„Mobilität im ländlichen Raum – angebunden oder abgehängt?“ Fünf Experten gaben auf Einladung des Vorsitzenden Klaus Manns ihre ganz persönlichen Antworten. Und schnell wurde klar, dass pauschale Betrachtung der Verkehrswende außerhalb der Städte gar nicht möglich ist. „Den ländlichen Raum gibt es nicht“, betonte denn auch Stephan Pauly. Der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Rhein-Mosel (RMV) verwies beispielhaft auf unterschiedliche Besiedlungsdichten und räumliche Bezüge. Es kommt daher nicht von ungefähr, dass sich die Landkreise in Rheinland-Pfalz zwar austauschen, aber am Ende doch eigene Konzepte entwickeln müssen.
Die Runde zeigte aber auch, dass es nicht funktioniert, die Menschen zum gänzlichen Verzicht auf das Auto zu bewegen. Einem solchen Ansatz entgegen steht auch das Ergebnis einer Umfrage, das Christian Laberer, Referent für Umwelt- und Verkehrsgeografie beim ADAC, vorstellte. Rund 3500 Bürger aus dem ländlichen Raum hatten sich beteiligt. Das Ergebnis: Ein große Mehrheit fühlte sich gut angebunden, aber nur deshalb, weil das eigene Auto vor dem Haus steht. Das Ziel der Planer ist deshalb ein anderes: Sie wollen zum Beispiel Familien dazu bewegen, ihre Zweit- und Drittwagen abzugeben. Denn nicht selten übersteigt die Zahl der Autos die der Einwohner, was MdL Joachim Streit (Freie Wähler) am Beispiel des dünn besiedelten Eifelkreises Bitburg-Prüm, in dem er bis zur Landtagswahl Landrat war, deutlich machte. Demnach kommen auf knapp 100.000 Einwohner 106.000 Automobile. Ein Punkt, das zu ändern, wäre die öffentlichen Angebote attraktiver zu machen. Dabei ist es nicht mit einer Verbesserung von Linien und Taktung getan, es bedarf zusätzlich weiterer Angebote. Genau mit dieser Frage beschäftigt sich Prof. Meike Jipp. Die Leiterin des Instituts für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt nannte exemplarisch die Verbesserung digitaler Angebote, etwa bei Fahrgastinformationen und Buchung per App. Diese gibt es zwar bereits, doch ist oft noch Luft nach oben. Ein weiterer Punkt ist, die außerhalb der Stoßzeiten nicht selten spärlich besetzten Busse attraktiver zu machen – so etwa durch Einbauten, die das mobile Arbeiten möglich machen.
Die Onlinerunde zeigte aber auch, dass Kreise und Kommunen einen langen Atem brauchen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen nämlich, dass es fünf Jahre lang dauern kann, bis ein Angebot so angenommen wird, dass es als Erfolg bezeichnet werden kann. Stephan Pauly kann ein Lied davon singen. So orientieren sich die Menschen im Landkreis Bad Neuenahr-Ahrweiler stark am Großraum Köln/Bonn und fahren mit dem Auto dorthin, obwohl die Ahrtalbahn inzwischen S-Bahn-Qualität erreicht hat.
Im Übrigen ist es aus Sicht von Stephan Pauly um Bus und Bahn im ländlichen Raum besser bestellt als gemeinhin dargestellt. Und das liegt auch an der Änderung der Vergabepraxis. So können sich Busbetreiber, wenn sie sich bewerben, nicht mehr die Rosinen herauspicken. Vergeben werden nur noch sogenannte Linienbündel mit weniger stark frequentierten Strecken. Dennoch ist die Wunschliste, der Teilnehmer der von Katrin Wolf moderierten Podiumsrunde lang. Mehr Haltestellen, bessere Umsteigemöglichkeiten und Querverbindung sowie bessere Mitnahmemöglichkeiten für Fahrräder waren da nur vier Forderungen. Und dann gibt es noch einen Trend: Auch auf dem Land werden Elektrofahrräder immer beliebter, Kreise und Kommunen sind auch beim Radwegebau gefordert.
Eine weitere Frage: „Was tun in Räumen mit kleinen Gemeinden?“ Eine mögliche Antwort präsentierte Frank-Michael Uhle. Der Klimaschutzmanager stellte das Dorfautokonzept des Rhein-Hunsrück-Kreises vor. Acht Elektrofahrzeuge sind dort unterwegs, die Bürger können die Leasingfahrzeuge kostenfrei ausleihen und sogar für Kleintransporte nutzen. Der Landkreis Mayen-Koblenz wird dieses Modell übernehmen. Die Praxis zeigt: Es kann nur funktionieren, wenn sich direkt am Ort jemand um alles kümmert. Reinhard Kallenbach