Nikolai Kugel hat ihn erfunden
Pavillon ist Kühlschrank auf Zentralplatz in Koblenz
An heißen Tagen ist es auf dem Zentralplatz vor dem Forum kaum auszuhalten. Dann kommt dem weißen Pavillon eine wichtige Funktion zu: Abkühlung schaffen.
Katrin Steinert

Heiß, heißer, ... Zentralplatz! Im Zentrum von Koblenz ist es bei hohen Temperaturen kaum auszuhalten. Nikolai Kugel hat einen Pavillon entwickelt, der für Abkühlung sorgt, und schlägt vor, wodurch das Platzklima generell besser werden könnte. 

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Nikolai Kugel ist der Initiator des weißen Pavillons, der nun für drei Monate auf dem Koblenzer Zentralplatz steht. Der 54-jährige Diplomingenieur und Architekt lehrt seit drei Jahren an der Hochschule Koblenz. Hier bringt der Professor Studierenden bei, wie sie Tragwerkskonstruktionen planen – und forscht mit einigen von ihnen am Schattenspender.

„Wir wollen wissen, ob es den Menschen gefällt und ob man den Kühleffekt messen kann.“
Nikolai Kugel zur Forschung am Pavillon mitten in Koblenz

Kugel wohnt unweit vom Campus, wählt sich zum Zoommeeting mit unserer Redaktion aber aus dem Homeoffice ein. „Hier ist es ruhiger“, sagt er, die Kopfhörer auf den Ohren, und lächelt nett.

Das Membrandach ist gespannt wie ein Speichenrad. Forscher Kugel sagt: „Mit dem Pavillon soll ein Ort entstehen, wo man sich aufhalten kann, wenn es auf dem Rest des Platzes nicht geht.“
Katrin Steinert

Sein Spezialgebiet sind wandelbare Membranen – wie sie beim Pavillon in Koblenz eingesetzt werden. Ein Begriff, der sich technisch anhört, wohinter aber viel Alltagstaugliches steckt: „Alles zwischen einem normalen Sonnenschirm, einer Markise und einem Stadiondach, das auf- und zugezogen werden kann, muss geplant werden“, sagt Nikolai Kugel. Und genau das hat er als Freiberufler in Stuttgart 20 Jahre lang gemacht: Schattenspender konstruiert, beispielsweise für die Salzburger Festspiele, für Innenhöfe in Wien oder München.

Seinen Schwerpunkt brachte der Stuttgarter mit an die Hochschule Koblenz – und damit die Idee, eine Konstruktion zu planen, die unter realen Bedingungen untersucht wird, und an der die Studierenden forschen können. Heraus kam der Pavillon, den Kugel mit einer Kirmesbude vergleicht. Warum? Und was genau erforscht wird, haben wir mit ihm im Videogespräch geklärt.

Nikolai Kugels Spezialgebiet sind wandelbare Schattendächer. Der Architekt lehrt seit drei Jahren an der Hochschule Koblenz, wie Tragwerke konstruiert werden. Er hatte die Idee, den Forschungspavillon zu entwickeln.
Nikolai Kugel

1Der Pavillon steht ohne Personal auf dem Zentralplatz: Wird dort trotzdem geforscht? Ja, darauf weist eine Nebelmaschine hin, die an der Seite des Pavillons installiert wurde. Hochschuldozent Nikolai Kugel erklärt: „Wenn es richtig heiß wird, soll hier feiner Sprühnebel durch Verdunstung die Luft abkühlen.“ Denn wenn etwas verdunstet, entzieht es der Umgebung Wärme. Das funktioniert beim Schweiß genauso.

Studierende haben sich schon vorher mit dem Projekt beschäftigt, eben beispielsweise mit der Nebelmaschine. Sie haben geschaut, wie diese funktioniert, was am Ort gebraucht wird, haben eine Ausschreibung dafür gemacht, untersucht, wie die Düsen angeordnet werden müssen und vieles mehr.

„Man könnte das grüne Plastikband an dem Gebäude (Forum Mittelrhein, Anm. d. Red.) in echtes Grün umwandeln und den ein oder anderen Baum hinstellen.“
Das sind Nikolai Kugels spontane Ideen, wie man den Zentralplatz in Koblenz insgesamt besser abkühlen könnte.

Wenn die Nebelmaschine an heißen Tagen läuft, sollen Studierende Messungen und Befragungen durchführen, berichtet Kugel. „Wir wollen wissen, ob es den Menschen gefällt und ob man den Kühleffekt messen kann.“ Man sei zudem gespannt, wie der Pavillon generell angenommen wird, ob er gern genutzt wird, abgelehnt oder beschädigt wird.

