Koblenzer CDU-Fraktionschef
Otto: Wefelscheid ist nur an sich selbst interessiert
Der Koblenzer CDU-Fraktionschef Stephan Otto im Fraktionsbüro im Rathaus.
Jan Lindner

Die Koblenzer CDU ist im Stadtrat zwar stärkste Fraktion, aber in der Opposition gelandet. Grüne, SPD und Freie Wähler machen seit einiger Zeit gemeinsame Sache und geben die Richtung vor. Wie CDU-Fraktionschef Stephan Otto das ändern will.

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Es sind dicht gefüllte Tage und Wochen für führende Koblenzer Kommunalpolitiker, die daneben einen Hauptberuf haben: Deutscher Städtetag, Sparkassentag, Stadtrat samt Vor- und Nachbereitung, Oberbürgermeisterwahlkampf. Zwischen all dem trifft CDU-Fraktionschef Stephan Otto unsere Zeitung zum Gespräch im Fraktionsbüro, direkt neben einem Seiteneingang des Rathauses. Er äußert seine Sicht der Dinge auf das Bündnis im Stadtrat, bei dem seine Fraktion (derzeit) außen vor ist, bewertet die unsägliche Flaggen-Debatte in der jüngsten Ratssitzung und kritisiert Stephan Wefelscheid, Fraktionschef der Freien Wähler.

Herr Otto, Grüne und SPD haben ihr Bündnis im Stadtrat jetzt auch offiziell besiegelt. Seit einem halben Jahr kooperieren sie mit – für viele überraschend – Freien Wählern und Die Linke-Partei und haben eine fragile, knappe Mehrheit. Die CDU als stärkste Fraktion ist außen vor.

Richtig ist, dass das Bündnis fragil ist. Der Eindruck, den Herr Wefelscheid vermittelt, ist, dass Herr Wefelscheid nur an Herrn Wefelscheid interessiert ist. Das habe ich früher anders erlebt. Das zeigt sich auch darin, dass er persönlich im OB-Wahlkampf David Langner unterstützt, seine Fraktion in weiten Teilen aber nicht. Es ist politisch nicht nachvollziehbar, was ihn da reitet, was sich hinter seinem Paradigmenwechsel zum linken Spektrum verbirgt.

Wie erklären Sie sich das?

Die einzige Erklärung, die ich habe, ist, dass Herr Wefelscheid eine Position im Stadtvorstand oder an anderer exponierter Stelle anstrebt ...

... Sie meinen den Posten der Bürgermeisterin, die Wahl durch den Stadtrat findet nächstes Jahr statt. Und es gibt eine gültige Verabredung, dass die CDU das Vorschlagsrecht hat und dass Grüne, SPD und CDU ihren Fraktionen vorschlagen, die CDU-Kandidatin, wahrscheinlich Amtsinhaberin Ulrike Mohrs, zu unterstützen.

So ist es. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen vierten Dezernenten geben wird. Der stünde Koblenz zwar zu, das haben Grüne, SPD und OB aber vor zwei Jahren abgelehnt, als wir über die Dezernentenwahlen gesprochen haben. Jedenfalls haben Grüne, SPD und CDU sich damals gegenseitig zugesichert, die jeweiligen Kandidaten zu unterstützen. Und wir gehen natürlich fest davon aus, dass dieses Wort weiterhin Bestand hat.

Während der Haushaltsberatungen im November haben sich die Freien Wähler an Grüne und SPD angenähert. Was ist da aus Ihrer Sicht passiert?

Die Beratungen sind ein gutes Beispiel, vor Weihnachten ist der erste Haushaltsentwurf nur mit der Stimme des OB verabschiedet worden. Kurze Zeit später hat die Aufsichtsbehörde den Haushalt global beanstandet, er war rechtswidrig. Daher konnten wir nicht uneingeschränkt zustimmen, vor allem, wenn das Land das Konnexitätsprinzip („Wer Aufgaben bestellt, der bezahlt“) weiterhin nicht erfüllt. Das ist schließlich kein Allerweltsthema. Die CDU ist aber weiterhin in der Lage, mit guten sachlichen Argumenten Gutes für Koblenz durchzusetzen.

Wobei das wegen des angesprochenen Bündnisses zuweilen schwierig ist.

