Vallendarer Kirchenhistoriker
Muss ein Papst politisch sein, Herr Rheinbay?
Das Foto zeigt die Kardinäle beim Konklave 2013, bei dem der nun verstorbene Franziskus gewählt wurde, in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan.
Osservatore Romano. Osservatore Romano/Romano Sicili

Im Vatikan beginnt heute offiziell die Suche nach einem Nachfolger für Papst Franziskus: das Konklave. Was könnte sie kirchen- und weltpolitisch bedeuten? Antworten darauf gibt es im Interview mit dem Vallendarer Kirchenhistoriker Paul Rheinbay.

Am Ostermontag ist Papst Franziskus gestorben, heute beginnt im Vatikan das Konklave – also die Wahl von Franziskus’ Nachfolger. Wie läuft diese Wahl ab? Muss ein Papst politisch sein? Und: Wie könnte sich die Wahl auf die kirchliche aber auch auf die weltliche Politik auswirken? Unsere Zeitung hat mit dem Pallottiner und Kirchenhistoriker Paul Rheinbay darüber gesprochen.

Herr Rheinbay, im Vatikan beginnt das Konklave, also die Papstwahl. Was bedeutet das, und wer darf wählen?

Konklave kommt vom lateinischen „cum clave“, was übersetzt „mit dem Schlüssel“ heißt. Das Konklave hat also etwas mit Geschlossenheit, Abgeschlossenheit zu tun. Es ist ein geschlossenes Wahlgeschehen in einem geschlossenen Wahlgremium. Dieses Wahlgremium besteht aus Kardinälen, die das 80. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Die Kardinäle bilden den internationalen Beraterstab des Papstes und werden auch vom Papst ernannt. Ein Großteil der jetzigen Kardinäle wurde vom verstorbenen Papst Franziskus selbst während seiner Amtszeit ernannt.

Wie läuft das Konklave ab?

Die Kardinäle kommen zunächst aus der ganzen Welt zusammen. Bevor das eigentliche Konklave beginnt, gibt es eine Art Vor-Konklave – da beschnuppern sie sich quasi erst mal. Viele der Kardinäle kennen sich ja gar nicht. Bis auf nicht so häufig in Rom stattfindende Versammlungen treffen sie ja auch nicht aufeinander.

An diesem Mittwoch geht es dann in die Sixtinische Kapelle zur Wahl. Dort wohnen sie für die Zeit des Konklaves auch im Gästehaus Santa Marta. Zweimal am Tag ziehen sie dann in die Sixtinische Kapelle, zu je zwei Wahlgängen. Also vier Wahlgänge pro Tag.

Feuerwehrleute platzieren den Schornstein auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle, wo sich die Kardinäle zur Wahl des neuen Papstes versammeln.
Gregorio Borgia. picture alliance/dpa/AP

Sie haben es bereits angedeutet: Das Konklave wählt abgeschirmt und geheim. Nur über die Rauchzeichen wird kommuniziert, wie ein Wahlgang ausgegangen ist. Warum ist das so geheim?

Das Geheimnis, was in der Sixtinischen Kapelle vonstattengeht, ist vielleicht die größte Faszination, die mit dem Konklave für viele Menschen heute verbunden ist. Dass das so etwas wie eine Blackbox ist, in die niemand reinschauen kann. Dahinter steht, dass im Laufe der Geschichte die Papstwahlen oft politisch beeinflusst waren – politische Kräfte haben in die Wahl hineingespielt, um eben einen Papst zu haben. Hier haben Päpste des 12. und 13. Jahrhunderts einen Riegel vorgeschoben. Bei der Wahl soll jeder Kardinal ausschließlich seinem eigenen Gewissen folgen.

Mit Franziskus wurde zum ersten Mal ein Kardinal aus Südamerika zum Papst gewählt. War das überraschend? Und könnte es jetzt wieder zu so einer Überraschung kommen?

Das Kardinalskollegium ist seit dem 5. Jahrhundert in Dokumenten belegt. Damals bestand es vor allem aus Bischöfen, die aus den Orten rund um Rom stammten. Mittlerweile ist das Kollegium aber viel internationaler, das ist aber erst im 20. Jahrhundert so gewachsen, weil sich schließlich auch die Weltkirche ausgedehnt hat.

Trotzdem kommt die Mehrheit der Kardinäle noch aus dem europäischen Raum. Und deswegen war es auch eine Überraschung, dass mit Papst Franziskus ein Südamerikaner gewählt worden ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass den Kardinälen bewusst ist, dass die Uhr auch in der katholischen Kirche nicht stehen bleibt. Dieses Bewusstsein von der Weltkirche hat in unserer Zeit eine solche Bedeutung bekommen, dass es jetzt keine Überraschung mehr wäre, wenn ein Nichteuropäer gewählt werden würde.

