Herr Harner, warum haben Sie sich denn eigentlich dazu entschlossen, Bürgermeister von Mülheim-Kärlich werden zu wollen? Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich war viele Jahre Beigeordneter. Das hat sicherlich für mich persönlich den Weg dorthin geebnet. Wenn man das lange macht, ist der Schritt zur Bürgermeisterkandidatur meist eben der nächstlogische. Fernab davon wollte und will ich für die Menschen meiner Stadt Dasein und die Gegebenheiten in Mülheim-Kärlich auch prägen.
Woher kommt die Verbundenheit zur ehrenamtlichen Arbeit?
Da ich seit meinem 17. Lebensjahr im Ehrenamt tätig bin, gehört diese Arbeit für mich eben einfach dazu. Ich glaube, das wurde mir schon von meiner Familie mitgegeben. Mein Vater war damals im Musikverein Vorsitzender sowie Beigeordneter der Stadt Mülheim-Kärlich. Und generell war die ganze Familie ehrenamtlich tätig. Da lernt man dann auch früh, dass die Arbeit viel Spaß macht und dass man dabei immer viele Menschen kennenlernt. Das motiviert dann auch, weiter dabei zu bleiben. Klar kostet das manchmal viel Kraft und Freizeit. Es geht aber am Ende des Tages ja darum, abends zufrieden ins Bett zu gehen. Wenn man mit dem Tagewerk, eben auch als ehrenamtlicher Bürgermeister, zufrieden ist, ist auch die Belastung kein Problem.
Ich muss aber auch dazu sagen: Ich hatte und habe ein super Team hinter mir und um mich herum – sowohl bei der ehrenamtlichen Arbeit als auch als Selbstständiger in meinen beiden Geschäften. Wenn man so einen Rückhalt hat, macht die Arbeit eben auch Spaß. Ganz besonders hält mir da natürlich auch meine Lebensgefährtin Simone den Rücken frei.
Jetzt haben Sie es vorweggenommen: Sie betreiben im Hauptberuf zwei Geschäfte und sind ehrenamtlicher Bürgermeister der Stadt Mülheim-Kärlich, mit ihren rund 11.000 Einwohnern, dem Gewerbepark und Großthemen, wie etwa die Rettung des Tauris. Viele Ihrer Bürgermeisterkollegen üben ihr Ehrenamt im Ruhestand aus. Wie schaffen Sie das denn, und ist das nicht manchmal ein bisschen viel?
Grundsätzlich ist es ja so: Die Verwaltung der Verbandsgemeinde Weißenthurm nimmt uns in den Städten und Gemeinden den Großteil der Verwaltungsarbeit ab. Und ich werde für meine ehrenamtliche Arbeit als Bürgermeister auch freigestellt. Das bedeutet: Ich bin den halben Tag im Laden, dann den halben Tag im Rathaus. Für den zeitlichen Ausfall im Geschäft werde ich finanziell entschädigt. Dann kommen noch Fraktionssitzungen und andere Gremiensitzungen wie der Verbandsgemeinderat und der Kreistag bei mir mit dazu.
Das kann – auch mit dem Geschäft – schon zum Spagat werden. Nichtsdestotrotz funktioniert das für mich, was zum einen an unserem Team aus Bürgermeister und Beigeordneten liegt. Wir sind wirklich super eingespielt, deshalb habe ich mir auch schon vor der Wahl gewünscht, dass wir in dieser Konstellation weiterarbeiten können. Und das ist auch eingetreten. Zum anderen ist das Stichwort Time-Management wichtig. Das klappt bei mir zugegebenermaßen mal mehr, mal weniger gut, aber es ist machbar.
Wie sieht denn das Zeitmanagement bei Ihnen aus?
Meine Läden öffnen um 7 Uhr, dann stehe ich meistens bis 13 Uhr an der Theke. Ab 14 Uhr bin ich meistens im Rathaus. Da ich relativ feste Zeiten habe, in denen ich im Rathaus bin, legt mir die Sekretärin meine Termine in diese Zeit. Es gibt natürlich auch Situationen, in denen die Termine fix sind und die außerhalb meiner Bürozeiten liegen, – da muss ich im Zweifelsfall trotzdem ran, dann ist das eben so. Wenn es der Betrieb im Geschäft zulässt, kann ich mich auch mal für eine Stunde zurückziehen und E-Mails lesen. Das geht aber auch nur, weil mir meine Mitarbeiter im Geschäft den Rücken freihalten und auch einmal spontan einspringen.
