Warum Oliver Stracke Baudezernent werden will und welche Ideen er für Koblenz hat
Oliver Stracke will Baudezernent in Koblenz werden: Ein Optimist ohne große Chancen
FDP Koblenz schlägt Oliver Stracke als neuen Baudezernenten vor
Er will Chef im Baudezernat werden, das seinen Platz im Rathausgebäude in der Bahnhofstraße hat: Der Koblenzer Oliver Stracke kandidiert gegen Andreas Lukas, der von drei Fraktionen getragen wird, die rechnerisch eine satte Mehrheit im Stadtrat haben.
Sascha Ditscher

Koblenz. Oliver Stracke will der neue Koblenzer Baudezernent werden. Doch bei allem, was man vorher ausrechnen kann, hat er eigentlich keine Chance. Im Interview mit der RZ erzählt der 52-Jährige, warum er sich trotzdem zur Wahl stellt.

FDP Koblenz schlägt Oliver Stracke als neuen Baudezernenten vor
Er will Chef im Baudezernat werden, das seinen Platz im Rathausgebäude in der Bahnhofstraße hat: Der Koblenzer Oliver Stracke kandidiert gegen Andreas Lukas, der von drei Fraktionen getragen wird, die rechnerisch eine satte Mehrheit im Stadtrat haben.
Sascha Ditscher

Die drei Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU haben Verabredungen getroffen, was die beiden neuen Dezernenten und die Wiederwahl der Bürgermeisterin angeht. Stracke wirkt entspannt. Ein fester Händedruck, dann geht er sich einen Tee holen. Das Interview mit der RZ kann beginnen. Am 15. Dezember stellt der 52-Jährige sich in der Sitzung des Stadtrats zur Wahl als Baudezernent.

Zum Nachfolger von Kultur- und Bildungsdezernentin Margit Theis-Scholz (SPD) ist bereits im Juli Ingo Schneider (parteilos) auf Vorschlag der SPD gewählt worden. Den Kandidaten für den Posten des Baudezernenten haben die Grünen vorgeschlagen und dafür Andreas Lukas nominiert, und die Wiederwahl der Bürgermeisterin Ulrike Mohrs wollen im Jahr 2026 alle drei Fraktionen unterstützen.

Wenn bei der Sitzung am 15. Dezember alle Ratsmitglieder da sind und die Mitglieder der drei vorschlagenden Fraktionen geschlossen für den Grünen-Kandidaten Lukas stimmen, kann der 39-jährige Jurist mit Schwerpunkt Baurecht und Umweltrecht trotz Abgängen aus der CDU noch 37 Stimmen auf sich vereinigen – eine klare Mehrheit der 56 Ratsmitglieder. Aber Stracke ist dennoch optimistisch. „Immer“, sagt er und lacht. „Optimistisch“ gehört zu den Wörtern, mit denen er sich selbst beschreiben würde – neben realistisch, lösungsorientiert, vernetzend, kämpferisch ... „Und ich bin ein Mannschaftsspieler.“ Das schon allein vom Fußball her. Aber auch sonst.

Ich komme vom Fußball. Das Spiel ist erst zu Ende, wenn der Schiedsrichter es abgepfiffen hat.“

Oliver Stracke

Es gibt einige Gründe, warum der Gülser sich zur Wahl stellt, berichtet er im Gespräch mit der RZ. Einen indes schließt er vehement aus: Um sein Ego gehe es überhaupt nicht, stellt er klar. Was dagegen ganz oben auf der Liste stehe: „Ich will bei der Gestaltung meiner Heimatstadt mitgestalten.“ Das tut er auch jetzt schon, an anderer Stelle: Die Abteilung Planung und Bau beim Eigenbetrieb Grünflächen- und Bestattungswesen, die er leitet, ist an den wichtigsten Bauprojekten der Stadt mindestens buchstäblich am Rande mitbeteiligt. So ist Stracke auch an den Gremiensitzungen beteiligt, kennt die wichtigen Projekte, sagt er. Und er führt ein Team von 15 Mitarbeitern. Würde er Baudezernent, dann wären es 650. Angst macht ihm die Zahl nicht.

