Einer zieht aus, um die Welt der Kunst zu erkunden. Und er kehrt zurück, um seiner Heimat etwas zurückgeben. So einer ist Stefan Wilkening aus Hatzenport. Der Schauspieler von der Mosel lebt und arbeitet in München, unter anderem für den „Tatort“, aber auch bei den Mozartspielen in Salzburg. Jetzt bereichert er mit einem besonderen Auftritt das Mosel Musikfestival, das am Dienstag, 29. April, beginnt. Neben der Besonderheit, das Aufführungen an teilweise kuriosen Spielstätten zwischen Trier und Winningen steigen, hat sich Intendant Tobias Scharfenberger heuer etwas Spezielles einfallen lassen, zum 40. Gründungstag des Festivals, das zwischen 60 Konzerten den musikalischen Welten changiert und am Donnerstag, 2. Oktober, mit einem „Club-Konzert“ in Trier endet. Und dann zieht Scharfenberger selbst aus…
Von hier aus in die Welt: Dieses Motto trifft auf eine Reihe von Akteuren im Jubiläumsjahr zu. „Ich bin überrascht gewesen bei der Zusammenstellung des Programms, welch unheimlich gutes Spektrum die Mosel-Region abbildet“, sagt Intendant Scharfenberger. Den Auftakt macht Karl-Heinz Steffens mit Freunden am heutigen Abend um 19.30 Uhr im Barocksaal des Klosters Machern. Der Klarinettist, der einstmals im Musikverein Lüxem sein Handwerk lernte, ist jetzt Chefdirigent des Norrköping Symphony Orchestra (Schweden) und bringt Sergej Prokofjew (Ouvertüre über hebräische Themen), Paul Hindemith (Quartett für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier) sowie César Franck (Klavierquintett f-Moll) zu Gehör. Steffens konnte zu drei Konzerten gewonnen werden – unter anderem dort, wo er das Musizieren lernte: in der Kirche St. Maria Magdalena in Wittlich-Lüxem(Donnerstag, 1. Mai, 19.30 Uhr).

Hatzenport im Herzen: Einer der bewusst ausgewählten Akteure gerät beim Ortstermin gleich ins Schwärmen. „Es ist wunderbar hier im Saal Pauly. Da kommen Erinnerungen hoch“, sagt Stefan Wilkening. Der 57-Jährige rekapituliert, wie er hier in der voluminösen Halle, die mehr als 200 Zuschauer fasst, ein Weihnachtsprogramm von Astrid Lindgren und Don Quijote mit Akkordeon zum Besten gegeben hat. „Ich mag diesen Ort hier sehr.“ Wilkening ist viel in Bayern, wo er auch Hörbücher einspricht, unterwegs. „Aber ehrlich gesagt habe ich Hatzenport immer in meinem Herzen drin.“ Er wolle immer die Beziehung zu seinem Dorf behalten. Künstlerisch ergibt sich am Sonntag, 24. August, 17 Uhr, die Gelegenheit. Im Stück „Traumhaft erklingende Weltgeschichte“ begibt sich ein junger Mann auf eine fantastische Reise. Er erbt eine alte, wertvolle Gitarre, die er aber nicht spielen kann. „Und schläft eine Nacht mit ihr“, so macht Wilkening Appetit auf das, was kommt: In neun Episoden hangelt er sich chronologisch von den Pharaonen bis zu Jimi Hendrix, immer erpicht, das Saitenspiel zu erlernen und zu perfektionieren. Ausdruck dieses Sehnens liefern die beiden Gitarrenvirtuosen Christian Gruber und Peter Maklar, Stefan Wilkening gibt emotional den Suchenden. „Es ist für jeden etwas dabei, das Ganze geht ans Herz. Es ist besinnlich, es haut gleichermaßen rein.“ Ein Konzept, das auch Tobias Scharfenberger „sofort überzeugt hat“.
