Für den Bürgermeister ist das ein wichtiger Standortfaktor, von dem nicht nur die örtlichen Gewerbesteuerzahler im Ort profitieren, sondern alle, die hier leben. Dennoch gibt es noch etliche Baustellen im wahrsten Sinne des Wortes, die nicht nur ihm Kopfzerbrechen bereiten. Aber: Nicht nur für den Ortschef überwiegt das Positive.
Die Doppelgemeinde sind sehr gepflegt, das Miteinander der Menschen funktioniert hervorragend. Die guten Rahmenbedingungen werden auch nicht durch ein Kuriosum getrübt: Fährt man in Richtung Koblenz durch Pfaffenheck, zeigt das Ortsschild „Boppard – Ortsteil Pfaffenheck“, und kommt man aus Richtung Koblenz, so steht auf der Tafel Nörtershausen – Ortsteil Pfaffenheck“. Grund dafür ist die Gemarkungs- und Kreisgrenze, die auf der Hunsrückhöhenstraße verläuft und den Ort teilt.
„Viele Pfaffenhecker wünschen sich ihre Kirche zurück ins Dorf, denn diese steht auf der Seite von Boppard“, ergänzt Paul Kreber. Diese merkwürdige Situation ist trübt das Gemeinschaftsgefühl nicht. Das gute soziale Klima ist auch der Grund, warum Paul Kreber sich entschieden hatte, doch zur Bürgermeisterwahl anzutreten. „Ich wollte etwas zurückgeben“, sagt er heute. 2015 wurde er mit deutlicher Mehrheit gewählt. Zuvor hatten ihn bekannte Bürger ermuntert, nachdem klar war, dass der bisherige Amtsinhaber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weitermachen wollte.
Anforderungen nehmen zu
Wenn Paul Kreber heute auf die vergangenen Jahre zurückschaut, betont er, dass er seine Entscheidung nicht bereut hat – auch wenn das Arbeitspensum erheblich gestiegen ist. Der Hauptmann im Ruhestand nennt vor allem zwei Probleme: die steigende Regulierungswut und die kommunalen Finanzen – also genau die Punkte, die auch Amtskollegen kritisieren.
Aus dem Trierer Raum stammend, hat sich Paul Kreber 1998 für die Gemeinde entschieden, vor allem deshalb, weil er sich hier mit seiner Frau den Traum eines Eigenheims erfüllen konnte. An ein ehrenamtliches Engagement war noch nicht zu denken, der Dienst bei der Bundeswehr, vor allem als Fahrlehrer, erforderte ein hohes Maß an Mobilität. Dann trat er bei den Gemeinderatswahlen doch für die CDU an. Am Ende reichte es für den parteilosen Offizier nicht, und fast wäre sein kommunalpolitischer Einsatz zu Ende gewesen, bevor er richtig begonnen hatte. Doch es kam bekanntlich anders.
Frisch gewählt, wurde Kreber quasi ins kalte Wasser geworfen. Das Erste, womit er sich befassen musste, war der Neubau des Bürgerzentrums. Entwürfe gab es bereits – und unzufriedene Kommentare. Kritiker hatten sich mehr Beteiligung gewünscht. Letztendlich entschied man sich einvernehmlich, das Ganze neu aufzollen. Es war der richtig Schritt, denn dadurch wurde es möglich, den neuen Gemeindemittelpunkt binnen zwei Jahren zu realisieren.
Im Februar 2021 konnte die Gemeindeverwaltung einziehen, doch bis zur Einweihungsfeier mussten sich Corona-bedingt alle noch gedulden. Im Rahmen eines Bürgerempfangs wurde im September alles nachgeholt. Dabei zeigte sich: Trotz der widrigen Umstände funktioniert das örtliche Vereinsleben immer noch gut. Und nicht nur das. Es gibt etliche Bürger, die sich ehrenamtlich für die Verschönerung des Orts einsetzen oder soziale Projekte auf den Weg bringen.
Der Blick geht nach vorn
Dennoch war es auch aus Sicht des Bürgermeisters höchste Zeit, wieder unter normalen Bedingungen zu feiern. Corona hat in der regionalen Vereinsszene Spuren hinterlassen, weil sich so manches Mitglied anders orientiert hat. Trotzdem geht in Nörtershausen und Pfaffenheck der Blick nach vorn – nicht nur angesichts der närrischen Session, sondern wegen eines gesellschaftlichen Ereignisses. Wird doch im Januar die St. Antonius-Kirmes gefeiert. Natürlich wird dabei das neue Bürgerzentrum im Mittelpunkt stehen, das den örtlichen Vereinen sehr gute Rahmendbedingungen garantiert, nachdem der Festsaal im Vorgängerbau wegen bautechnischer Mängel und mangelhafter Beheizung abgebrochen werden musste.
