Leiter des Teams berichtet über die kleinteilige Auswertungsarbeit rund um die Silvesterattacken in der Neuendorfer Siedlung
Nach Silvesterattacken in Koblenz-Neuendorf: Chefermittler berichtet von Videoauswertung
Ein Auto geht in Flammen auf. War es Brandstiftung, ein technischer Deffekt oder ein ziellos abgeschossener Feuerwerkskörper?
Doris Schneider

Die sechsköpfige Ermittlungsgruppe „Silvester“, die eingerichtet wurde, um die jüngsten Angriffe auf Rettungskräfte in der Großsiedlung Neuendorf aufzuklären, arbeitet weiter unter Hochdruck. Beim Besuch unserer Zeitung berichtet deren Leiter Peter Röser, wie mühsam und kleinteilig die Auswertung der vorliegenden Videos und Fotos abläuft.

Ein Auto geht in Flammen auf. War es Brandstiftung, ein technischer Deffekt oder ein ziellos abgeschossener Feuerwerkskörper?
Doris Schneider

Erste Erfolge haben sich derweil aber auch eingestellt: Zwei Tatverdächtige haben sich bereits herauskristallisiert.

Zur Erinnerung: In der Nacht auf den 31. Dezember wurden Feuerwehrleute, Polizisten und Ordnungskräfte aus der Dunkelheit heraus mit Böllern beworfen und Raketen beschossen. „Glücklicherweise wurde dabei niemand verletzt“, betont Röser.

Es sind Personen erkannt worden, die wir als tatverdächtig erachten.

Peter Röser, Leiter Ermittlungsgruppe “Silvester"

In der folgenden Silvesternacht reagierte die Polizei mit einem verstärkten Aufgebot, einem sogenannten Präsens- und Inventionskonzept. Am Neujahrstag hieß es im Polizeibericht, dass dies zusammen mit gezielten Personenkontrollen dazuführte, dass Verhaltensweisen wie in der Nacht zuvor weitestgehend verhindert werden konnten. Allerdings wurden in der Nacht vier Einsatzfahrzeuge beschädigt, als auf engem Raum viel Pyrotechnik abgeschossen wurde.

Ein Reifen auf einer Laterne. Wie kommt der dorthin?
Doris Schneider

75 Hinweisgeber haben sich nach einem Zeugenaufruf der Polizei gemeldet und Eindrücke der Vorfälle vom 30. Dezember bis 1. Januar über ein Polizeiportal, per E-Mail oder Telefon geteilt, sagt Chefermittler Röser auf Nachfrage.

Einige Inhalte doppeln sich

58 Videos wurden über das Polizeiportal hochgeladen, „darunter sind auch einige doppelt oder zeigen Szenen aus verschiedenen Perspektiven“, sagt Röser. Größtenteils wurden Videos übermittelt, die die Leute nicht selbst angefertigt hatten, sondern die über soziale Netzwerke, Snapchat oder Instagram hochgeladen und geteilt wurden, berichtet der Kriminalhauptkommissar.

Kollegen verschiedener Dienststellen von Schutz- und Kriminalpolizei sowie dem Haus des Jugendrechts arbeiten bei der Auswertung des Materials zusammen, legen aus den Videos gezogene Bilder auch anderen Polizisten vor, um Identitäten möglicher Tatbeteiligter zu klären, die vielleicht schon polizeibekannt sind oder an anderen Einsatzorten auffielen.

Tatverdächtige zwischen 18 und 40 Jahre alt

So ganz mit offenen Karten spielen kann Chefermittler Peter Röser in dieser Sache natürlich nicht. Aber auf mehrfache Nachfrage berichtet er zu dem Material: „Es sind Personen erkannt worden, die wir als tatverdächtig erachten.“

Laut einer Pressemitteilung, die das Polizeipräsidium wenige Tage nach unserem Besuch veröffentlichte, sind zwei Tatverdächtige bereits näher identifiziert worden, auch mithilfe einer Super-Recognizerin, einer Spezialistin, die auch unter schwierigsten Umständen Gesichter erkennt. Röser erklärt auf Nachfrage, dass der Altersdurchschnitt aller mutmaßlicher Täter bei 18 bis Anfang 40 Jahren liegt.

Wir haben zwar persönliche Hinweise bekommen, die sind aber zum aktuellen Zeitpunkt wenig erfolgversprechend.

Chefermittler Peter Röser

In der Nacht auf den 31. Dezember stand auch ein Auto in Flammen und brannte vollständig aus. Ob dieses mutwillig angezündet wurde infolge eines Streits, bei dem es auch zu gefährlichen Körperverletzungen kam, oder ob der Wagen von selbst oder durch Feuerwerkskörper in Brand geriet, wird ebenfalls ermittelt. Vier Verfahren zu Körperverletzungen sind zu klären – von denen aber keine Einsatzkräfte betroffen sind. Auch die Mülltonnenbrände aus den beiden Nächten beschäftigen die Ermittlungsgruppe.

Müll brennt
Doris Schneider

Schwierig an den Ermittlungen ist, dass es kaum Hinweise von Augenzeugen gibt, die konkrete Täter benennen würden. „Wir haben zwar persönliche Hinweise bekommen, die sind aber zum aktuellen Zeitpunkt wenig erfolgversprechend“, sagt Röser. Der Kriminalpolizist berichtet von einem Hinweisgeber, der auf seinem Balkon stand und mitteilte, dass dort einer herumgelaufen sei. Als Röser nachfragte, wie derjenige denn aussah, wie er gekleidet war, meinte der Zeuge: Das habe er nicht genau gesehen, es sei dunkel gewesen, schildert der Polizist.

Menschen haben Angst vor Repressalien aus dem Umfeld

Andere Augenzeugen wiederum suchen erst gar nicht den Kontakt zur Polizei – ein Problem, das von älteren Vorfällen in der Siedlung bekannt ist. In den meisten Fällen scheint die Angst davor zu groß zu sein, von Beschuldigten später in Selbstjustiz zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Chefermittler Peter Röser ist aber überzeugt davon: „Viele Familien würden sich wünschen, dass es dort nicht so chaotisch zugeht. Eltern wollen nicht, dass ihre Kinder so aufwachsen.“

Die Polizei nimmt weiterhin Zeugenaussagen und Hinweise entgegen – auch anonym, unter Tel. 0261/103 13 00 und per E-Mail

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