Benefiz Nervenschädigung zwingt 57-Jährigen in den Rollstuhl - SV Urmitz und Lotto-Elf helfen
Nach Krebs: Otto Gauß kämpft sich ins Leben zurück
Otto Gauß ist endlich zurück an seinem Arbeitsplatz bei der Berufsfeuerwehr Koblenz: Nach langer krankheitsbedingter Zwangspause läuft für den Vallendarer seit Donnerstag die Wiedereingliederung in seinen Job in der Integrierten Leitstelle Koblenz. Foto: Damian Morcinek
Damian Morcinek

Vallendar/Urmitz. Anderen helfen zu können, für seine Mitmenschen da zu sein – für Otto Gauß stand das sein ganzes Leben lang im Vordergrund. Heute ist der 57-jährige Vallendarer selbst auf Hilfe angewiesen. Von jetzt auf gleich. Schuld daran ist der Krebs. Er zwingt ihn in den Rollstuhl, wirft sein bisheriges Leben komplett durcheinander. Doch Gauß gibt sich nicht auf, er kämpft – gegen die Folgen, gegen Gutachten und mit Ämtern, Kranken- und Rentenkasse. Unterstützung erhält er von seiner Frau und seiner Familie, aber auch von Freunden und seinem Sportverein. Letzterer richtet am 19. April sogar zu Gauß' Gunsten sowie für zwei weitere gute Zwecke ein Benefizspiel der legendären Lotto-Elf aus.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Otto Gauß engagiertes Mitglied beim SV Urmitz. Von Kindesbeinen an spielt sein ältester Sohn dort Handball. Gauß ist immer dabei – nicht nur als Vater, sondern auch als medizinischer Betreuer für das Team. Für die Mannschaft hat er sogar den Busführerschein gemacht, um sie zu Auswärtsspielen kutschieren zu können. „Wir fühlen uns sehr wohl in Urmitz und sind eng mit den Menschen dort verbunden“, sagt Otto Gauß, der nun aufgrund seiner Krankheit kürzertreten muss.

Die Frage, was in ihm vorging, als er im vergangenen Jahr die Diagnose Krebs erhalten hat, versucht Gauß wegzulächeln. „Spaßig war es nicht. Man macht sich so seine Gedanken und versucht realistisch damit umzugehen“, sagt er. Bloß nichts zu nah an sich herankommen lassen – es macht den Eindruck, als ob dieser Reflex aus seinem Berufsleben nun auch bei seiner eigenen Krankheit Anwendung findet. Seit 2003 arbeitet der gebürtige Koblenzer in der Integrierten Leitstelle der Berufsfeuerwehr in Koblenz, hat nahezu täglich am Telefon mit Unfällen, Rettungseinsätzen und tragischen Todesfällen zu tun und war bis zuletzt als Organisatorischer Leiter der Stadt Koblenz für Großlagen wie Hochwasser, Bombenentschärfungen und ähnliches verantwortlich. Vor diesem Job war er 22 Jahre lang mit Leib und Seele Rettungsassistent beim Deutschen Roten Kreuz – obwohl er nach der Schule den Beruf des Goldschmiedes gelernt hatte – und ist selbst unzählige Einsätze im Stadtgebiet Koblenz gefahren.

Dass bei dem 57-Jährigen überhaupt ein Tumor gefunden wurde, war eher Zufall. Lange Zeit laborierte Otto Gauß an Schulterschmerzen. Auch eine Operation vor vier Jahren brachte kaum Linderung. Mehr Licht ins Dunkle sollte eine Kernspintomografie bringen. Das Ergebnis: Ein glücklicherweise „noch gutartiger“ Tumor zweiten Grades hatte sich im Spinalkanal der Wirbelsäule über zweit Wirbel hinweg ausgebreitet. „Es gab zwei Optionen: operieren oder abwarten, bis die Querschnittslähmung kommt“, sagt Gauß, der sich im vergangenen Sommer für die sechsstündige Operation entschied.

Seitdem gilt Gauß als krebsfrei. Doch weil die Nerven durch Tumor und Eingriff derart gereizt wurden, hat er seither vom Rippenbogen abwärts kein Gefühl mehr. Er kann zwar seine Beine bewegen. Gehen kann Otto Gauß aber nur wenige Schritte und nur mithilfe eines Rollators; gilt daher als 100 Prozent gehbehindert. Ohne Rollstuhl könnte er längere Strecken gar nicht bewältigen. Bis er aber einen auf seinen Körpermaße angepassten und faltbaren Aktivrollstuhl von der Krankenkasse bewilligt bekommen hat, war es ein zähes Ringen, sagt er. Beim Thema Mobilität stößt Otto Gauß auch an die Grenzen seiner finanziellen Möglichkeiten. Denn um nicht von seiner Frau abhängig zu sein, bräuchte er ein behindertengerechtes Gefährt. „Ein entsprechendes Auto, dass von der Rentenkasse bezuschusst wird, kostet rund 35.000 Euro. Die habe ich nicht.“ Daher seine Idee: Ein 6000 Euro günstiges Quad mit Box für den Rollstuhl. Mobil genug fühlt sich Otto Gauß dafür jedenfalls. Einen Zuschuss von der Kasse gibt es für dieses Fahrzeug aber nicht, sagt Gauß und versteht die Welt nicht mehr. „Das kostet alles Nerven, die man sowieso nicht mehr hat.“ So schnell aber will er nicht aufgeben und den Antrag für das Quad dennoch stellen. „Ich habe mir meine Situation schließlich nicht ausgesucht“, betont Otto Gauß, der seit Donnerstag auch endlich wieder arbeiten geht. Das hat ihm gefehlt.

Von unserem Redakteur Damian Morcinek

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