Wenn in der bürgerlichen Mitte WGS und FDP mit uns stimmen, haben wir noch keine Mehrheit. Dann müssen wir mit unserer Qualität überzeugen. Bekanntermaßen arbeiten wir nicht mit den extremen Rändern zusammen, mit AfD und Die Linke-Partei.

Nach der Kommunalwahl im Juni 2024 hat die CDU als stärkste Fraktion einen Führungsanspruch formuliert. Haben Sie den in Ihrer Lage immer noch?

Wir haben den Führungsanspruch gelebt und nach der Kommunalwahl alle demokratischen Kräfte zu Gesprächen eingeladen, alle unter Federführung des CDU-Kreisverbands ...

... die Gespräche hat Kreisvorsitzender Josef Oster geführt?

Ja, mit mir zusammen, als Fraktionschef war ich in die Gespräche eingebunden.

Warum ist daraus nichts Festes entstanden? Die Absprache zwischen CDU, Grünen und SPD vor zwei Jahren zu den Dezernentenwahlen schien eine gute Basis zu sein.

Es war relativ schnell klar, dass es zu keinem formellen Bündnis kommen würde. Es gibt die Bereitschaft von allen demokratischen Kräften, sich in Sachfragen zu verständigen. Darüber hinaus waren einige aus unserer Sicht nicht bereit, ihre liebgewonnene Zusammenarbeit der vergangenen Jahre aufzugeben und ein neues Bündnis ergebnisoffen zu besprechen.

Sie meinen Grüne und SPD?

Ja. In den Gesprächen wurde klar, dass mehr als der kleinste gemeinsame Nenner, sich in Sachfragen zusammenzusetzen, nicht machbar war. Das ist überhaupt nicht schlimm und verlangt von allen demokratischen Kräften ein Miteinander zur Lösung der Probleme.

Sie haben auch Freie Wähler, FDP und WGS eingeladen.

Da waren auch Gesprächspartner dabei, wo eine Bereitschaft kaum zu erkennen war.

Gemeint ist Stephan Wefelscheid?

Gemeint sind die Freien Wähler, die Herr Wefelscheid vertreten hat. Es war schnell zu erkennen, dass kein bürgerliches Bündnis möglich war.

Dann kamen die ersten Haushaltsberatungen im November 2024.

Darin sind wir mit einem horrenden Defizit im Finanz- und Ergebnishaushalt gestartet. Der OB hat in seiner Rede vorher allen Fraktionen angeraten, einen festen Konsolidierungswillen zu zeigen. Das haben wir als CDU wörtlich genommen und ein Paket von 42,5 Millionen Euro erarbeitet, wohl wissend, dass nicht alles mehrheitsfähig war. Aber es gab auch einige Punkte, die die Verwaltung nicht aufklären konnte oder wollte. Von allen anderen Fraktionen kam jedenfalls nicht ein einziger Konsolidierungsvorschlag.

Wie ging es dann weiter?

Wir haben allen demokratischen Fraktionen unsere Liste geschickt, sind dann aber vor allem von Grünen und Freien Wählern regelrecht beschimpft worden. Dem OB haben wir mehrfach angeboten, zwei, drei strittige Posten zu klären, um horrende Millionenbeträge einsparen zu können, etwa die noch ausstehende Abrechnung von Straßenausbaubeiträgen in Höhe von 8,3 Millionen Euro im Haushalt als Einnahmen zu etatisieren und durch einen Nachtragshaushalt ggf. korrigieren zu können.

Die umstrittene Erhöhung der Grundsteuer B wäre aus Ihrer Sicht also noch immer vermeidbar gewesen?

Ja, sie wäre zumindest entbehrlich gewesen. Man hätte den Haushalt ohne Erhöhung verabschieden können und wäre dann womöglich von der Aufsichtsbehörde gezwungen worden, die Grundsteuer zu erhöhen. Dann wäre sie der Täter gewesen, nicht wir, das ist ein Riesenunterschied. Das Land hätte sich entlarvt. Es ist völlig absurd, in einer Zeit, in der es viele Menschen ohnehin sehr schwer haben, noch die Steuern zu erhöhen bzw. die Erhöhung zu erzwingen.

Aber muss man deshalb wie die CDU gleich den ganzen Haushalt ablehnen?