Man sieht: In der Doppelgemeinde bewegt sich viel – und es wird auch einiges bewegt. Es kommt nicht von ungefähr, dass viele am Ort bauen wollen. Das ist gar nicht so leicht, weil die Situation schon fast paradox erscheint: Einerseits gibt es in der Gemeinde genügend freies Bauland, andererseits übersteigt die Nachfrage das Angebot. Denn am Ort gibt es viele, die ihre Grundstücke nicht verkaufen wollen.
Was die Gemeinde tun kann, ist Überzeugungsarbeit leisten und Eigentümer motivieren, doch noch zu verkaufen. Einfach neues Bauland auf eigenen Parzellen ausweisen darf sie nämlich nicht. Sie muss sich an die Vorgaben der Verbandsgemeinde Rhein-Mosel halten, die derzeit den Flächennutzungsplan überarbeitet. Aktuell ist es so, dass die Gemeinde keine Freiräume erhalten wird, weil sie ja theoretisch über 50 freie Bauplätze verfügt. „Obwohl die Realität eine andere ist“, so Paul Kreber.
Der Bürgermeister weist darauf hin, dass man schon wegen der allgemeinen Kostenentwicklung darauf angewiesen, den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer zu verbessern. Möglichkeiten, neue Gewerbegebiete auszuweisen, gibt es nicht – zumindest nicht für größere Neuansiedlungen. So wird es bei den beiden großen Gewerbesteuerzahlern und einigen Kleinunternehmern am Ort bleiben. Das heißt: Finanziell können die Bäume nie in den Himmel wachsen. Dennoch ist die Gemeinde gehalten, ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen.
Ein dicker Brocken ist dabei der Ausbau der Kindertagesstätte im alten Schulgebäude, deren Gesamtkosten auf 1,6 Millionen Euro geschätzt werden. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Bundes- und Landesgesetzgebung die Akteure in den Regionen verpflichtet, jedem Kleinkind einen Kita-Platz zur Verfügung zu stellen. Für Kindertagesstätten in kommunaler Trägerschaft bedeutet das: Sie bleiben in der Regel auf den Investitionskosten sitzen. „Enttäuschend“, sagt Paul Kreber und weist darauf hin, dass ein Landeszuschuss von lediglich rund 120.000 Euro in Aussicht gestellt wird.
Das heißt: Die Doppelgemeinde wird Investitionskredite aufnehmend müssen, wobei die Kosten für die einzelnen Schritte auf mehrere Etats aufgeteilt werden. Auch im Haushaltsentwurf 2023, der bei der Ratssitzung am 15. Dezember eingebracht und wohl Anfang Februar endgültig verabschiedet wird, sind entsprechende Mittel reserviert. In der Konsequenz heißt das: Auch wenn das Land angekündigt hat, Verbindlichkeiten der Kommunen zu übernehmen, wird die Verschuldung von Nörtershausen und Pfaffenheck weiter steigen.
„Investitionskredite sind von der geplanten Entlastung nämlich nicht betroffen“, sagt der Bürgermeister und weist auf ein weiteres Paradoxon hin: Weil es in der Gemeinde aktuell genügend Kinder gibt, muss sie die Kita von 62 auf 74 Plätze vergrößern. Gelingt es aber nicht, weiteres Bauland auszuweisen, könnte es sein, dass junge Familien dorthin abwandern, wo es freie Grundstücke gibt. In der Gemeinde säße man dann mit einer überdimensionierten, teuren Kita da.
Viele ungeklärte Fragen
Das Problem würde auch dann nicht gelöst werden, wenn man sich dazu entschließen sollte, die Betriebsführung an die Verbandsgemeinde Rhein-Mosel zu übergeben. Dieser Schritt würde aus Sicht von Paul Kreber einerseits den Bürgermeister von einer Last befreien, andererseits wenig an der Finanzierung und den Personalproblemen ändern. Er verweist darauf, dass alle Höhengemeinden in der VG ähnliche Probleme haben. Für sie ist es schwerer, Fachkräfte für die Kita zu finden. Die vielen offenen Fragen sind wohl auch der Grund, warum man in Nörtsershausen-Pfaffenheck am 1. Januar nicht dem Vorbild von acht Gemeinden in der VG folgen möchte. Die Betriebsführung der örtlichen Kita bleibt vorerst in der Hand der Gemeinde. Man will zumindest bis 2024 warten.