Innenstadtentwicklung in Koblenz
Neue Quartiersmanagerin Astrid Fries will Altstadt lebenswerter machen
Die Koblenzerin Astrid Fries gilt unter Kollegen und Bekannten als kreativer Kopf. Sie wurde von der Universität Koblenz fürs Quartiersmanagement abgeworben. An der Uni war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am soziologischen Institut tätig.
Katrin Steinert

Astrid Fries ist als Quartiersmanagerin für die Innenstadt gestartet und wirkt daran mit, das Zentrum von Koblenz zu einem attraktiven Aufenthaltsort zu entwickeln. Eine vielseitige Aufgabe, in die auch die Bürger eingebunden werden.

Astrid Fries sitzt auf einer schattigen Bank am Rande des Jesuitenplatzes, einen Cappuccino in der Hand. Sie blickt hinüber zu den Tischen der Altstadtcafés, wo sich Einheimische und Touristen unter Sonnenschirmen tummeln, sich austauschen, ihre Bestellungen genießen.

Eine idyllische Stadtszenerie – könnte man meinen. Doch die 41-Jährige fragt: „Wo sind all die Menschen, die sich keinen Cappuccino für 4,50 Euro leisten können?“ Auch diese gehörten ins Zentrum, sagt sie.

Den Cappuccino hat sich Astrid Fries gegenüber im neu eröffneten Sprizz-Atelier geholt, trinkt ihn aber auf einer öffentlichen Sitzbank. "Toller Laden", sagt sie zur Sprizz-Atelier. Die 41-Jährige ist gern in der Stadt unterwegs, sitzt in ihren Cafés und Bars. "Ich liebe diese Stadt und ihre Menschen."
Katrin Steinert

Die Frau mit dem auffallenden Äußeren, orange gesträhnte Haare, Minirock, tätowierte Beine, Arme und Hände, ist seit wenigen Wochen die erste Quartiersmanagerin für die Innenstadt von Koblenz. Ihre Aufgabe im Entwicklungsprojekt „Lebendige Innenstadt“ ist es zunächst, den Draht zu den verschiedenen Gruppen und Menschen in Koblenz herzustellen, um herauszufinden, wie Koblenz tickt.

Dabei treiben sie Fragen wie diese an: Was brauchen Einheimische, um sich gern in der City aufzuhalten und am städtischen Leben teilzunehmen – egal, ob sie im Zentrum leben, aus Neuendorf, Immendorf oder vom Oberwerth stammen. Die 41-Jährige beschreibt das Projektziel so: „Es geht um eine sozial gerechte und klimafreundliche Innenstadt der Zukunft, die durch und durch lebenswert für a l l e Menschen ist, in der sich a l l e willkommen und wohlfühlen.“

Der Jesuitenplatz ist bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen ein beliebter Aufenthaltsort. Das Johannes-Müller-Denkmal (Koblenzer Anatom und Physiologe) bietet zwar kostenfreie Sitzplätze. Aber Astrid Fries gibt zu bedenken: "Für Senioren und Gehbeeinträchtigte ist dies keine Option." Diese müssen in einem Café Platz nehmen und etwas bestellen, um sich auszuruhen, was Fries nicht optimal findet.
Katrin Steinert

Dass es neuerdings diese Stelle für die Innenstadt gibt, hat einen Grund: Die Stadt Koblenz wurde vergangenes Jahr ins Städtebauförderprogramm „Lebendige Zentren“ aufgenommen. Im Zuge dessen lässt sie nun ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept erarbeiten, das abgekürzt Isek heißt. Es dient dazu, das Zentrum von Koblenz zukunftsfähig zu machen.

Mit der Konzeptentwicklung wurde das Büro „Stadt Beratung Dr. Sven Fries“ beauftragt. Die Stelle des Innenstadtmanagements gehört dazu, um die Bürger einzubinden, sie zu informieren und sie aktiv an der Entwicklung und Umsetzung zu beteiligen. Astrid Fries hält dabei auch den Kontakt zur Politik und Stadtverwaltung und begleitet den Umsetzungsprozess über Jahre hinweg.

Die Namensgleichheit mit dem Inhaber des Planungsbüros ist übrigens zufällig. Astrid Fries ist mit Sven Fries weder verwandt noch verheiratet, sagt sie. Die Koblenzerin, die seit vielen Jahren Dozentin an der Universität Koblenz war, wurde für die Stelle in dem Entwicklungsprojekt abgeworben und ist bei dem Büro angestellt.

Die Quartiersmanagerin ist im März gestartet. Was macht sie seitdem? „Ich rede viel mit Leuten und lerne die verschiedenen Blickwinkel auf meine Stadt kennen.“ Neulich, beispielsweise, führte der Vorsitzende der Bürgerinitiative „Unsere Altstadt“ die Koblenzerin durch „seine Stadt“, wodurch sie neue Perspektiven vermittelt bekam. „Viele verschiedene Menschen und Gruppierungen tragen dazu bei, mein Bild von der Innenstadt facettenreicher und bunter zu machen.“

Von der Dozentin zur Managerin: Wissen vermitteln und kommunizieren kann sie

Astrid Fries kennt Koblenz nicht nur als Einwohnerin, sondern auch als Forschende und Lehrende am Institut für Soziologie der Uni Koblenz. Ihr Schwerpunkt ist Kunstsoziologie. Zuletzt trat sie öffentlich in Erscheinung, wenn es beispielsweise um feministische Stadtplanung und das Gefühl von Sicherheit in der Stadt ging. Sie hat viel mit ihren Studierenden in der Stadt gearbeitet. „Mir ging es schon immer darum, dass die Studierenden auch ganz praktisch lernen, sich selbst ein Bild zu machen und eigene Ideen zu entwickeln.“

Der Kontakt mit Menschen und die Gabe, Wissen vermitteln und gemeinsam Ideen weiterentwickeln zu können, kommen Astrid Fries als Quartiersmanagerin zugute. In den Bürgerworkshops und ihren Bürosprechstunden im Altenhof 7 tritt sie täglich mit den Einheimischen in Kontakt, erklärt ihnen, wie das Stadtentwicklungskonzept abläuft, und erfährt, was den Koblenzern wichtig ist.