Da an vielen Tagen keine Studierenden am Ort sind, soll eigentlich eine Informationstafel erklären, was es mit dem Pavillon auf sich hat. „Die war weg und ist jetzt wieder da“, sagt Nikolai Kugel. Per QR-Code können Interessierte dann zu weiteren Informationen auf der Hochschulseite gelangen.

2Warum vergleicht der Architekt den Pavillon mit einer Kirmesbude? Das liegt an seiner Zertifizierung als sogenanntes fliegendes Bauwerk. Damit braucht es kein aufwendiges Baugenehmigungsverfahren, sondern kann relativ unkompliziert auch in anderen Städten wie Berlin oder München aufgebaut werden. „Wie eine Kirmesbude oder ein Riesenrad“, sagt Kugel.

Anfangs fehlte eine Info-Tafel, was es mit dem Pavillon auf sich hat. Nun kann es jeder am Ort nachlesen. Hier befindet sich auch die installierte Sprühnebelmaschine.
Katrin Steinert

3Was ist aus Forschersicht besonders an diesem Pavillon? Zum einen ist die Größe des Pavillons besonders, sagt Nikolai Kugel. Dieser habe zwar ein relativ kleines, wandelbares Dach, „aber mit 130 Quadratmetern kann es nicht wie ein normales Sonnensegel behandelt werden“. Die Membrane muss so stark gespannt werden, dass keine 2 Tonnen Wasserlast durchbrechen können, und es muss enormen Windlasten standhalten. Dies erfordere eine besondere Statik.

Zudem ist der Pavillon eine natürliche Kühlanlage für den Ort. Zum einen spendet er tagsüber Schatten, zum anderen kann sich das Dach nachts einfalten, sodass der Boden seine Wärme „gegen den Himmel“ abgeben kann und abkühlt. Kugel erklärt: „Das Membrandach ist wie eine Wolke. Wenn sie weg ist, wird es nachts eiskalt.“

Damit er nicht wegweht, hat der Pavillon richtig schwere Füße. Neben einem (links) ist die schwarze Nebelmaschine zu erkennen, die an heißen Tagen eingesetzt werden soll. Sie soll nicht nur Passanten, sondern auch die Luft unter dem Pavillon abkühlen.
Katrin Steinert

Aber auch bei Regen bietet der Pavillon Schutz: Das Wasser wird in einer umlaufenden Rinne gesammelt und an den Stützen zu Boden geführt, sodass man an den Rändern nicht durch herablaufendes Wasser klitschnass wird. Allerdings kann der Regen natürlich von der Seite reinsprühen.

4Warum steht der Pavillon nicht auf dem Münzplatz in Koblenz? Kugel berichtet, dass man gern einen Platz in der Altstadt als Forschungsort haben wollte. „Das ging aber vonseiten der Stadt nicht für drei Monate wegen etlicher Veranstaltungen.“ So wurde der Zentralplatz angeboten – und gern genommen. „Wir wollten den Pavillon im städtischen Kontext, wo es richtig heiß wird.“

An heißen Tagen, hier ein Tag im Mai, ist es auf dem Zentralplatz in Koblenz kaum im Freien auszuhalten. Ein Vorschlag von Forscher Nikolai Kugel ist es, das grüne Plastikband am Forum Mittelrhein (links) durch echtes Grün zu ersetzen, wenn dies möglich ist. Denn Grünes verdunstet Wasser und trägt so zur Abkühlung des Ortes bei.
Katrin Steinert (Archiv). Katrin Steinert

5Wie könnte der Zentralplatz generell umgestaltet werden, damit es hier an heißen Tagen insgesamt kühler wird? Zu dieser Frage verweist der 54-jährige Professor auf eine Reise nach Paris, die er vor drei Wochen mit Studierenden unternahm. „Die Millionenstadt ist eine riesige Hitzeinsel, und die wird begrünt ohne Ende, das ist der Wahnsinn.“ Die Metropole will die grünste Stadt Europas werden, sagt Kugel.

Generell gilt, sagt Kugel: „Begrünung und Entsiegelung von Beton- und Steinflächen!“ Das sei das Wichtigste. „Es gibt natürlich Bereiche, wo man keine Bäume hinstellen kann.“ Da wäre ein Schattendach/ein Pavillon eine Alternative.

Ein Blick vom Parkdeck auf das grüne Plastikband, das ums Dach des Forums herumgeführt wird. Dies durch echtes Grün zu ersetzen, schlägt Nikolai Kugel vor, Initiator des Schattenpavillons.
Katrin Steinert

Und konkret zum Zentralplatz schlägt er auf Nachfrage vor: „Man könnte das grüne Plastik an dem Gebäude (Forum Mittelrhein, Anm. d. Red.) in echtes Grün umwandeln und den ein oder anderen Baum hinstellen.“ Kugel betont, dass dies ganz spontane Ideen zu der gestellten Frage sind, die nicht auf ihre Umsetzbarkeit hin geprüft wurden.

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