Alte Sexismusvorwürfe trübten Ruf - Jetzt gibt es Befürchtungen, wer sich auf den vakantenRektorposten bewirbt
Nach alten Sexismusvorwürfen und Vakanz: Neue Leitung fürs Koblenz-Kolleg gesucht
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Am Koblenz-Kolleg in der Südlichen Vorstadt holen Menschen auf dem Zweiten Bildungsweg das Abitur nach. Foto: Katrin Steinert
Steinert Katrin. Katrin Steinert

Der Ruf des Koblenz-Kollegs, an dem Erwachsene ihr Abitur nachholen können, hat nach den Sexismusvorwürfen in den vergangenen Jahren gelitten. Nun wird eine neue Leitung gesucht – und damit werden auch Erinnerungen an die unschöne Vergangenheit geweckt. Zudem werden Befürchtungen geäußert.

Für die vakante Leitungsstelle wird eine Nachbesetzung „ab sofort“ gesucht, heißt es in der Ausschreibung, die im November im Amtsblatt des Mainzer Bildungsministeriums erschien. Aktuell liegen zwei Bewerbungen vor. Die Pressesprecherin der Schulaufsichtsbehörde berichtet auf Nachfrage unserer Zeitung: „Wir rechnen realistischerweise mit einer Besetzung zum kommenden Schuljahr.“

Erschütternd: Schüler mit “Tittchen„, “Mäuschen„ und “Kameltreiber" angesprochen

Der geschasste ehemalige Schulleiter hatte jahrelang vor allem junge Frauen, aber auch Männer gemobbt, sexuell beleidigt, gedemütigt und diskriminiert, wofür er sich 2023 vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz verantworten musste. Um dem Gebaren ein Ende zu bereiten, hatten sich zwei (Ex)Schülerinnen im Mai 2020 ans Mainzer Bildungsministerium gewandt. Im Gepäck: die Vorwürfe von 47 weiteren Betroffenen, alle schriftlich formuliert.

Die Schilderungen waren erschütternd: Der Schulleiter soll die jungen Menschen jahrelang drangsaliert, sie mit „Tittchen“ oder „Mäuschen“ angesprochen, ausländische junge Männer „Kameltreiber“ oder „Handyverkäufer“ genannt haben. Gleichlautende Antworten in Tests soll er unterschiedlich benotet haben – und vieles mehr. Vor allem Frauen, auch Kolleginnen, litten unter seiner Geringschätzung und seinem sexistischen Verhalten.

Das Land ging disziplinarisch gegen den Pädagogen vor und erreichte im vergangenen September vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz, dass der Oberstudiendirektor in das Amt eines Studiendirektors herabgestuft wurde. Die Urteilsbegründung lautete kurzgefasst: mehrfache unangemessene Äußerungen gegenüber Schülerinnen – teilweise sexistisch, Missachtung datenschutzrechtlicher Vorgaben, als er sich unerlaubt Zugang zum elektronischen Postfach der Schülervertretung verschaffte, und Missachtung von Dienstverboten, als er weiter unterrichtete, obwohl ihm das längst untersagt war. Ergo: Ihm waren der Datenschutz von Schülern und die Verbote seines Dienstherrn egal.

Lehrkraft soll Handeln des Ex-Schulleiters mitgetragen haben

Dass seit Herbst eine neue Leitung gesucht wird, sprach sich offenbar schnell herum. Menschen aus dem Umfeld des Koblenz-Kollegs meldeten sich daraufhin bei unserer Zeitung. Ihre Befürchtung: Wird möglicherweise jemand zum Schulleiter gekürt, der sich in der Vergangenheit ebenfalls problematisch verhalten und das Handeln des geschassten Schulleiters mitgetragen haben soll?

Die Rede ist von einer Lehrkraft des Kollegs, die verschiedene unserer Gesprächspartner zu vergangenen Zeiten als äußerst unangenehm, grenzüberschreitend, zuweilen als aggressiv und drohend erlebten, wie sie schilderten.

