Müller hat sich an die Redaktion gewandt, weil er andere Menschen warnen möchte. Denn die Masche war ihm neu, der Betrag genau in so einer Größenordnung, dass es sich gut um einen Rechnungsbetrag hätte handeln können, erzählt er in einem Telefonat mit der RZ.
. So ist es an diesem Donnerstag im November gelaufen: Angeblich die Tochter meldet sich, hat eine neue Telefonnummer. Es geht ihr gut, und auf die Frage des Vaters, ob sie für den kommenden Sonntag Hilfe braucht, an dem ein Familienfest geplant ist, sagt sie, sie kommt klar, danke. Dann die Frage: „Bist du gerade beschäftigt?“ Und auf die Antwort, dass ihr Vater gerade bei Freunden zum Essen ist, aber ab 14 Uhr Zeit hat: „Okay, weil ich dich für eine Weile brauche, habe ich ein Problem.“ Den WhatsApp-Dialog hat Müller gesichert, ihn später auch der Polizei übergeben.
Der Spayer versucht am Nachmittag, seine Tochter auf der angeblich neuen Nummer anzurufen, erreicht sie nicht, schreibt ihr. Sie berichtet, sie habe verpasst, Rechnungen zu bezahlen und komme gerade nicht in ihr Online-Banking rein. Ob er so nett sein könnte und 1639,22 Euro für sie überweisen kann? „Ich werde es dir morgen früh zurückgeben.“ „Das kam mir alles total normal vor“, sagt Müller. Nicht weil seine Tochter häufiger seine Hilfe benötigt, „aber es kann ja immer mal sein, dass man was übersieht, und es ist mir auch schon passiert, dass ich nicht ins Online-Banking kam.“ Er hat also keinerlei Bedenken, zumal das angegebene Konto eine deutsche IBAN hat.
Müller weist den Betrag an, ebenfalls online. Dann stutzt er zum ersten Mal. Denn normalerweise kommt direkt eine Bestätigung auf die Abbuchung, das bleibt diesmal aus. Er schreibt es seiner Tochter: „Irgend etwas stimmt nicht. Habe die Bestätigung das Freigabe erteilt, sehe aber auf Konto keine Abbuchung.“ Sie fordert ihn auf, die Überweisung erneut zu machen. Müller gibt zu bedenken: „Ja, sollte es dann 2 mal abgebucht werden, bekommt man das Geld dann zurück?“ Die prompte Antwort: „Jawohl“. Auch das ist merkwürdig, sagt er im Nachhinein. Wenige Minuten später die Frage der Tochter: „hat es schon geklappt?“ „Leider nein“, antwortet Müller, und die Reaktion: „ok ich gebe es weiter.“ Das ist nun wirklich merkwürdig. Quasi im Sekundentakt kommen nun noch Hinweise auf gelöschte Nachrichten und zweimal eine Nachricht, die nur aus einem Fragezeichen besteht.
Paul Müller ruft bei seiner Bank an, und da die Überweisung nur wenige Minuten her ist, kann sie storniert werden, gerade noch rechtzeitig. Er hat Glück gehabt. Der 74-Jährige hält Rücksprache mit seiner Tochter, die aus allen Wolken fällt, und informiert die Polizei. Doch man macht ihm wenig Hoffnung, dass die Betrüger gefasst werden, berichtet er.
„Diese Betrüger sind so gewieft, jeden Tag eine andere Masche“, sagt Friedhelm Georg von der Pressestelle der Polizei. Woher die Leute die Nummern haben, kann man schlecht nachvollziehen, viele geben ja auch bei Online-Bestellungen ihre Nummern hat, sagt Georg. Vielleicht ist da etwas gehackt worden. Er kann nur immer wieder warnen: „Wenn jemand Geld von Ihnen will, rufen Sie den noch mal an, überzeugen Sie sich, dass es wirklich der Sohn, die Tochter, der Enkel ist.“ Müller bekommt übrigens ein paar Tage später wieder eine WhatsApp-Nachricht: „Hallo Mama, mein Handy ist kaputt ...“