser. Pia will sich einen Überblick verschaffen, was an jahreszeitlichen Kleidungsstücken, an Größen, an Karnevalskostümen und so weiter da ist. Lagerhüter werden besonders günstig abgegeben, und anderes für Soex aussortiert. „Wenn wir 100 Hemden haben, brauchen wir keine weiteren 100“, sagt Pia. Denn die Kapazitäten im Laden und Lager sind begrenzt. „Man muss auch ab und zu das Lager freikriegen, um frische Kleidung unterzubringen“, erklärt die 32-Jährige. Damit bietet sie auch Stammkunden Abwechslung.

Die Erträge fließen zu uns zurück, natürlich abzüglich der Kosten, die Soex für den Transport, das Sortieren und die Weiterverwertung hat.

Martin Maser, Geschäftsführer DRK-Kreisverband Koblenz

Täglich kommen etwa 30 bis 40 Menschen in den Shop. Hier darf jeder einkaufen, einen Berechtigungsschein braucht man nicht. T-Shirts kosten 2 bis 3 Euro, Schuhe 3 bis 4 Euro, Winterjacken gibt es für 10 bis 13 Euro. Manchmal gibt es Aktionstage: Dann kostet jedes T-Shirt 1 Euro. Und manchmal spenden große Firmen Schaufenstermode. „Die ist dann wie neu und etwas teurer“, erklärt Pia. Generell kostet jedes Teil etwas, auch wenn es kostenlos abgegeben werden könnte. Geschäftsführer Maser erklärt: „Wenn es nichts kosten würde, dann würde alles mitgenommen und ein paar Meter weiter auf der Wiese weggeworfen.“ Dafür sei die Schutzgebühr gut.

Pia und ihre Kollegin Sabrina, die an der Kasse arbeitet, haben festgestellt, dass seit etwa anderthalb Monaten deutlich mehr Menschen den Kleidershop nutzen, auch viele, die sie noch nicht kennen. Kaum einer will mit der Zeitung sprechen, manche können es sprachlich auch nicht. Eine 53-jährige Stammkundin erzählt, dass sie generell gern Secondhand einkauft. „Ich finde immer wieder Schnäppchen, gute Sachen, die andere wegtun.“ Pullover, Hosen, Bettwäsche, Handtücher. Ob sie dies macht, um zu sparen, oder weil es ihr Freude bereitet? „Wer muss denn heute nicht aufs Geld achten?“, entgegnet sie.

Altkleider in Koblenz spenden und kaufen

In Koblenz stehen nicht nur von DRK (58) und AWO (70) Altkleidercontainer, sondern unter anderem auch von der CarMen gGmbH (10). Der Erlös aus dem Verkauf der Spenden fließt an die jeweiligen sozialen Organisationen zurück. In Koblenz gibt es auch Abgabe- und Verkaufsstellen gemeinnütziger Einrichtungen, die keine Container aufstellen, bei denen man Altkleider persönlich abgeben kann: DRK-Kleidershop, Ferdinand-Sauerbruch-Straße 12; Kleiderladen der Caritas/CarMen gGmbH, Hohenzollernstraße 118–120; Diakonie Kinderkaufhaus+, Bodelschwinghstraße 36g; Oxfam-Shop, Schloßstraße 26; AWO-Unikatekaufhaus (Möbel), Wallersheimer Weg 64. kst

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