Im 19. Jahrhundert bildeten sie über Jahrzehnte eine Gemeinde und waren doch ein recht ungleiches Paar: die heutigen Koblenzer Stadtteile Lützel und Neuendorf. Während Neuendorf nicht zuletzt landwirtschaftlich ausgerichtet war, lebten in Lützel, vor allem nach der Eröffnung des Güterbahnhofs 1857, viele Eisenbahner und Arbeiter, die teilweise aus weit entfernten Regionen Deutschlands hierher gezogen waren. 1886 sollte die ungleiche Liaison nach dem Willen der Lützeler ein Ende haben. Sie unterbreiteten dem Koblenzer Bürgermeister eine Petition mit dem Tenor: Weg von Neuendorf.
Der vor fünf Jahren gegründete Verein für „Geschichte in Lützelcoblentz“ hat diesen früheren Zwist der beiden Koblenzer Stadtteile nun recherchiert, und im Rahmen eines Geschichtsfests, das am Sonntagnachmittag gut 100 Besucher in das Bürgerzentrum Lützel lockte, mit einer kleinen Dokumentation, Vorträgen sowie einem Theaterstück trefflich dargestellt.
Theaterstück des Geschichtsvereins kommt gut an
Vor allem das Theaterstück aus der Feder von Renate und Werner Weber ließ die damaligen Zeiten wieder recht plastisch auferstehen. Geschickt wurden dabei auch andere Streitthemen des ausgehenden 19. Jahrhunderts verhandelt. So beispielsweise die Frage: Wer darf Einfluss nehmen, wer darf eine solche Petition überhaupt unterschreiben? Dass man damals in Lützel in der Gaststätte Hackenbruch, die sich in der Neuendorfertraße 2 befand, zu dem Schluss kam, alle Haushaltsvorstände sollten unterschreiben, auch die Haushalte, bei denen eine Frau vorstand, war für das ausgehende 19. Jahrhundert äußerst fortschrittlich.
Das Theaterstück bringt diese Debatten lebhaft zum Ausdruck, und es zeigt die verschiedenen gesellschaftlichen Schichten des damaligen Lützels. Da sind unter anderem der sogenannte Holzbaron, der mit Holzhandel reich geworden ist, der konservative Lehrer, die Gaststättenbesitzerin, der Metzger oder die Eisenbahner, die miteinander streiten. Das alles ist kurzweilig arrangiert und mit viel Witz vorgetragen, zumal das Stück eine geschickte Verbindung zur Gegenwart knüpft. Die Versammlung in der Gaststätte Hackenbruch findet nämlich ein Schreiben aus dem Jahr 2024, in dem die Lützeler sich darüber beklagen, dass sie weder ein Mitglied im Stadtrat haben noch einen Ortsbeirat besitzen und zu wenig Gehör bei Themen wie Parkraumbewirtschaftung oder Zukunft des Geländes der Standortverwaltung fänden.
Ausstellung arbeitet Lützeler Leben im 19. Jahrhundert auf
Neben dem Theaterstück präsentierte der Lützeler Geschichtsverein auch eine kleine Ausstellung zu Lützel im 19. Jahrhundert. So konnte man unter anderem anhand einer Landkarte sehen, dass sehr viele der damaligen Unterzeichner der Petition aus fernen Gegenden des damaligen Deutschlands stammten. Lützel war somit bereits im 19. Jahrhundert ein Schmelztiegel der Kulturen.
In unmittelbarer Zukunft will der Geschichtsverein nun zudem ein Buch herausbringen, in dem Kurzbiografien der Frauen und Männer, die 1886 die Petition unterzeichneten, veröffentlicht sind. Einen trefflichen Vorgeschmack auf diesen spannenden Blick in die Lützeler Geschichte lieferte man bereits beim Geschichtsfest im Bürgerzentrum Lützel.