Schulaufsicht bestätigt Beschwerde gegen Lehrperson

In Teilen sind die Vorwürfe gegen die Lehrkraft der Schulaufsicht in Trier bekannt. Auf Anfrage unserer Zeitung, ob es bereits Hinweise auf ein problematisches Verhalten der Person gab und wenn ja, wie viele, erklärt Pressesprecherin Eveline Dziendziol: „Im Jahr 2020 gab es eine Beschwerde, die abschließend bearbeitet wurde.“ Auf Nachfrage, was darunter zu verstehen ist, erläutert sie: „Beschwerden wird vonseiten unseres Hauses immer nachgegangen.“

Dabei werden laut Dziendziol zugrunde liegende Sachverhalte überprüft, mit den Betroffenen wird gesprochen und sich schriftlich ausgetauscht, und danach wird geprüft, ob und gegebenenfalls welche disziplinarischen Maßnahmen ergriffen werden müssen. „Jedoch zieht nicht jede Beschwerde automatisch disziplinarische Maßnahmen nach sich.“ Details sind nicht zu erfahren.

Auch unsere Zeitung hat schon über die Lehrkraft berichtet. Zuletzt im vergangenen Sommer über einen Zivilprozess, den die Lehrkraft gegen eine ehemalige Schülerin angestrengt – und verloren hatte. Die Ex-Schülerin gehörte 2020 zu denjenigen, die die Vorwürfe gegen den ehemaligen Schulleiter öffentlich machten. Die Lehrkraft warf dieser Schülerin vor, die Lehrperson in einer verbreiteten E-Mail zu Unrecht zu verdächtigen: Sie, die Schülerin, habe behauptet, dass die Lehrkraft Schuld daran gewesen wäre, dass die junge Frau damals nicht vor dem Personalrat des Kollegs sprechen durfte. Dies, so urteilte das Landgericht Koblenz, habe die Schülerin nicht als Tatsache behauptet, sondern lediglich vermutet. Zudem lag in dem Klageweg der Lehrkraft ein formaler Fehler vor.

Menschen aus dem Kolleg-Umkreis hegen Befürchtungen zur Nachbesetzung

Erste beunruhigte Informanten meldeten sich in der Redaktion, als wir im September 2023 das Urteil gegen den ehemaligen Schulleiter kommentierten mit den Worten: „Zumindest auf diesem Weg gibt es etwas Gerechtigkeit.“ Gemeint waren die Schülerinnen und Schüler, die jahrelang drangsaliert wurden und kein Gehör bei der Schulaufsicht (ADD) fanden. Denn erst als sie sich ans Ministerium wandten, kam Bewegung in die Sache – und der Schulleiter musste gehen. Reaktionen auf unseren Kommentar folgten. Tenor: Warum wird der eine verurteilt, und ein anderer kommt ungeschoren davon?

Unsere Zeitung hat seitdem mit mehreren Menschen gesprochen, die fragwürdige Begebenheiten zu der Lehrkraft schilderten. Die Vorwürfe, die sich auf zurückliegende Jahre beziehen, lassen sich allerdings nicht für die Gegenwart bestätigen. Aktuell scheint es so, dass das Verhalten der Lehrperson zumindest im derzeitigen Schulalltag keinen Anlass zu Beschwerden gibt.

Als wir vor Kurzem mit aktuellen Schülerinnen und Schülern sprechen, werden die Vorwürfe nicht bestätigt. Eine junge Frau meint: „Mit manchen kommt man besser zurecht als mit anderen.“ Sie betont aber, dass sie mit besagter Lehrkraft kein Problem habe. Ein anderer Kollegiat erklärt: „Wir können uns nicht beklagen, wenn die Person vertretungsweise bei uns eingesetzt war.“ Generell wirkt die Atmosphäre unter den Schülerinnen und Schülern entspannt. Ein auffallend negatives Verhalten der Lehrkraft bestätigt niemand.

So oder so bleibt es spannend, wie sich die Schule unter neuer Leitung entwickeln wird. Die betroffene Lehrperson wurde von uns zu der Thematik schriftlich befragt, äußerte sich dazu aber nicht und verwies an die zuständige Schulaufsicht und das Bildungsministerium.

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