Der Mordprozess um die getötete Koblenzer Prostituierte, die monatelang massiver Gewalt, Folter und Erniedrigungen ausgesetzt war, bevor sie starb, beschäftigt auch Menschen, die sich um Frauen aus dem lokalen Rotlichtmilieu kümmern.
Wir erleben, dass die Frauen vielleicht nicht den Tod finden. Aber die Schwere der Gewalt ist leider keine Seltenheit.„
Bettina Kneisler vom Projekt Schattentöchter aus Neuwied
Bettina Kneisler vom Verein Projekt Schattentöchter aus Neuwied, der sich gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution einsetzt.
Bettina Kneisler ist eine von ihnen und sagt: „Wir freuen uns, dass überhaupt ein Prozess stattfindet, denn viel zu selten kommt es überhaupt zu einer Anklage.“ Beziehungsweise kommt es viel zu selten überhaupt dazu, “dass so ein Fall zur Anzeige gebracht wird„, fügt sie hinzufügt. “Denn die Frauen trauen sich nicht.“
In diesem Fall übernahm das traurige Schicksal des Opfers den Lauf der Dinge. „Der Tod der Frau hat alles in die Wege geleitet“, sagt Bettina Kneisler. Gewalt, Einschüchterungen und Bedrohungen seien gang und gäbe. Diese Methoden nutzen Zuhälter, um die Frauen zu isolieren und hörig zu machen.
Bettina Kneisler berichtet: “Wir erleben, dass die Frauen vielleicht nicht den Tod finden. Aber die Schwere der Gewalt ist leider keine Seltenheit.„ Die Frauen gehen selten zur Polizei, und deshalb sieht oder hört man selten davon.
Es gibt offenbar Zeugen, die keine Hilfe leisteten
Im Fall der über Monate eingesperrten und geschändeten Bulgarin soll es offenbar Zeugen aus demselben Haus im Koblenzer Rauental, Baedekerstraße 15-17, gegeben haben, in dessen Erdgeschoss die 31-Jährige ihr Martyrium erlitt. Zumindest war im Gerichtssaal zu hören, dass gegen geladene Zeugen des Anwesens Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistungen eingeleitet worden seien.
Einerseits freuen wir uns, dass dieses Thema gesellschaftlich jetzt so eine Aufmerksamkeit hat, auf der anderen Seite bangen wir, dass diese Aufmerksamkeit im Sand verlaufen wird.“
Bettina Kneisler, Projekt Schattentöchter
Das Haus ist in Koblenz einschlägig bekannt. Hier findet Prostitution illegal statt, wie die Stadt Koblenz auf Anfrage einst mitteilte. Konzessionen liegen nicht vor. In den vergangenen Jahren fanden hier bereits mehrfach Einsätze von Polizei und Ordnungsamt statt.
Bettina Kneisler und ihre Mitstreiterinnen vom Verein Projekt Schattentöchter aus Neuwied beraten und unterstützen Prostituierte sowie Aussteigerinnen. Der Verein hatte sich um die Beisetzung der 31-jährigen Bulgarin aus Koblenz gekümmert, nachdem ihr Leichnam von den Ermittlungsbehörden freigegeben worden war.
Sie starb am 22. November nach einem grauenvollen Martyrium – Ende Dezember wurde die 31-jährige Bulgarin mithilfe eines Vereins auf dem Hauptfriedhof in Koblenz beigesetzt. Es hieß, sie habe keine Angehörigen.Tote Prostituierte in Koblenz beigesetzt: Polizei ermittelt Angehörige der 31-Jährigen
Bevor am Dienstag die Verhandlung losging, erklärte Kneisler auf Anfrage unserer Zeitung, dass sie und ihre Kolleginnen mit gemischten Gefühlen auf den Prozess blicken. „Einerseits freuen wir uns, dass dieses Thema gesellschaftlich jetzt so eine Aufmerksamkeit hat, auf der anderen Seite bangen wird, dass diese Aufmerksamkeit im Sand verlaufen wird.“
Kneisler betont, wie wichtig es ist, einen breiten Scheinwerfer auf die Situation von Prostituierten zu setzen. „Es sollte gar nicht erst dazu kommen, dass eine Frau sterben muss, damit solche grausamen Vorgänge ans Licht kommen.“
Keine Miene verziehen die beiden Angeklagten, während der Staatsanwalt im Gerichtssaal die Liste grausamer Handlungen beschreibt, mit der die beiden Bulgaren ihr Opfer zu Tode gequält haben sollen. Mit Knochenbrüchen, Elektroschocks, Schnitten und Verbrennungen sollen sie ihr Opfer gequält haben.„Sie hielten sie wie eine Sklavin“: Grausame Details im Prozess um Koblenzer Prostituiertenmord
Die Beschuldigten, eine 40-jährige Bulgarin und ein 48-jähriger Landsmann aus dem Rotlichtmilieu, sollen mit ihrem Opfer seit 2020 in dessen Wohnung in Koblenz-Rauental gelebt haben. Spätestens seit April 2023 sollen sie die 31-Jährige wie eine Leibeigene gehalten haben, sie zum Sex gegen Bezahlung mit Freiern gezwungen haben – und dies auf brutalste Art und Weise erreicht haben.
Sie verbrannten, elektroschockten, verprügelten und schnitten die Frau mit scharfen Gegenständen, hielten sie im Badezimmer wie ein Tier. Dort musste sie schlafen und den Freiern dienen. Kam sie ins Wohnzimmer, musste sie auf dem Boden bleiben. 53 Knochenbrüche, davon 31 unbehandelte, verraten, welcher massiven Gewalt sie ausgesetzt war, bis sie am 22. November 2023 starb.
Am Dienstagvormittag, 14. Mai, begann der Mordprozess gegen die beiden angeklagten Bulgaren. Sie sind des gemeinschaftlich begangenen grausamen Mordes aus niederen Beweggründen beschuldigt – in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und besonders schwerer Zwangsprostitution.
Die beiden Tatverdächtigen waren am Tag des Todes der 31-Jährigen in Koblenz und im Kreis Mayen-Koblenz festgenommen worden und sitzen seit dem Folgetag in Untersuchungshaft in der JVA Koblenz.