Man muss sich fragen, was passiert wäre, wenn der Haushalt durch die Aufsichtsbehörde erstmal nicht genehmigt worden wäre, wir also eine haushaltslose Zeit gehabt hätten. Die Wahrheit ist: Die ersten acht, neun Monate hätte es überhaupt niemanden tangiert und ernsthaft getroffen. Der Frage, warum machen wir uns nicht ernsthaft auf den Weg und konsolidieren, war die einzige, bei der wir mit den übrigen Ratskollegen über Kreuz lagen.

Ihnen wurde vorgeworfen, dass Vereine und Verbände dann auf ihr Geld hätten warten müssen.

Im Haushalt haben wir etwa 31,5 Millionen Euro an freiwilligen Leistungen, davon sind 29 Millionen Euro vertraglich gebunden, sie müssen also auch ohne genehmigten Haushalt ausgezahlt werden. Die Zuschüsse wären verzögert ausgezahlt worden. Es ist ein Unterschied, ob man einfach dagegen ist oder womöglich in Kauf nimmt, dass Geld zeitversetzt ausgezahlt wird. Wir wären nicht handlungsunfähig gewesen, die Ablehnung des Haushalts war also nicht von Verantwortungslosigkeit geprägt. Im Übrigen wäre das nichts Neues gewesen, das gab es schon, als Joachim Hofmann-Göttig noch OB war.

Dennoch, seit den Haushaltsberatungen ist Ihre Fraktion außen vor. Wollen Sie Ihren Führungsanspruch noch mit Leben füllen? Wie wollen Sie sich weiter verhalten?

Wie schon gesagt, die Mehrheit des Linksspektrums von Grünen, SPD, Freien Wählern und Die Linke-Partei ist sehr fragil. Wir haben noch unseren Führungsanspruch, aber keine Führungsrolle, wenn man rein auf das Bündnis abstellt. Und um die Situation der Stadt zu verbessern, bleibt es bei unserem Angebot, in wichtigen Sachfragen Mehrheiten zu suchen. Fakt ist auch, dass nur ganz, ganz wenige unserer Anträge abgelehnt werden. Wir sind sehr interessiert daran, unsere Initiativen mehrheitsfähig zu machen und übernehmen dann gerne eine Führungsrolle. Aber natürlich müssen wir auch die aktuelle Gemengelage anerkennen. Ich weiß, dass die Spitze der Kreispartei weitere Gespräche plant.

In der jüngsten Ratssitzung gab es eine lange, hitzige und unsägliche Debatte. Die AfD hat einen Antrag gestellt, um mehr nationale Flaggen in Koblenz zu errichten. Die CDU hat dazu einen Änderungsantrag formuliert, wonach Europa-Flaggen aufgestellt werden sollten. Das Ende ist bekannt. War das wirklich nötig?

Der AfD-Antrag war rein provokant. Sie suchen sich immer ein Thema, wo sie wissen, dass das linke Spektrum ein Problem mit hat. Parlamentarier müssen immer in der Lage sein, den politischen Gegner mit einer sachlichen Auseinandersetzung zu stellen. Wir haben vorher die anderen Fraktionen und den OB darüber informiert. Die Geschäftsordnung sieht schließlich vor, dass der Ursprungsantrag durch einen weitergehenden Antrag nichtig wird und es darüber dann weder eine Debatte noch eine Abstimmung gibt. Heißt: Nur unser Antrag wäre zur Sprache gekommen, wir haben deshalb Europa mit ins Boot geholt, die europafeindliche AfD hätte letztlich für unseren Antrag und Europa stimmen müssen. Wir hätten sie ins Leere laufen lassen. Das ist ganz einfach ein Praktizieren der Geschäftsordnung des Stadtrats.

Wäre es nicht einfacher gewesen, gar keinen Änderungsantrag zu stellen und stattdessen den AfD-Antrag mit der Begründung der Verwaltung abzulehnen (finanzielle Auswirkungen, ohnehin genug Flaggen in Koblenz)?

Wir haben das in der Fraktion ausgiebig diskutiert und uns dann so entschieden. Vor einiger Zeit hat es bei einem ähnlich gelagerten AfD-Antrag zur Bundeswehr mit einem weitergehenden Antrag von uns genau so geklappt. Es wird doch von uns verlangt, dass wir uns auf sachlichem Weg damit auseinandersetzen. Jedenfalls ist das gegenseitige Beschimpfen keine brauchbare Lösung.

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