Die Grenzen zwischen Geschäftsmann und Bürgermeister verschwimmen also ab und zu. Wie ist es denn mit der Kundschaft, sprechen die Sie nicht auch mal im Geschäft als Bürgermeister an, wenn irgendwo der Schuh drückt?
Klar kommt es vor, dass dem Kunden, der eigentlich nur schnell bei mir im Geschäft Briefmarken holen wollte, einfällt, dass er ein Problem mit mir als Bürgermeister besprechen will. Im Endeffekt unterscheiden die Bürger nicht zwischen dem Herrn Harner, der hinter der Ladentheke steht, und dem, der im Rathaus sitzt. Bei vollem Betrieb ist das manchmal ungünstig – das sind auch oft Sachen, die man jetzt nicht flott von hinter der Theke aus bespricht.
Ich versuche, mit den Leuten immer kurz zur Seite zu gehen und zuzuhören. Wenn es zum Beispiel darum geht, dass irgendwo eine Laterne kaputt ist, schicke ich schnell eine E-Mail raus. Dann kann das gleich in Angriff genommen werden.
Als Selbstständiger arbeitet man bekanntlich „selbst“ und „ständig“: Warum haben Sie sich für die Selbstständigkeit im Einzelhandel entscheiden? War Ihnen schon immer klar, dass Sie das machen möchten?
Nein, absolut nicht. Ich habe damals eine Ausbildung zum Industriekaufmann in Urmitz-Bahnhof gemacht. Dann war ich bei der Bundeswehr, habe danach meinen Betriebswirt gemacht und im Anschluss an die Ausbildung weiter als Angestellter gearbeitet. Vor gut 20 Jahren hatte ich keine Lust mehr aufs Angestelltendasein. Ich wollte mein eigener Chef sein.
Ich habe dann das Geschäft meiner Mutter, Harners Textilwaren, in Urmitz-Bahnhof übernommen. Aus einem Laden wurden über die Zeit vier. Zwei davon, unter anderem den Laden meiner Mutter, habe ich in diesem Jahr aber leider aufgeben müssen – das war zu viel, zusätzlich zum Bürgermeisteramt, und hat sich leider nicht mehr gerechnet.
Würden Sie denn noch einmal den Schritt in die Selbstständigkeit wagen?
So, wie die Situation momentan ist? Nein, auf keinen Fall. Dafür wird es kleinen Unternehmen viel zu schwer gemacht. Außerdem findet man nur sehr mühevoll gutes Personal im Einzelhandel. Da bin ich sehr froh über mein Team in den Geschäften, auf das ich mich wirklich verlassen kann.
Zu einem der politischen Themen Ihrer vergangenen Amtsperiode zählt ohne Zweifel die Rettung des Tauris. Auch in der aktuellen Ratsperiode hat dies bereits für Diskussionen gesorgt. Warum kämpfen Sie seit Jahren für den Erhalt?
Mit dem Tauris sind Generationen groß geworden, haben dort das Schwimmen gelernt. Aber das ist nicht alles: Das Tauris ist über die Jahre zu einem Markenzeichen geworden, nicht nur für die Stadt, sondern auch für die Region. Der Name und das Bad sind weit über die Stadtgrenzen bekannt. Ich weiß, wie viel das Bad den Menschen in Mülheim-Kärlich bedeutet.
Das Spaß- und Freizeitbad Tauris ist auch jenseits der Stadtgrenzen von Mülheim-Kärlich bekannt. Seit einigen Jahren stehen die Badegäste vor verschlossener Tür, wenn sie das Bad besuchen wollen. Ein Team der Rhein-Zeitung durfte sich im Inneren umsehen – so fühlt es sich an in den leeren Becken zu ...Trockengelegt: So sieht es im stillgelegten Tauris in Mülheim-Kärlich aus
Besonders wichtig ist mir dabei, dass die Kinder aus Mülheim-Kärlich und der Verbandsgemeinde im Tauris die Möglichkeit erhalten bekommen, das Schwimmen zu erlernen. Immer wieder erhalte ich Zuschriften oder werde darauf angesprochen, dass das Tauris wieder öffnen sollte. Deswegen setzte ich mich so für den Erhalt ein.
Und was verbinden Sie persönlich mit dem Bad?
Wie Sie gesagt haben: Als Selbstständiger ist man selbst und ständig; viel freie Zeit hat man da nicht. In der Freizeit, die ich hatte, als meine Kinder jünger waren, bin ich oft mit ihnen schwimmen gegangen, und das eben im Tauris.
Das Gespräch führte Eva Hornauer