„Es ist immer mein Anliegen und Anspruch gewesen, Impulse zu geben, denn wir sind mehr als nur ein sommerlicher Veranstaltungsreigen.“
Intendant Tobias Scharfenberger (60)
Klassik im Kloster, Disco in der Kirche: Gleich zwölf Konzerte finden im Kloster Machern bei Bernkastel-Kues statt. Scharfenberger erläutert den Hintergrund. „Kloster Machern ist der Geburtsort des Festivals, dort hat sich das Ganze entwickelt.“ Eine Hommage auch an den besonderen Resonanzkörper: „Die Akustik ist hervorragend, die Atmosphäre besonders.“ Von dort hat einstmals der Ur-Vater des Festivals, Hermann Lewen, seinen Anspruch Wirklichkeit werden lassen. „Das Festival hat sich über vier Jahrzehnte hinweg zu einer der bedeutendsten Veranstaltungen in der Musiklandschaft unseres Landes entwickelt“, betont Kulturministerin Katharina Binz (Grüne). Tobias Scharfenberger habe es in den neun Jahren „mit seiner Vision und seinem Engagement geprägt und weiterentwickelt.“ Der 60-Jährige übergibt zum Ende der Saison den Staffelstab an Klaus Gasteiger und David Meier und wird Konzerthausdirektor am Theater in Kiel. Und lässt zuvor noch aufhorchen: Disco in der Kirche, darf man das? Für ein „tanzbares Klassik-Konzert“ wird die ehemalige Pauluskirche in Trier am Samstag, 5. Juli, 21 Uhr, zum Treffpunkt eines Club-Konzertes. Unter dem Titel „Disco“ liefert das Orchester im Treppenhaus heiße Beats, neben anderen Techno und Tech-House, ab. Das neoromanische Gotteshaus steht seit 2017 leer, es werden Investoren dafür gesucht. „Wir haben hier einen modulablen Saal, mit dem wir zeigen können, was in einer Kirche möglich ist“, so Scharfenberger. Der Prozess ist aufwendig für die zwölf Veranstaltungen: „Wir mussten die Kirche komplett leerräumen und haben den Altar mit einem Lift entfernt.“ Die große Apsis bieten Chancen – auch um eine Bühne oder ein Kammerorchester unterzubringen.
Wie wichtig ist Kultur fürs Land? Wichtig sei eine „kluge, qualitative und langfristige Ausgewogenheit“, um Menschen für Kulturereignisse empfänglich zu machen – und sie zur Teilnahme anzuspornen. Sagt Stefan Wilkening und ergänzt: „Das ist der alte Lagerfeuergedanke“, der sich auch auf seine Mutter beziehe: „Ich will, dass sie bis zum Finale dabeibleibt und nicht einfach geht.“ Für Tobias Scharfenberger ist eine „dramaturgisch kluge Geschichte mit tollem Spannungsbogen“ für die Haftung ans Publikum entscheidend. Für ihn waren es an der Mosel „neun unheimlich herausfordernde Jahre“, in denen Corona „bei uns heftig hereingeregnet“ habe. In der Corona-Zeit habe man gelernt, kreativ zu improvisieren. Ihm sei es immer der Anspruch gewesen, „Impulse zu geben, denn wir sind mehr als nur ein sommerlicher Veranstaltungsreigen.“
Von Brass bis Trance and Rhythm
In einer Roadshow gibt Intendant Scharfenberger in 90 Minuten Eindrücke für das Programm wieder, unter anderem am Donnerstag, 5. Juni, 19 Uhr, im evangelischen Gemeindezentrum Winningen (Eintritt frei; Anmeldung: Telefon 06531/500095). Veranstaltungen an der Untermosel sind wie folgt: CVL Brass aus Luxemburg im Kloster Stuben am Freitag, 11. Juli, 20.30 Uhr (ausverkauft), Silke Aichhorn (Harfe) am Freitag, 1. August, 19.30 Uhr, in der Oberfeller Wallfahrtskirche, Voktett Hannover am Sonntag, 3. August, 17 Uhr, in der Beilsteiner Klosterkirche, Anna Carewe und Oli Bott (Violoncello und Vibrafon, Trance and Rhythm) am Sonntag, 10. August, 11 Uhr, in der alten Wollfabrik in Moselkern (inklusive Frühstück) und „Weinklang – von hier aus in die Welt“ am Mittwoch, 20. August, 19 Uhr, in der Villa Huesgen mit Markus Burger („Professor Jazz“). Thilo Dahlmann (Bass, Mittelstrimmig) singt am Sonntag, 6. Juli, 17 Uhr, neben anderen bei der Festivaleröffnung in der ehemaligen Pauluskirche. Weitere Infos: www.moselmusikfestival.debro