Heimatstadt mitgestalten

„Ich war schon als Panz im Baudezernat“, erzählt Stracke, auch sein Vater war Ingenieur und hat bei der Stadt gearbeitet. Als „Ingenieur mit grünem Daumen“ sieht sich Stracke – und durchaus mit grünen Inhalten. „Das leben wir beim Eigenbetrieb schon lang.“ Als die Fraktion der Grünen aber im Mai Bewerber für den Posten als Baudezernent gesucht hat, hat er sich nicht beworben. „Ich würde nicht acht Jahre lang abhängig von einer Fraktion sein wollen.“ Dass die FDP ihn mittlerweile unterstützt, finde er „gut, in Ordnung“, gebeten habe er nicht darum. „Und ich bin auch in keiner Partei, werde auch in keine gehen.“

Ich hätte mich niemals anderswo als Baudezernent beworben. Mir geht es nur darum, meine Heimatstadt zu gestalten, nicht um irgendein Ego

Oliver Stracke

Seine Ideen für Koblenz, seine Bewerbung für den Dezernentenposten, hat Stracke in den vergangenen Wochen auch den Fraktionen vorgestellt. Bei den meisten war er eingeladen, außer bei den Grünen, der Fraktion Die Linke/Die Partei und der AfD. Auch bei CDU und SPD war er, obwohl sie sich ja eigentlich auf den Grünen-Kandidaten schon festgelegt haben. Dass sie seine Ideen trotzdem hören wollten, hat ihn gefreut und ein wenig ermutigt, doch an einen Sieg zu glauben.

„Wir brauchen eine schlagkräftige Bauverwaltung“, sagt Stracke, denn es stehen so viele Aufgaben an. Es gebe so unfassbar viele Vorschriften, die müsse man auch mal kreativ auslegen, ohne sie deshalb zu ignorieren. „Wir brauchen kreative Mitarbeiter“, sagt Stracke, „Mitarbeiter mit Eigenverantwortung.“ Und die brauchten Wertschätzung, „wir müssen auch eine Fehlerkultur leben“. Denn längst ist es für die Stadt als Arbeitgeber schwer geworden, die freien Stellen zu besetzen.

Die Arbeit nicht weiter verkomplizieren

Digitalisierung gebe es, aber zum Teil würden die Arbeiten dadurch nur noch komplizierter. „Wir brauchen eine Arbeitsgruppe ,Was bremst uns?'“, sagt Stracke. „Der Formalismus bringt uns teilweise um!“ Die Beschäftigung mit Fördermöglichkeiten sollte man zentralisieren, wünscht er sich, „denn wenn Sie technisch denkende Menschen zwingen, Anträge auszufüllen, ist das nicht optimal“. Wichtig sei auch eine weitere Vernetzung über Abteilungen und Ämter hinweg, findet Stracke.

Ganz viele grüne Themen leben wir sowieso jeden Tag beim Eigenbetrieb Grünflächen- und Bestattungswesen. Aber mir ist es wichtig, dass ich parteilos und von niemandem abhängig bin.

Oliver Stracke

Viele Themen sind ohnehin da, ohne dass man sie suchen muss, festgelegt durch den Verkehrsentwicklungsplan, den Masterplan Straße und viele andere bestehende Rahmen. Dazu gehören auch der Radwegeausbau und der Versuch, energieautark zu werden. „Die Stadt müsste da noch stärker Vorbild sein“, sagt Stracke. Und bei neuen Bebauungsplänen müsse man dann eben sofort darauf achten, dass die Gebäude statisch für Fotovoltaik auf dem Dach geeignet seien.

Schaut er auf das, was in den kommenden Jahren zudem getan werden muss, so sieht er vor allem, dass der „Substanzverlust der Infrastruktur“ gestoppt werden müsse, bei Straßen, Brücken, städtischen Gebäuden, in Anlagen, auf Friedhöfen, auch am Deutschen Eck. „Die Stadt ist schön, aber wir müssen sie auch erhalten!“ Auch Denkmäler im Übrigen. „Das Münzmeisterhaus beispielsweise gehört in öffentliche Hand.“ Bei vielen Projekten sei Sanierung oft sinnvoller als Abriss und Neubau, findet er.

Zusammenarbeit mit der Wirtschaft

Apropos Neubau – wenn es nötig wäre, sollte man auch neue Baugebiete ausweisen, sagt Oliver Stracke. Und, ganz wichtig: Die Stadt müsse versuchen, dem großen Bedarf an Gewebeflächen gerecht zu werden, denn dies gewährleiste gleichzeitig einen hohen Teil der Einnahmen. Die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsförderung und Baudezernat sei enorm wichtig. Einen ganz elementaren Punkt sieht er in diesem Zusammenhang auch darin, systematisch Ausgleichsflächen vorzuhalten – „die werden nämlich wirklich langsam knapp“.

