Koblenz – Die mutmaßliche Doppelmörderin Henrike Schemmer (46) saß in ihrem Haus im Emsland und erwartete ihre Festnahme. Sie wusste: Die Polizei verfolgte mit Spezialhunden eine Spur in ihre Richtung und kam immer näher. Sie schimpfte über die „Viecher“, angeblich weil sie fürchtete, unschuldig in Tatverdacht zu geraten.
„Aufgrund eines Hundes verurteilt zu werden – das ist bitter!“
Das war im Februar 2012. Jetzt, ein Jahr später, hat das Landgericht Koblenz im Doppelmordprozess 16 Telefonate zwischen Henrike Schemmer und ihrem Ehemann abgespielt, die von der Polizei heimlich aufgezeichnet wurden. Fünf Richter, ein Staatsanwalt, ein Gutachter, zwei Anwälte, die Angeklagte und rund 80 Zuhörer lauschten drei Stunden lang Gesprächen über Brokkolipizza und TV-Krimis, Jobprobleme und Schlafzimmerlampen. Doch die mutmaßliche Doppelmörderin sprach mit ihrem Mann auch häufig über die Tätersuche der Polizei.
Die Bluttat: Laut Anklage fuhr Henrike Schemmer am 7. Juli 2011 von ihrem Wohnort Haren (Niedersachsen) 350 Kilometer nach Koblenz, drang ins Haus ihrer Schwiegereltern Waltraud (68) und Heinrich (75) Schemmer ein und erstach beide. Sie bestreitet die Tat.
Ab August 2011 verdächtigte die Polizei die 46-Jährige, die Tat verübt zu haben. Sie zeichnete deren Telefonate mit ihrem Mann auf. Das Protokoll einiger Gespräche:
Im Sommer beschwert sie sich gegenüber ihrem „Schatz“: „Du hast immer deine Depri-Stimme!“ Und: „Ich bin die Einzige, die sich hier zusammenreißt für alle. Das Leben geht weiter!“
In einem späteren Gespräch sagt der Ehemann, er habe „ komische Gedanken im Kopf“. Es geht um Stimmen, die eine Zeugin in der Tatnacht hörte. Und um die Frage, wie viele Täter es waren. Sie sagt: „Es ist nicht gut, wenn dir so was durch den Kopf spukt.“ Sie empfiehlt ihm, an das Hier und Heute zu denken, nicht an die Tat. Er: „Ja, lassen wir das.“ Sie: „Ich will dich nicht mundtot machen. Ich will, dass du das im Innersten begreifst.“
Am 8. Februar erfährt sie, dass die Polizei mit Spezialhunden auf Autobahnen mutmaßliche Täterspuren verfolgt – von Koblenz in Richtung Norden, Richtung Haren. Am gleichen Tag sagt sie zu ihrem Mann: „Ich habe ein schlechtes Gefühl.“ Und: „Lieber wäre es mir gewesen, die Hunde wären Richtung Frankfurt gelaufen.“ Seine Antwort: „Das kann ich mir vorstellen.“ Später fällt sie ihm ins Wort: „Lass uns nicht am Telefon darüber reden!“ Sie fürchtet, dass ihre Telefonate abgehört werden.
Als die Fahnder Ende Februar den Hundeeinsatz fortsetzen, sagt sie zu ihrem Mann: „Die verfolgen sicher meine Spur. Dann müssten die morgen kommen! Wäre schön, wenn du heute erreichbar bleibst.“
Mitte 2012 nahm die Polizei Henrike Schemmer nach siebenstündigem Verhör fest. Laut dem Gericht meldeten sich inzwischen weitere Zeugen, die sie in der Tatnacht gesehen haben wollen. Der Prozess geht am Dienstag weiter.
Von unserem Redakteur Hartmut Wagner