Das Büro der Quartiersmanagerin ist im ehemaligen Ladenlokal von Iris Woldenga im Altenhof 7 untergebracht. Der Conceptstore sucht laut Aushang eine neue Bleibe.
Katrin Steinert

Als Ansprechpartnerin für alle will sie auch diejenigen treffen und befragen, die nicht zu öffentlichen Mitmachaktionen kommen können, sei es aus Scham, aus Mobilitäts- oder Zeitgründen oder weiteren Einschränkungen. Sie nennt beispielsweise Bewohner der Großsiedlung Neuendorf, Menschen, die sich nicht gut ausdrücken können, Kinder und Jugendliche, Hörbeeinträchtigte oder Menschen, die im Rollstuhl sitzen, die nicht mit dem Auto bis zur Citykirche vorfahren können (eingeschränkte Zufahrtszeiten) und sonst mit dem Kopfsteinpflaster kämpfen. Astrid Fries will diese Menschen aufsuchen, tauscht sich auch mit der Behindertenvertretung aus. „Ich werde auch beim Seniorencafé an der Liebfrauenkirche vorbeischauen“, sagt sie.

Als Innenstadtmanagerin ist Astrid Fries dafür zuständig, die Menschen so aktiv in den Prozess einzubringen, dass die Bewegung auch nach zehn Jahren noch weitergeht, wenn der offizielle Part ausläuft. „Die Projekte sollen nachhaltig sein und auch ohne mich funktionieren.“

So schön Kopfsteinpflaster in der Altstadt aussieht: Gehbeieinträchtigte und Menschen mit Rollator kommen darauf nur mühsam voran.
Katrin Steinert

Eine Herausforderung für die Quartiersmanagerin. „Wir haben hier so viele verschiedene Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen, Ängsten, Erwartungen“, schildert die 41-Jährige. „Die muss man, muss ich, irgendwie zusammenbekommen.“

Einige „Baustellen“ hat sie schon auf dem Zettel: Es fehlen weitere „konsumfreie“ Orte und Bänke wie die, auf der sie gerade am Jesuitenplatz sitzt. „Es ist die einzige konsumfreie Bank am Platz.“ Viel zu wenig, sagt sie. Solche Sitzplätze laden Menschen dazu ein, die Stadt zu genießen, mitgebrachte Speisen und Getränke zu verzehren, durchzuatmen und am Stadtleben teilzunehmen, ohne Geld ausgeben zu müssen.

Diese orangfarbene Sitzbank am Jesuitenplatz darf jeder nutzen, ohne etwas bestellen und bezahlen zu müssen. Davon fehlen zig weitere in der Stadt, sagt die Quartiersmanagerin.
Katrin Steinert

„Solche Bänke sind aber auch für Ältere und Gehbeeinträchtigte gut, die immer mal wieder pausieren können.“ Wichtig: Ältere brauchen dabei unbedingt etwas zum Anlehnen, um den Rücken zu unterstützen, hat Astrid Fries schon gelernt. „Eine meiner Ideen ist ein Sitzroutenplan für alte Menschen“, berichtet sie.

Die Bänke könnten in der Nähe von historischen Gebäuden stehen und mit QR-Codes versehen werden, sagt Fries. Schulen können diese auch nutzen, um etwas über Architektur aus verschiedenen geschichtlichen Epochen zu erfahren. Im Gespräch merkt man, wie energiegeladen und kreativ Astrid Fries in dem Projekt unterwegs ist.

Hier im ehemaligen Laden des Conceptstores von Iris Woldenga ist das Quartiersmanagementbüro eingerichtet, Altenhof 7.
Katrin Steinert

Für Astrid Fries gibt es viel zu tun. Wichtig ist der 41-Jährigen, dass man Bürokratie als Chance, nicht als Abwehrmühle versteht. „Wir profitieren alle davon, dass es Regeln gibt, an die sich jeder halten muss.“ Und es gibt Regeln, die man nutzen kann, wenn man gemeinsam guckt, wie etwas funktionieren kann, betont sie.

Das Büro der Quartiersmanagerin befindet sich in der Koblenzer Altstadt im Altenhof 7. Bürgersprechstunden bietet Astrid Fries dienstags, 10 bis 12 Uhr, und donnerstags, 18 bis 19.30 Uhr, an. Erreichbar ist sie per E-Mail an astrid.fries@stadtberatung.info und telefonisch unter +49 155/63512120.

Die Städtebauförderung – „Lebendige Zentren“

Mit dem Programm „Lebendige Zentren“ sollen Stadtkerne zu attraktiven, multifunktionalen und identitätsstiftenden Orten für Arbeiten, Wohnen, Bildung und Kultur weiterentwickelt werden. So wird es in der Präsentation erklärt, die zum Auftakt der Bürgerbeteiligung im April 2025 gezeigt wurde.

Grundlage für den langfristigen Entwicklungsprozess ist ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept (Isek). Nach Beschluss durch den Stadtrat können die erarbeiteten Maßnahmen nach und nach umgesetzt werden. Insgesamt beträgt die Projektlaufzeit etwa zwölf Jahre. red

Top-News aus der Region