Oliver Stracke setzt seine Lesebrille auf, blättert in einer Liste, damit er nichts vergisst, was ihm wichtig ist. Dass die Stadt das Gelände unterhalb der Feste Franz zu einem Zentrum für Jugend, Kultur, Handwerk entwickeln könnte, wie es angedacht ist, findet er enorm reizvoll. Für die Gebäude am Florinsmarkt wünscht er sich eine gute Platzgestaltung, gemeinsam mit dem Investor. Und Sozialer Wohnungsbau müsse eventuell gemeinsam mit Investoren angegangen werden. Stracke geht seine Liste weiter durch. Ach so: Als Baudezernent wäre es ihm extrem wichtig, ein guter Partner für den Sport zu sein. Und noch was: Er möchte mit Vertretern aller Parteien auf der Sachebene diskutieren. „Offen für alle Ideen, egal, von wem sie kommen.“

Oliver Stracke...

... ist 52 Jahre alt, er lebt mit seiner Frau und den drei Kindern (19, 17 und 12 Jahre) in Güls. Geboren ist er in Lahnstein, sieht sich aber mit Leib und Seele als Schängel.

Stracke hat an der Fachhochschule Koblenz Bauingenieurwesen studiert und war dann erst einige Jahre bei der Landesstraßenbauverwaltung Nordrhein-Westfalen tätig, zunächst unter anderem beschäftigt mit Baurecht und Vergaberecht, später drei Jahre als Multi-Projekt-Koordinator.

2008 wechselte er zurück in seine Heimatstadt, erst als Bezirksingenieur bei der Straßenunterhaltung, dann neun Jahre lang als Projektleiter der Hochwasserschutzanlagen. Jetzt ist er beim Eigenbetrieb Grünflächen- und Bestattungswesen und hat dort den Geschäftsbereich Planung und Bau mit mittlerweile 15 Mitarbeitern übernommen.

Seinen Kontrahenten Andreas Lukas hat er bisher dreimal gesehen, sagt er auf Nachfrage der RZ, aber nur „Guten Tag“ gesagt und ihm die Hand gegeben. Am heutigen Freitagabend wird es wohl ein weiteres Treffen geben, die Freien Wähler haben zu einer Diskussion eingeladen, um 18 Uhr im Haus der Begegnung, „An der Liebfrauenkirche“ 20. Sie bitten um vorherige Anmeldung per E-Mail anfraktion.fw@stadt.koblenz.de.

Entschieden wird die Wahl aber nicht an diesem Abend, sondern in der Ratssitzung am Freitag, 15. Dezember, 13 Uhr, im Rathaussaal. Wenn der Kandidat der Grünen, Andreas Lukas, die Wahl gewinnt, wofür ja fast alles spricht, „dann ist das eben so“, sagt Stracke. „Dann ist er mein Chef.“ Kein Problem, sagt Stracke. Aber versuchen will er es. Ein Optimist eben.

FDP unterstützt den 52-Jährigen

Nach Gesprächen mit beiden Kandidaten, sowohl mit dem von den Grünen vorgeschlagenen und von den Fraktionen der SPD und CDU mitgetragenen Andreas Lukas als auch mit Oliver Stracke, unterstützt die zweiköpfige FDP-Fraktion Stracke. „Ich will den anderen Kandidaten gar nicht diskreditieren“, sagt FDP-Fraktionsvorsitzender Christoph Schöll gegenüber der RZ, „aber wir halten Stracke für den besseren Mann auf diesem Posten.“ Er habe gute Ideen für die Stadt und verfüge zudem über langjährige Erfahrungen, was Verwaltung und Führung angehe. Schöll lässt zudem auch keinen Zweifel daran, dass er die Vorgehensweise ablehnt: Die drei Fraktionen Grüne, SPD und CDU hatten sich im Vorfeld geeinigt, gemeinsam die beiden anstehenden Dezernenten zu wählen und Bürgermeisterin Ulrike Mohrs wiederzuwählen. Ingo Schneider ist nach dem Vorschlag der SPD bereits im Sommer zum Nachfolger von Margit Theis-Scholz gewählt worden und tritt nächste Woche sein Amt als Kultur- und Bildungsdezernent an. Bei seiner Wahl bekam er 40 Stimmen, es gab acht Gegenstimmen, drei Enthaltungen und einen ungültigen Stimmzettel.

Top-News aus der Region