Pater Paul Rheinbay wünscht sich, "dass derjenige, der gewählt wird, das Erbe von Franziskus aufgreift und weiterentwickelt".
Daniela Hahn/Vinzenz Pallotti University

Wie hat sich Franziskus Amtszeit auf die Kirchenpolitik ausgewirkt?

Papst Franziskus war ein sehr spontaner Mensch. Bis zu seinem Lebensende hat man gesehen, dass er an manchen Stellen ausgebüxt ist, dass er Dinge anders gemacht hat als seine Vorgänger. Dabei war er sehr grundständig und hat das Bewusstsein der Kirche auf das Miteinander gelegt, zum Beispiel in der Beteiligung von nicht geweihten Christen in Beratungsprozessen. In meinen Augen sind die Prozesse, die er angestoßen hat, eigentlich nicht mehr zurückzudrehen.

Muss ein Papst politisch sein?

Da gibt es unterschiedliche Ansichten innerhalb der Kirche. Die einen sagen, dass der Papst vor allem eine spirituelle Rolle hat als Hirte der Kirche. Andere sagen wiederum, dass der Papst auch seine Stimme erheben muss, um zum Beispiel für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten.

Wie, glauben Sie, wird sich die nun anstehende Papstwahl auswirken?

Ich glaube, das ist ja auch in der großen Anteilnahme der Menschen am Tod von Papst Franziskus deutlich geworden, dass das, was Franziskus begonnen hat, weiterzuführen ist. Es gibt aber auch eine ziemlich starke konservative Gegenströmung, vor allen Dingen aus den Vereinigten Staaten. Aber ich glaube, dass diese im Moment wenig Chancen hat, so wie das Klima im Moment aussieht.

Das Kardinalskollegium ist von überall her in den Vatikan gereist. Zunächst fand hier das Vor-Konklave statt. Im Bild nehmen die Kardinäle an einer Messe am achten von neun Trauertagen für den verstorbenen Papst Franziskus im Petersdom im Vatikan teil.
Alessandra Tarantino. picture alliance/dpa/AP

Glauben Sie denn, dass die Kirche dazu bereit ist, (weiterhin) einen liberaleren Weg einzuschlagen?

Die Schwierigkeit dieser Frage steckt in dem Wort Kirche. Wir haben es mit einer katholischen, das heißt einer allumfassenden Kirche zu tun, die aber in ihren jeweiligen geografischen Kontexten ganz unterschiedliche Ausdrucksformen hat. Das kann man jetzt sehen, wenn es zum Beispiel um Fragen zu Sexualität, zu Homosexualität und zu queeren Menschen geht. In Afrika gab es eine starke Resonanz gegen eine Öffnung. Diese regionalen Unterschiede von Kirche zusammenzuhalten und weiterzuentwickeln, wird sicher eine der Hauptaufgaben des neuen Papstes werden – wie auch immer er heißt.

Glauben Sie, dass die Papstwahl auch ein Zeichen für die Weltpolitik ist und einen Einfluss auf eben jene hat? Soll der Papst vor allem eine moralische Instanz sein oder auch Einfluss ausüben?

Schauen Sie sich die letzten Päpste an. Johannes Paul, Benedikt und Franziskus – sie alle hatten in ihren Amtszeiten mit unterschiedlichen weltpolitischen Realitäten und Konflikten zu tun und hatten unterschiedliche Ansätze, damit umzugehen. Das hat dann auch immer etwas mit dem Individuum zu tun. Es bringt ja auch jeder Papst eine unterschiedliche Biografie mit.

Dass der Papst eine moralische Instanz sein soll, würde ich sofort bejahen. Schließlich ist er der oberste Vertreter einer großen Weltreligion, der viele Millionen Menschen angehören. Ob er politischen Einfluss nehmen soll – das kann schwierig sein. Generell sollte er sich nicht von einer politischen Seite vereinnahmen lassen.

Was wünschen Sie sich vom Konklave und dem neuen Papst?

Dass derjenige, der gewählt wird, das Erbe von Franziskus aufgreift und weiterentwickelt.

Zur Person

Paul Rheinbay ist Mitglied bei den Pallottinern. Er studierte Theologie an der ordenseigenen Hochschule in Vallendar und promovierte in Kirchengeschichte in Rom. An der Vinzenz Pallotti University lehrt er Kirchengeschichte des Altertums.

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